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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfügung der Vereinigung von Gemeinden einmalige Maßnahme - für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Prognoseentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Erlassung des Gesetzes abzustellen; keine Bedenken gegen §3 Abs10 Z3 Nö KStVG 1971 - Zusammenlegung der Gemeinden Großheinrichschlag und Weinzierl nicht unsachlichRechtssatz
Für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides (Gemeindezusammenlegung) ist im gegebenen Zusammenhang nur wesentlich, ob die ihn tragende Bestimmung des KStrVG verfassungsmäßig war. Es kommt nämlich auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides an.
Bei Untersuchung der Frage, ob das KStrVG 1971 verfassungsmäßig war, ist ausschließlich der Zeitpunkt seiner Erlassung maßgebend, dies deshalb, weil dieses Gesetz eine einmalige Maßnahme zum Inhalt hat, nämlich die Vereinigung von Gemeinden zu verfügen (vgl. zB VfSlg. 8108/1977, S 527; 10.637/1985, S 471). Der Verfassungsgerichtshof hat also auch heute nur zu untersuchen, ob die im Jahre 1971 vom Gesetzgeber angeordnete Gemeindezusammenlegung sachlich gerechtfertigt war. Der Gesetzgeber mußte damals die zukünftige Entwicklung, so insbesondere die Folgen der Gemeindevereinigung abschätzen. Bei Beurteilung durch den Verfassungsgerichtshof, ob diese Prognoseentscheidung vor dem Gleichheitsgebot bestehen kann, ist also auf das Jahr 1971 zurückzublicken, sohin nur auf jene Auswirkungen der Gemeindevereinigung abzustellen, die seinerzeit vom Gesetzgeber bei Abwägung aller maßgebenden Umstände erwartet werden durften. Die tatsächliche Entwicklung kann allenfalls eines der Hilfskriterien bei Lösung der Frage sein, ob die damals getroffene Prognose vertretbar war oder nicht.
Die Zusammenlegung einer Kleingemeinde von weniger als 1.000 Einwohnern mit einer anderen Gemeinde ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in der Regel sachlich. Die Prognose, daß durch Schaffung größerer Gemeinden im allgemeinen die Gemeindestruktur in Zukunft verbessert wird, ist jedenfalls im Jahre 1971 begründet gewesen. Ob dies auch heute noch (uneingeschränkt) zutrifft, muß unerörtert bleiben.
Ausnahmen vom Grundsatz, daß die Auflösung einer Kleingemeinde sachlich begründet war, haben sich in jenen Fällen ergeben, in denen die Zusammenlegung einer Kleingemeinde - mit welcher anderen Gemeinde immer - auf Grund ganz besonderer Umstände vorhersehbarerweise völlig untauglich war, das angestrebte Ziel einer Kommunalstrukturverbesserung zu erreichen (VfSlg. 8108/1977, 9793/1983, 9819/1983, 9814/1983, 9068/1981, G22/87 vom 17.06.87).
Die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit von Strukturänderungsmaßnahmen jeder Art ist von einer Vielzahl von Umständen abhängig. So gut wie niemals ist eine Situation so beschaffen, daß ausnahmslos alle in Ansehung einer bestimmten Maßnahme erheblichen Umstände für diese Maßnahme sprechen; immer liegen im Einzelfall auch Umstände vor, an denen gemessen sie nicht erforderlich, ja vielleicht sogar unzweckmäßig ist. Auch jede Änderung der Gemeindestruktur bewirkt deshalb - und zwar besonders für die unmittelbar davon Betroffenen - nicht nur Vorteile; es wird sich manches überhaupt nicht und manches sogar zum Nachteil ändern, dies oft allerdings nur vorübergehend. Das ist unvermeidlich und macht deshalb eine solche Maßnahme an sich noch nicht unsachlich. Strittig kann nur die Frage der (bloßen) Zweckmäßigkeit der getroffenen Regelung sein (vgl. zB VfSlg. 10.637/1985; VfGH 17.06.87 G22/87 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).
Keine Bedenken gegen §3 Abs10 Z3 Nö KStrVG 1971 (Vereinigung der Gemeinde Großheinrichschlag mit der Gemeinde Weinzierl).
Die Gemeinde Großheinrichschlag hatte im Jahre 1971 bloß 581, die Gemeinde Weinzierl 891 Einwohner. Großheinrichschlag war daher eine Kleingemeinde, gegen deren Auflösung nach dem Gesagten von Verfassungs wegen grundsätzlich nichts einzuwenden war.
Ganz besondere Umstände, die im Jahre 1971 trotz der geringen Einwohnerzahl für das Bestehenbleiben von Großheinrichschlag sprachen, hat das Verfahren nicht erbracht.
Ebensowenig hat sich ergeben, daß irgendwelche Umstände, mit denen der Gesetzgeber des Jahres 1971 rechnen mußte, dagegen sprachen, Großheinrichschlag gerade mit Weinzierl zu vereinigen.
Wenn der Gesetzgeber 1971 die Gemeinde Großheinrichschlag auflösen wollte, hatte er im Hinblick auf die sogenannte "Hauptdorfkarte" kaum eine andere Wahl als sie mit Weinzierl zusammenzulegen.
Es kommt nur darauf an, daß der Gesetzgeber 1971 erwarten konnte, es würden sich aufgrund der Gemeindezusammenlegung für die Kommunalstruktur als Komplex betrachtet (also nicht bloß auf die Belange von Großheinrichschlag bezogen) Vorteile ergeben (vgl. zB VfSlg. 10.637/1985).
Wenn diese Vorteile in der Folge nicht oder nicht im erwarteten Ausmaß eingetreten sein sollten, so könnte dies für den Landesgesetzgeber oder den Verordnungsgeber (§9 der Nö. GdO 1973, LGBl. 1000-4) allenfalls Anlaß bieten, die Kommunalstruktur neuerlich zu ändern, würde aber nicht bewirken, daß die Prognoseentscheidung des Jahres 1971 als unsachlich zu bezeichnen wäre.
Keine Bedenken gegen §3 Abs10 Z3 Nö. KStrVG 1971 (Vereinigung der Gemeinde Großheinrichschlag mit der Gemeinde Weinzierl).
Bescheid der Nö. Landesregierung, mit dem für die gemäß §3 Abs10 Z3 Nö. KStrVG 1971 durch Vereinigung der Gemeinde Großheinrichschlag und Weinzierl am Walde geschaffene Gemeinde Weinzierl am Walde provisorische Gemeindeorgane bestellt wurden.
Schlagworte
Bescheid, VfGH /Prüfungsmaßstab, GemeinderechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B617.1987Dokumentnummer
JFR_10119697_87B00617_01