RS Vfgh 1988/3/9 V3/88, V4/88, V5/88, V6/88, V7/88, V8/88, V9/88, V10/88, V11/88, V12/88

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Veröffentlicht am 09.03.1988
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Index

35 Zollrecht
35/05 Sonstiges

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs4
Geflügelwirtschafts-ImportausgleichsV 1984
GeflügelWG 1969 §4 Abs3, §10, §12 Abs2
GeschäftsO des Beirats gemäß §10 GeflügelWG 1969

Leitsatz

Mangels Festlegung eines Anwesenheitsquorums ist der nach §10 einzurichtende Beirat nur bei Anwesenheit aller Mitglieder beschlußfähig Geschäftsordnung des Beirates; normativer Akt genereller Natur; ausreichende Kundmachung - Bestandteil der Rechtsordnung, Rechtsverordnung; Regelung des Anwesenheitsquorums für die Beschlußfähigkeit in Punkt 4 erster Satz gesetzwidrig ImportausgleichsV - gesetzwidrig; der nach §4 Abs3 GeflügelwirtschaftsG für das Zustandekommen der Verordnung erforderlichen Anhörung lag ein Beschluß des nicht gesetzmäßig zusammengesetzten Kollegiums zugrunde Mit dem Außerkrafttreten der gesetzlichen Grundlage verlieren Durchführungsverordnungen ihre Wirksamkeit

Rechtssatz

Die GO des Beirates gemäß §10 GeflügelWG enthielt verbindliche Anordnungen über dessen Tätigkeit, die nicht nur für einen Einzelfall galten und die sich an einen generell umschriebenen Personenkreis, nämlich jedenfalls an die jeweiligen Mitglieder des Beirates, insbesondere an dessen jeweiligen Vorsitzenden, richteten. Es handelte sich mithin bei der GO des Beirates auf Grund ihres Inhaltes (vgl. dazu VfSlg. 6422/1971, 8351/1978) um einen normativen Akt, und zwar um einen solchen genereller Natur (vgl. etwa VfSlg. 6291/1970, 8648/1979).

Die GO des Beirates war nach ihrer Genehmigung durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft von diesem dem Beirat zu Handen seines Vorsitzenden mitgeteilt worden, der sie den Mitgliedern des Beirates bekanntmachte. Diese Form der Kundmachung reichte aus, um die GO des Beirates zu einem Bestandteil der Rechtsordnung werden zu lassen (vgl. VfSlg. 4341/1962, S 748; 7086/1973, S 467f; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, S 155). Als normativer, genereller VerwAkt besaß die GO des Beirates die rechtliche Qualität einer Verordnung und zwar, da sie eine der Erzeugungsbedingungen der ImportausgleichsV 1984 war, einer Rechtsverordnung.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die vom Verfassungsgerichtshof anzuwendende - ImportausgleichsV 1984 gesetzmäßig zustande gekommen ist, hat der Verfassungsgerichtshof ua. zu prüfen, ob der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft eingeholten Äußerung des Beirates ein der GO des Beirates gemäß §10 GeflügelWG und dem GeflügelWG entsprechender Beschluß des Beirates zugrundelag. Bei dieser Prüfung hätte der Verfassungsgerichtshof insbesondere den Punkt 4 erster Satz der GO des Beirates anzuwenden. Auch diese Bestimmung ist somit - und zwar mangels Trennbarkeit zur Gänze - iSd Art139 B-VG präjudiziell (vgl. VfSlg. 3992/1961, S 326).

Daß der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide die GO des Beirates nicht anzuwenden hatte, ändert daran nichts (vgl. VfSlg. 8028/1977, 10402/1985; siehe insbesondere auch VfSlg. 10292/1984, S 764 f).

Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Punktes 4 erster Satz der GO des Beirates gemäß §10 des Bundesgesetzes über die Erhebung eines Importausgleiches bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft, BGBl. Nr. 135/1969, vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft genehmigt unter Zl. 53.384-2a/69 vom 27.07.69.

Da das GeflügelWG über die Beschlußfähigkeit des Beirates keine Vorschriften enthielt, war der Beirat nur bei Anwesenheit aller seiner Mitglieder beschlußfähig (VfSlg. 10595/1985), also nur dann, wenn von jeder entsendungsberechtigten Stelle alle drei Mitglieder (oder deren Ersatzmänner) anwesend waren. Dafür spricht ua. der Umstand, daß nach §10 Abs4 GeflügelWG die Einladung aller Mitglieder eines der Erfordernisse für die Fassung gültiger Beschluß bildete und daß nach §10 Abs2 dieses Gesetzes für jedes Mitglied des Beirates ein Ersatzmann zu bestellen war.

Nach Punkt 4 erster Satz der GO des Beirates war der Beirat - die ordnungsgemäße Einladung aller Mitglieder vorausgesetzt - beschlußfähig, wenn von jeder der entsendenden Stellen mindestens 2 Mitglieder (Ersatzmänner) anwesend waren. Diese Bestimmung stand mithin in einem inhaltlichen Widerspruch zum Gesetz.

Feststellung der Gesetzwidrigkeit des ArtI Z2 ex 02.02 B lita der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25.07.84, Zl. 39.011/05-III B9/84, über den Importausgleich für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft (ABl. zur Wr. Zeitung Nr. 172 vom 26.07.84).

Eine auf §4 Abs3 des GeflügelWG gestützte Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, mit der ein erhöhter Importausgleich festgesetzt wurde, war gesetzwidrig, wenn sie ohne Anhörung des Beirates erlassen wurde. Das Erfordernis der Anhörung des Beirates gemäß §10 GeflügelWG war erfüllt, wenn der Beirat entweder von sich aus einen Vorschlag erstattete oder vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die Gelegenheit erhalten hatte, sich innerhalb einer angemessenen Frist zu äußern (VfSlg. 5670/1968, S 79; siehe auch VfSlg. 8396/1978). Hatte der Beirat weder von sich aus einen Vorschlag erstattet noch von der ihm gebotenen Gelegenheit zur Abgabe einer Äußerung fristgerecht Gebrauch gemacht, so war der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft dadurch rechtlich nicht gehindert, die Verordnung (ohne Vorliegen einer Äußerung des Beirates) zu erlassen. Hatte aber der Beirat - von sich aus oder auf Aufforderung - eine Äußerung abgegeben, so war es für das gesetzmäßige Zustandekommen der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft erforderlich, daß die Äußerung des Beirates entsprechend den hiefür maßgebenden Rechtsvorschriften zustande gekommen war. Dazu gehörte insbesondere, daß der Äußerung des Beirates ein Beschluß zugrunde lag, der den Vorschriften des GeflügelWG und der auf seiner Grundlage (gesetzmäßigerweise) erlassenen GO des Beirates entsprach (VfSlg. 10595/1985). Eine auf §4 Abs3 GeflügelWG gestützte Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft war mithin gesetzwidrig, wenn der Äußerung des Beirates nicht ein Beschluß dieses Kollegiums zugrundelag, der den im GeflügelWG und (mit diesem im Einklang) in der GO des Beirates festgelegten Beschlußerfordernissen entsprach.

Bei der Fassung des Beschlusses vom 18.07.84, mit dem sich der Beirat für die Erlassung der ImportausgleichsV 1984 ausgesprochen hatte, waren von einer der entsendungsberechtigten Stellen, nämlich dem Österreichischen Arbeiterkammertag, nicht alle drei, sondern nur zwei Vertreter anwesend. Die Zusammensetzung des Beirates entsprach daher zwar dem - gesetzwidrigen - Punkt 4 erster Satz seiner GO, nicht aber dem Gesetz. Der vom Beirat gefaßte Beschluß war mithin gesetzwidrig.

Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der GO des Beirats gemäß §10 GeflügelWG 1969 und der Geflügelwirtschafts-ImportausgleichsV 1984.

Das GeflügelWG, das die ges Grundlage sowohl für die ImportausgleichsV 1984 als auch für die GO des Beirates gemäß §10 GeflügelWG bildete, ist zufolge der Vorschrift des §12 Abs2 GeflügelWG 1988, BGBl. Nr. 579/1987, mit Ablauf des 31.12.87 außer Kraft getreten. Mit dem Wegfall ihrer gesetzlichen Grundlage haben auch die ImportausgleichsV 1984 und die GO des Beirates - beide Vorschriften waren Durchführungsverordnungen zum GeflügelWG - ihre Wirksamkeit verloren (vgl. etwa VfSlg. 2266/1952, 2326/1952, 2344/1952).

Da die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen zugleich mit ihrer gesetzlichen Grundlage mit dem Ablauf des 31.12.87 außer Kraft getreten sind, ist gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß sie gesetzwidrig waren.

Entscheidungstexte

  • V 3-12/88
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 09.03.1988 V 3-12/88

Schlagworte

Verordnung, RechtsV, VerwaltungsV, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Präjudizialität, Wirtschaftslenkung, Geflügelwirtschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:V3.1988

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2008
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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