Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Länderweise unterschiedliche Regelungen des Bundesgesetzgebers müssen auf Unterschieden im Tatsächlichen beruhen; Zusammenhang mit Angelegenheiten, deren Regelung Ländern zusteht - Rechtfertigung für Differenzierungen. Reichsgesetz vom 24.02.1905, wirksam für das Land Vorarlberg, womit besondere grundbuchsrechtliche und Exekutionsbestimmungen hinsichtlich der als Felddienstbarkeiten sich darstellenden Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten erlassen werden, RGBl. Nr. 33; ArtI und II betreffend Nichtaufnahme von Felddienstbarkeiten in das Grundbuch nicht gleichheitswidrigRechtssatz
Die Sachlichkeit einer Regelung ist nicht an den Verhältnissen im Zeitpunkt ihrer Entstehung zu messen; es kommt auf den Zeitpunkt der Entscheidung bzw. der Verwirklichung des Sachverhaltes an, auf den sie angewendet werden soll (VfSlg. 5854/1968 Boden-Credit-AnstaltsG; 7330/1974 GSPVG-Ausnahme; 8871/1980 Witwerpension, 9524/1982 Blinde Trafikanten, 9583/1982 Inflations-Scheingewinn, G91/86 vom 08.10.86 Tierkörperverwertung und G82/87 ua. vom 04.03.88, Süßstoffe als Zusatzstoffe). Es ist daher nicht entscheidend, ob im Jahre 1905 Gründe für die in Rede stehenden Ausnahmebestimmungen bestanden haben. Auch eine Änderung der seinerzeit maßgeblichen Verhältnisse muß noch nicht zur Gleichheitswidrigkeit der Regelung führen. Es ist vielmehr unabhängig von der Motivation des Gesetzgebers zu prüfen, ob die besondere Behandlung von Liegenschaften in Vorarlberg derzeit als unsachlich gewertet werden muß (siehe V h 51 ReichsG vom 24.02.1905, RGBl. 33 wirksam für das Land Vorarlberg, womit besondere grundbuchsrechtliche und Exekutionsbestimmungen hinsichtlich der als Felddienstbarkeiten sich darstellenden Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten erlassen werden).
Zwar schließt der bundesstaatliche Aufbau der Republik nur in Angelegenheiten, die in die Kompetenz der Länder fallen, einen Vergleich der einzelnen Regelungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes überhaupt aus (so ansatzweise schon in VfSlg. 1462/1932, dann VfSlg. 6755/1972 Wr. Dienstgeberabgabe; 7038/1973 Straßenverwaltung, 8161/1977 Kleinwohnungsbau-Gebührenbefreiung, S 258; 8247/1978 Vorstellungseinbringung; 9116/1981 Grazer Dienst- und Gehaltsordnung; und 9804/1983 Getränkesteuer) und der Bundesgesetzgeber darf länderweise unterschiedliche Regelungen - abgesehen von anderen Schranken - nur treffen, wenn sie auf Unterschieden im Tatsächlichen beruhen. Je enger aber eine bundesgesetzliche Regelung mit Angelegenheiten der Länder zusammenhängt, desto eher kann dieser Zusammenhang auch eine länderweise Verschiedenheit der Regelung rechtfertigen. Das gilt insbesondere dort, wo der Bundesgesetzgeber an landesrechtliche Regelungen anknüpft (VfSlg. 3516/1959 und 8152/1977 Grunderwerbsteuerbefreiung, 8161/1977 Kleinwohnungs-Gebührenbefreiung; vgl. auch 10715/1985 WohnungseigentumsG). Aber auch unterschiedliche tatsächliche Verhältnisse in den einzelnen Ländern sind umso eher ein tauglicher Grund für Differenzierungen des Bundesgesetzgebers, je enger sie mit Angelegenheiten verbunden sind, deren Regelung den Ländern zusteht.
Hier: Bei der bücherlichen Behandlung von Felddienstbarkeiten handelt es sich um eine Frage, die besonders eng mit Angelegenheiten zusammenhängt, die in den Ländern verschieden geregelt sein können.
Der bundesstaatliche Aufbau der Republik schließt nur in Angelegenheiten, die in die Kompetenz der Länder fallen, einen Vergleich der einzelnen Regelungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes überhaupt aus (so ansatzweise schon in VfSlg. 1462/1932, dann VfSlg. 6755/1972 Wr. Dienstgeberabgabe; 7038/1973 Straßenverwaltung, 8161/1977 Kleinwohnungsbau-Gebührenbefreiung, S 258; 8247/1978 Vorstellungseinbringung; 9116/1981 Grazer Dienst- und Gehaltsordnung; und 9804/1983 Getränkesteuer) und der Bundesgesetzgeber darf länderweise unterschiedliche Regelungen - abgesehen von anderen Schranken - nur treffen, wenn sie auf Unterschieden im Tatsächlichen beruhen.
Bei der bücherlichen Behandlung von Felddienstbarkeiten handelt es sich um eine Frage, die besonders eng mit Angelegenheiten zusammenhängt, die in den Ländern verschieden geregelt sein können.
Welche Unterschiede eine differenzierende Regelung rechtfertigen, hängt allerdings auch von dem Gewicht der angeordneten (unterschiedlichen) Rechtsfolgen ab (vgl. VfSlg. 8871/1980 Witwerpension, 9995/1984 Geschiedenenversorgung). Der Verfassungsgerichtshof meint, daß die Rechtsfolgen hier keine hohen Anforderungen stellen. Ob gewisse Felddienstbarkeiten dem Eintragungsgrundsatz unterliegen und die Erwerber von Liegenschaften sich mit dem Blick in das öffentliche Buch begnügen können sollen, ist nämlich bloß eine Frage der zweckmäßigen Gestaltung des Liegenschaftsrechts. Der Möglichkeit, alle dinglichen Rechte an Liegenschaften diesem Grundsatz zu unterwerfen, kommt aus der Sicht des Gleichheitssatzes kein Vorrang vor einer Regelung zu, die zwischen verschiedenen Arten von dinglichen Rechten unterscheidet. Auch unter dem Blickwinkel der allfälligen Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Personengruppen ist die Möglichkeit und Notwendigkeit der Eintragung bestimmter Arten von Rechten in die öffentlichen Bücher neutral und mehr eine technische Frage der Ordnung im Interesse der Allgemeinheit; Vor- und Nachteile für die Betroffenen halten einander die Waage.
Erst unter diesen besonderen Umständen ist für die Sachlichkeit der Regelung entscheidend, daß sie nur den seit jeher in Vorarlberg bestehenden besonderen Rechtszustand beibehält. Jedenfalls für die als Felddienstbarkeiten sich darstellenden Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten galt gerade in Vorarlberg niemals das Eintragungsprinzip. Die Grundbuchsanlegung unter Außerachtlassung der in Rede stehenden Dienstbarkeiten hat so eine Lage geschaffen, die auch den Weiterbestand der Sonderregelung vor dem Gleichheitssatz bestehen läßt.
Der Fortbestand der angegriffenen Regelung ist keine verfassungsrechtliche, sondern eine Zweckmäßigkeitsfrage.
Dem Antrag des LG Feldkirch, ArtI und II des ReichsG vom 24.02.1905, wirksam für das Land Vorarlberg, womit besondere grundbuchsrechtliche und Exekutionsbestimmungen hinsichtlich der als Felddienstbarkeiten sich darstellenden Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten erlassen werden, RGBl. Nr. 33 wird keine Folge gegeben.
ArtI und II des ReichsG vom 24.02.1905, wirksam für das Land Vorarlberg, womit besondere grundbuchsrechtliche und Exekutionsbestimmungen hinsichtlich der als Felddienstbarkeiten sich darstellenden Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten erlassen werden, RGBl. Nr. 33 betreffend Nichtaufnahme bestimmter Felddienstbarkeiten ins Grundbuch.
Schlagworte
Geltungsbereich eines Gesetzes, Invalidation, VfGH / Prüfungsmaßstab, Kompetenz Bund - Länder, Zivilrecht, Servituten, GrundbuchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G144.1987Dokumentnummer
JFR_10119691_87G00144_01