RS Vfgh 1988/3/7 B914/87

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Veröffentlicht am 07.03.1988
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Index

80 Land-und Forstwirtschaft
80/03 Weinrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz - Verwaltungsakt
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Sachentscheidung
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
WeinV 1986
WeinG §45 idF der Nov 1986

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Einführung eines Kontrollzeichens (anstelle der Banderole) im Hinblick auf das Gleichheitsgebot - sachgerechte Regelung im Hinblick auf die angestrebte technische Vereinfachung und finanzielle Erleichterung für bestimmte (kleinere) Betriebe; §45 Abs1 zweiter und dritter Satz WeinG iS des Art18 B-VG hinreichend bestimmt; keine Bedenken gegen die Abgrenzung der Betriebsgröße durch den Verordnungsgeber

Rechtssatz

Die dem einfachen Gesetzgeber von Verfassungs wegen eingeräumte Gestaltungsfreiheit besteht sowohl in Ansehung der angestrebten Ziele als auch bezüglich der Auswahl der zur Zielerreichung einzusetzenden Mittel.

Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber frei, zu entscheiden, welche Instrumente er - unter Berücksichtigung allfälliger erwünschter oder in Kauf genommener Nebenwirkungen - in der jeweils gegebenen Situation zur Zielerreichung geeignet erachtet und welches unter mehreren möglichen Mitteln er auswählt und einsetzt. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber nur dann entgegentreten, wenn er bei der Bestimmung der einzusetzenden Mittel die ihm von Verfassungs wegen gesetzten Schranken überschreitet. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er das sich aus dem Gleichheitsgebot ergebende Sachlichkeitsgebot verletzt, wenn er also beispielsweise zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorsieht oder wenn die vorgesehenen, an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führen (s zB VfGH 16.06.87 G141-142/86 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

Keine Gleichheitsbedenken gegen §45 WeinG idF der Novelle 1986 und die WeinV 1986.

Das in der Regierungsvorlage zum WeinG in der Stammfassung ausgedrückte Ziel, eine genaue Kontrolle des in Flaschen und (sonstigen) Kleinbehältnissen (bis zu 50 Liter) in Verkehr gesetzten Weines zu ermöglichen, ist sachgerecht (vgl. VfHG 16.06.87 G141-142/87). Die Pflicht, mit fortlaufenden Nummern versehene Banderolen zu verwenden, ist ein geeignetes und adäquates Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Die belangte Behörde legt in ihrer Gegenschrift - zutreffend - dar, daß Sinn und Zweck der Kontrollmechanismen nicht nur darin liegen, die Handelskette zurückverfolgen zu können, sondern auch eine Verknüpfung bis zum Produzenten (Kellerbuch) vorzunehmen, um bei Feststellung eines mangel- oder fehlerhaften Produktes im Rahmen der Weinaufsicht das "Übel an der Wurzel" feststellen und bekämpfen zu können.

Offenkundig war es aber die Absicht des Gesetzgebers, durch die Einführung eines Kontrollzeichens anstelle der Banderole technische Vereinfachungen und damit finanzielle Erleichterungen zu bewirken, ein sachgerechtes Ziel, das zu erreichen die in Rede stehenden Vorschriften geeignet sind.

Keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes durch §45 WeinG idF der Novelle 1986 und die WeinV 1986.

Der Vorwurf des Beschwerdeführers geht dahin, daß die Einführung des Kontrollzeichens das primär verfolgte Ziel der Kontrolle unterlaufe, weil es ermögliche, diese zu umgehen. Das Kontrollzeichen ist jedoch in das gleiche Kontrollsystem eingebunden wie die Banderole; beide sind mit den Aufzeichnungen im Kellerbuch verknüpft. Dieses Kontrollsystem kann auch bei Verwendung des Kontrollzeichens (anstatt der Banderole) nicht leicht umgangen werden, weil das Wiederbefüllen einer Flasche deren Reinigung erfordert, wobei in der Regel das Kontrollzeichen abgewaschen wird. Wenngleich das Kontrollzeichen eine gegenüber der Banderole verminderte Kontrollfunktion haben mag, bewirkt es andererseits doch eine wesentliche Vereinfachung für den Betrieb. Der Gesetzgeber handelte im Rahmen des ihm zukommenden rechtspolit Entscheidungsfreiraumes, wenn er das (öffentliche) Interesse an einer möglichst effizienten Kontrolle gegen jenes der Betriebe, die Kontrolle möglichst einfach und billig zu gestalten, mit dem in der getroffenen Regelung ausgedrückten Ergebnis gegeneinander abwog.

Keine unsachliche Differenzierung zwischen großen und kleinen Kellereien durch §45 WeinG idF der Novelle 1986 und die WeinV 1986.

Der Beschwerdeführer wirft der Regelung vor, sie grenze die Betriebe, die das (vereinfachte) Kontrollzeichen verwenden dürften, gegenüber jenen, die zwingend zum Gebrauch der Banderole verhalten sind, unsachlich ab. Voraussetzung für die Zulässigkeit, sich - ausnahmsweise - des Kontrollzeichens zu bedienen, ist dem §45 Abs1 WeinG idF der Novelle 1986 zufolge, daß das Lesegut im Betrieb geerntet wurde und daß die vom Bundesminister durch Verordnung festgesetze Menge Wein pro Jahr nicht überschritten wird, das sind derzeit nach §5 der WeinV 1986 45.000 l Wein im Jahr.

Mit der Einführung des Kontrollzeichens anstelle der Banderole sollte eine Vereinfachung für die Kleinbetriebe bewirkt werden. Diese Sonderregelung für die Kleinbetriebe ist deshalb sachlich zu rechtfertigen, weil für derartige Betriebe einerseits eine kostspielige technische Investition für eine Abfüllanlage mit Etikettierungs- und Banderolisierungsmaschinen betriebswirtschaftlich nicht vertretbar, andererseits aber auch ein händisches Anbringen der Banderole über dem Verschluß kaum zumutbar ist, während für größere Betriebe die Anschaffung solcher Maschinen zumindest in der Regel als betriebswirtschaftlich vertretbar bezeichnet werden kann.

§45 WeinG idF der Novelle 1986 und die WeinV 1986 (betreffend Banderole und Kontrollzeichen) legen sachliche Ziele und geeignete Mittel zur Zielerreichung fest.

Nach der Bundesverfassung (Art18 Abs2 B-VG) sind Verordnungen nur "auf Grund der Gesetze" zu erlassen. Das heißt, daß eine Verordnung bloß eine Regelung präzisieren darf, die inhaltlich im wesentlichen vom Gesetz selbst getroffen oder zumindest vorgezeichnet wurde (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes: VfSlg. 7945/1976, 9226/1981, 9227/1981 ua.; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, S 82). Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen aus diesem also alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnunginhaltes durch das Gesetz: VfSlg. 4139/1962, 4662/1964, 5373/1966, 7945/1976); eine bloße formalgesetzliche Delegation, die der Verwaltungsbeh eine den Gesetzgeber supplierende Aufgabe zuweist, stünde mit Art18 Abs1 (und 2) B-VG in Widerspruch (siehe VfSlg. 4072/1961, 4300/1962).

Die Grenze zwischen einer noch ausreichenden materiellen Bestimmtheit des Gesetzes und einer formalen Delegation wird nun in einzelnen Fällen nicht immer leicht zu bestimmen sein. Entscheidungskriterium ist hier stets die Frage, ob die im Verordnungsweg getroffene (Durchführungs-)Regelung auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann (siehe VfSlg. 1932/1950, 2294/1952, 4072/1961).

Bei Ermittlung des Inhalts des Gesetzes sind alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden auszuschöpfen: Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen läßt, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Norm die in Art18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. ua. VfSlg. 8395/1978, 10.296/1984).

Ausreichende Determinierung des Verordnungsgebers durch §45 Abs1 WeinG idF der Novelle 1986.

Zwar überläßt es §45 Abs1 WeinG idF der Novelle 1986 dem Verordnungsgeber, die Abgrenzung der Kleinbetriebe gegenüber den sonstigen Betrieben (denen nicht erlaubt werden soll, statt der Banderole das Kontrollzeichen zu verwenden) generell näherhin vorzunehmen. Immerhin aber zeichnet das Gesetz den Inhalt der Verordnung ausreichend genau vor: Schon das Ziel des Gesetzes und das sich aus dem Gesetzessinn ergebende Gebot, eine Interessenabwägung vorzunehmen, ermöglichen es dem Verfassungsgerichtshof, die Gesetzmäßigkeit der Durchführungsverordnungen nachzuprüfen. Im besonderen sieht das Gesetz als wesentliche Abgrenzungsmerkmal die "zumutbare kellertechnische Ausstattung" der Betriebe vor. Bei der Abgrenzung ist also insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, bis zu welcher Größe - bei einer Durchschnittsbetrachtung - ein Betrieb mit einer einfachen kellertechnischen Ausstattung das Auslangen finden kann und ihm mithin auch die Anschaffung einer Banderolisierungsmaschine unzumutbar ist. Die Abgrenzung ist dem Gesetz zufolge derart zu umschreiben, daß auf die Menge Wein, die pro Jahr erzeugt wird, abgestellt wird.

WeinV 1986 (Abgrenzung der Kleinbetriebe gegenüber den sonstigen Betrieben) überschreitet nicht §45 Abs1 WeinG idF der Novelle 1986.

Der Verordnungsgeber ist - wie aus den Äußerungen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft und der belangten Behörde hervorgeht - bei Abgrenzung der Betriebsgröße von einem Weinbaubetrieb mit einer Weinbaufläche von 5 ha und einem durchschnittlichen Hektarertrag von ca. 90 hl je ha in guten Jahren und daher von einer durchschnittlichen Erntemenge von 45.000 Liter Wein pro Jahr ausgegangen. Mit diesen Überlegungen hält sich der Verordnungsgeber im Rahmen des Gesetzes.

WeinV 1986 (Abgrenzung der Kleinbetriebe gegenüber den sonstigen Betrieben) überschreitet nicht §45 Abs1 WeinG idF der Novelle 1986.

§45 WeinG idF der Novelle 1986 regelt nicht etwa - wie der Beschwerdeführer meint - den Weinbau, sondern wie das fertige, für den menschlichen Genuß bestimmte Produkt (Wein) zu kennzeichnen ist. Eine derartige Regelung ist aber nach Art10 Abs1 Z12 B-VG (Ernährungswesen einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle) in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache (vgl. zB VfSlg. 8466/1978).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, Weinrecht, Lebensmittelrecht, Kompetenz Bund - Länder, Landwirtschaftsrecht,

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B914.1987

Dokumentnummer

JFR_10119693_87B00914_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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