Index
27 RechtspflegeLeitsatz
Kürzung des Ausbildungsbeitrages nur für den Fall eines neben der Gerichtspraxis bestehenden Dienstverhältnisses zum Bund - Überschreiten der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers; Aufhebung des §3 Abs1 als gleichheitswidrigRechtssatz
Gleichheitswidrigkeit des §3 Abs1 Rechtspraktikanten-AusbildungsbeitragsG, der festlegte, daß einem Rechtspraktikanten, der neben der Gerichtspraxis in einem Dienstverhältnis zum Bund stand, der Ausbildungsbeitrag nur insoweit gebührte, als der Monatsbezug (das Monatsentgelt) aus dem Dienstverhältnis und der monatliche Ausbildungsbeitrag zusammen das monatliche Gehalt eines Beamten der Allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse III, Verwendungsgruppe A, nicht überstiegen.
Für die Beantwortung der Frage, ob eine Kürzung des Ausbildungsbeitrages wegen geringerer Bedürftigkeit sachlich gerechtfertigt war, kann es nicht darauf ankommen, ob der Rechtspraktikant ein zusätzliches Einkommen aus einem Dienstverhältnis zum Bund oder etwa aus einem sonstigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis erzielte. Sollte der Rechtspraktikant angesichts seiner gesetzlichen Verpflichtung, die Geschäftsstunden des Gerichtes einzuhalten, außerstande gewesen sein, den ihm aus einem Dienstverhältnis zum Bund erwachsenden dienstlichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen, so durfte dies nur zu einer entsprechenden Kürzung des ihm aus diesem Dienstverhältnis zustehenden Bezuges oder Entgeltes führen, nicht aber zu einer Kürzung des Ausbildungsbeitrages, welche die über ein sonstiges Erwerbseinkommen verfügenden Rechtspraktikanten nicht zu gewärtigen hatten. Es konnte daher die vorgeschriebene Kürzung des Ausbildungsbeitrages nicht, mit dem Ziel gerechtfertigt werden, dadurch zu bewirken, daß der finanzielle Anreiz, neben der Gerichtspraxis noch ein Einkommen aus einem Dienstverhältnis zu erzielen, nur in einem solchen Ausmaß besteht, als die Erbringung von Dienstleistungen außerhalb der Geschäftsstunden des Gerichtes vertretbar erscheint.
Der in den Erläuterungen zu §3 der Regierungsvorlage enthaltene Hinweis, anderen Dienstgebern (als dem Bund) bleibe es unbenommen, die Bezüge eines Rechtspraktikanten aus einem allfälligen Dienstverhältnis für die Dauer der Gerichtspraxis entsprechend zu kürzen bzw. einzustellen, vermochte die in Prüfung gezogene Regelung nicht zu rechtfertigen: Sie sah nämlich nicht eine - einer allfälligen Minderleistung entsprechende - Kürzung der aus dem Dienstverhältnis (zum Bund) gebührenden Bezüge, sondern eine Kürzung des Ausbildungsbeitrages, und diese nur für den Fall vor, daß daneben ein Anspruch auf Dienstbezüge gegenüber dem Bund bestand, die zusammen mit dem Ausbildungsbeitrag eine bestimmte Grenze überstiegen.
Die in Prüfung gezogene Regelung konnte auch nicht mit dem Hinweis sachlich gerechtfertigt werden, daß die Ermittlung von Gehältern oder Löhnen, die von anderen Dienst- bzw. Arbeitgebern als dem Bund ausbezahlt werden, einen erheblich höheren Verwaltungsaufwand erfordern würde. Verwaltungsökonomische Überlegungen sind zwar bei der Prüfung der Sachlichkeit einer gesetzlichen Regelung mit einzubeziehen, derartige Überlegungen rechtfertigen aber nicht jede Art der Regelung, sondern müssen in einem angemessenen Verhältnis zu der damit in Kauf genommenen differenzierenden Behandlung ihrer Adressaten stehen (vgl. zB VfSlg. 8871/1980). In Fällen der hier in Rede stehenden Art kommt einem allfälligen höheren Verwaltungsaufwand keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Es ist überdies beispielsweise nicht zu erkennen, warum etwa die Ermittlung von Bezügen, die von einem Land oder von einer Gemeinde ausbezahlt werden, einen hier ins Gewicht fallenden höheren Verwaltungsaufwand erfordern sollte als die Ermittlung von Bezügen, die auf Grund eines Dienstverhältnisses zum Bund gebühren.
Es liegt durchaus im Rahmen der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und verstößt daher nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, eine Regelung zu treffen, wonach der dem Rechtspraktikanten zustehende Ausbildungsbeitrag mangels Bedürftigkeit des Empfängers dann entsprechend zu kürzen ist, wenn der Ausbildungsbeitrag und das sonstige Einkommen des Rechtspraktikanten zusammen eine bestimmte - angemessen festgesetzte - Obergrenze übersteigen. Die dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz gezogene Schranke ist jedoch überschritten, wenn eine Kürzung des Ausbildungsbeitrages aus diesem Grund nur für den Fall vorgesehen wird, daß der Rechtspraktikant ein zusätzliches Einkommen aus einem Dienstverhältnis zum Bund bezieht.
Das Ergebnis ist kein anderes, wenn man die Auffassung vertritt, daß durch die Zulassung zur Gerichtspraxis und die Auszahlung eines Ausbildungsbeitrages nicht ein Ausbildungs-, sondern ein Dienstverhältnis begründet wurde, der Ausbildungsbeitrag daher nicht eine Beihilfe, sondern ein Entgelt für geleistete Arbeit war. Auch unter dieser Annahme gab es keinen sachlichen Grund dafür, das Entgelt des Rechtspraktikanten allein deshalb zu kürzen, weil diesem daneben Bezüge aus einem gleichzeitig bestehenden weiteren Dienstverhältnis zum Bund gebührten.
Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §3 Abs1 Rechtspraktikanten-AusbildungsbeitragsG.
Nach §3 Abs1 des Rechtspraktikanten-AusbildungsbeitragsG gebührte einem Rechtspraktikanten, der neben der Gerichtspraxis in einem Dienstverhältnis zum Bund stand, der Ausbildungsbeitrag nur insoweit, als der Monatsbezug (das Monatsentgelt) aus dem Dienstverhältnis und der monatliche Ausbildungsbeitrag zusammen das monatliche Gehalt eines Beamten der Allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse III, Verwendungsgruppe A, nicht überstiegen. Diese Regelung galt sinngemäß auch für Sonderzahlungen.
Unsachliche Differenzierung zwischen Rechtspraktikanten, die aus einem Dienstverhältnis zum Bund ein zusätzliches Einkommen bezogen, und Rechtspraktikanten, die über ein solches Einkommen aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu einem anderen Dienstgeber als dem Bund oder überhaupt außerhalb eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses verfügten (siehe auch die übrigen Auswertungen zu §3 Abs1 leg. cit.).
Entscheidungstexte
Schlagworte
RechtspraktikantenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G226.1987Dokumentnummer
JFR_10119697_87G00226_01