RS Vfgh 1988/3/2 B816/86

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Veröffentlicht am 02.03.1988
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art118 Abs2
B-VG Art118 Abs3 Z9
Tir RaumOG 1984 §1 Abs1 und Abs2, §16b
Vlbg RaumplanungsG §2 Abs2 lite
Vlbg RaumplanungsG §14 Abs1 bis Abs11 idF LGBl 31/1985

Leitsatz

Kompetenzneutrale Umschreibung der Raumordnungsziele; keine Bedenkenim Hinblick auf Art10 Abs1 Z8 B-VG gegen die durch das Systemdes §16b Tir ROG - "Sonderflächen für Einkaufszentren" - geschaffeneobjektive Rechtslage; keine zur "örtlichen Raumplanung" (Art118Abs3 Z9 B-VG) zählende Planungsmaßnahme - Überwiegen desüberörtlichen Interesses; keine Rechtsverletzung wegen Anwendungeiner rechtswidrigen generellen Norm

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §1 Abs1 und Abs2 und §16b Tir. RaumOG 1984 hinsichtlich Art10 Abs1 Z8 B-VG.

Die einschlägige Rechtslage des Bundeslandes Tirol ist der Rechtsmeinung der Beschwerdeführer zuwider mit der des Bundeslandes Vorarlberg vor Aufhebung des §2 Abs2 lite und des §14 Abs6 bis 11 (Vbg.) RPlG (mit E v 23.06.87, G137/86 ua. wegen Widerspruchs zu Art10 Abs1 Z8 B-VG) nicht vergleichbar. Denn ein Regelungsziel Bedarfsdeckung iSd Gewerberechts ("Nahversorgungsziel"), wie es der Vorarlberger Landesgesetzgeber (in entsprechender Verdrängung anderer Raumplanungsziele) iZm §14 Abs6 bis 11 RPlG in §2 Abs2 lite RPlG ausdrücklich und unmißverständlich postuliert hatte, findet sich im Tir. ROG 1984 nicht (siehe besonders §1 Abs2 dieses Landesgesetzes): Das Tir ROG 1984 umschreibt nämlich in seinem §1 Abs1 die Aufgaben und Ziele der überörtlichen Raumordnung nur ganz allgemein mit "geordneter Gesamtentwicklung" des Landes ua. im Hinblick auf die "abschätzbaren wirtschaftlichen ... Bedürfnisse seiner Bewohner", also durchaus kompetenzneutral. Das gilt gleichermaßen für die Zielbestimmung des §1 Abs2 litk Tir. ROG 1984 ("Vorsorge für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit notwendigen Gütern in Krisenzeiten"). Dazu bleibt anzumerken, daß §1 Abs2 Tir. ROG, LGBl. 10/1972 mit Landesgesetz vom 19.10.83 (4. ROG-Novelle), LGBl. 88/1983, neu gefaßt wurde, folglich §1 Abs2 litd des Gesetzes in seiner ursprünglichen Fassung (lautend: " ... Vorsorge für ein entsprechendes ... Versorgungsnetz") dem Rechtsbestand nicht mehr angehört.

Der mit "Sonderflächen für Einkaufszentren" betitelte §16b Tir. ROG 1984 läßt sich nach seinem Wortlaut für sich allein gesehen, ohne Koppelung an ein maßgebendes Raumordnungsziel nach Art des im aufgehobenen §2 Abs2 lite (Vbg.) RPlG, LGBl. 15/1973 idF der Novelle LGBl. 31/1985, umschriebenen, noch nicht als eine dem Landesgesetzgeber verwehrte Regelung ausschließlich zur Festlegung des Lokalbedarfs in gewerberechtlicher Bedeutung erkennen. Daß das System des §16b Tir. ROG 1984 zur gewerberechtlichen Steuerung der Zahl neuer Einkaufszentren (nach Maßgabe des Lokalbedarfs) mißbraucht werden könnte - und zwar durch Vollzugsakte, die auf verfassungswidriger Gesetzesauslegung beruhen (vgl. auch Art6 StGG) -, wie die beschwerdeführende Gesellschaft zu befürchten scheint, vermag daran nichts zu ändern: Entscheidend ist einzig und allein die durch §16b Tir. ROG 1984 geschaffene objektive Rechtslage. Sie aber läßt hier aus den bereits ausgebreiteten Überlegungen - ungeachtet des Umstands, daß Einkaufszentren nur auf entsprechenden Sonderflächen nach Maßgabe eines überörtlichen, also über ein Gemeindegebiet hinausgreifenden Entwicklungsprogramms errichtet werden dürfen - verfassungsrechtliche Bedenken (: Art10 Abs1 Z8 B-VG) nicht entstehen. (Daß Sonderwidmungen von Flächen für Einkaufszentren im Rahmen der Raumordnung an sich festgelegt werden dürfen, stellte der Verfassungsgerichtshof schon bisher nicht in Frage: VfSlg. 9543/1982).

Kein Verstoß des §16b Tir. RaumOG 1984 gegen Art118 Abs3 Z9

B-VG.

Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt nicht, daß die Errichtung von Einkaufszentren mit Auswirkungen raumordnerischer Art verbunden ist, die überörtliche Interessen in überwiegendem Maß berühren. Eine landesgesetzliche Vorschrift, die verlangt, daß eine Gemeinde Sonderflächen für Einkaufszentren in "örtlicher Raumplanung" nur dann vorsehen darf, wenn das Land sein überörtliches Interesse an der Errichtung solcher Bauten im Wege eines Entwicklungsprogrammes vorher festlegt, widerspricht daher nicht der Bundesverfassung.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Kompetenz Bund - Länder Raumplanung, Baurecht, Raumordnung,Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Raumplanung örtliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B816.1986

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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