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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Straßenrechtlicher Baubewilligungsbescheid betrifft das Eigentumsrecht der Bf. nur in seinen Auswirkungen; nachprüfende Kontrolle durch den VwGH ausreichend iS des Art6 Abs1 MRK; keine Bedenken gegen §50 Abs6 Tir StraßenG wegen der Zusammenfassung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Funktionen in der Hand eines Verwaltungsorganes; keine Verletzung des Eigentumsrechtes; kein Entzug des gesetzlichen RichtersRechtssatz
Keine Bedenken gegen §50 Abs6 Tir. StraßenG, der bezüglich Straßenbaubewilligungen die Zuständigkeit des gleichzeitig für die Antragstellung zuständigen Bürgermeisters als Bewilligungsbehörde I. Instanz begründet.
Zwar wurde in VfSlg. 3980/1961 eine gesetzliche Bestimmung über die behördliche Entscheidungsbefugnis eines Bundesministers, dem gleichzeitig die Ausübung privatrechtlicher Funktionen in der Sache oblag, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Gleichheitswidrigkeit resultierte jedoch aus den Besonderheiten des Kündigungsverfahrens im Mietenrecht. Eine vergleichbare rechtliche Situation liegt im Straßenrecht nicht vor, zumal auf diesem Rechtsgebiet auch eine gesetzliche Regelung möglich erscheint, bei der (wie etwa im Bundesstraßenrecht) auf ein über Antrag der Straßenverwaltung eingeleitetes Straßenbaubewilligungsverfahren zugunsten eines ausschließlich amtswegig (durch Verordnung) bestimmten Straßenverlaufs in verfassungsrechtlich zulässiger Weise überhaupt verzichtet wird. Im übrigen hat der Verfassungsgerichtshof aber schon in VfSlg. 3980/1961 ausgesprochen, daß "die Zusammenfassung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Funktionen in der Hand eines Verwaltungsorganes verfassungsrechtlich an sich zulässig ist", sodaß "aus diesem Grunde allein keine Bedenken gegen die überprüfte Regelung" bestehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat ferner in VfSlg. 4703/1964 die Ansicht vertreten, daß eine Verfassungswidrigkeit "weder aus Art94 B-VG noch aus einer anderen Verfassungsnorm abgeleitet werden kann", wenn "die Gemeinde als Grundeigentümerin und als Baubehörde in einer Person aufgetreten ist" (vgl. auch VfSlg. 4388/1963, 4389/1963 und 6935/1972). In seinem E v 08.10.87, G47/87, hat der Verfassungsgerichtshof schließlich ganz allgemein festgestellt: "Der österreichischen Rechtsordnung ist die Erscheinung, daß dasselbe staatliche Organ im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung auftritt, das im Rahmen der Hoheitsverwaltung zur Entscheidung berufen ist, nicht fremd". Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Auffassung.
Keine Bedenken gegen §50 Abs6 Tir. StraßenG in Hinblick auf Art6 MRK.
Die aus Art6 MRK abzuleitenden verfahrensrechtlichen Anforderungen betreffen ausschließlich das Verfahren des "über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" entscheidenden Gerichts (Tribunals), also nicht das Verfahren vor dem in I. Instanz entscheidenden Bürgermeister. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem E v 14.10.87, B267/86, (insoweit in Übereinstimmung mit VfSlg. 5100/1965) feststellte, genügt die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes den Anforderungen des Art6 Abs1 MRK zumindest dann, wenn die "in Rede stehenden Streitigkeiten nicht über 'civil rights' selbst entstanden sind, sondern solche nur in ihren Auswirkungen betreffen". Der straßenrechtliche Baubewilligungsbescheid betrifft ungeachtet seiner Bindungswirkung im Enteignungsverfahren das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer nur in seinen Auswirkungen, sodaß der Verwaltungsgerichtshof als "unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht (Tribunal)" iSd Art6 Abs1 MRK in der betreffenden Sache tätig wird. Schon wegen der Zuständigkeit des Stadtsenates, über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des (- im Berufungsverfahren gemäß §7 AVG befangenen -) Bürgermeister zu entscheiden, aber insbesondere wegen der Kontrolle des gesamten Verwaltungsverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof können aus Art6 MRK keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen die auf §50 Abs6 Tir. StraßenG gestützte Zuständigkeit des gleichzeitig für die Antragstellung zuständigen Bürgermeisters als Bewilligungsbehörde I. Instanz abgeleitet werden.
Beschwerde gegen Straßenbaubewilligung - denkmögliche Anwendung des - unbedenklichen - §50 Abs6 Tir. StraßenG.
Kein Entzug des gesetzlichen Richters.
Beschwerde gegen Straßenbaubewilligung.
Weder der Bürgermeister noch der Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck als belangte Behörden haben eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihnen kraft Gesetz nicht zugekommen wäre.
Gemäß §41 Abs1 des Stadtrechts der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. 53 idgF geht der Instanzenzug gegen Bescheide des Bürgermeisters in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches an den Stadtsenat, gegen dessen Entscheidungen ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig ist. Da durch §81 Abs1 des Stadtrechts die Vorstellung gegen Bescheide eines Organes der Stadt in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung ausgeschlossen wurde, ist der Instanzenzug erschöpft. Der Verfassungsgerichtshof ist daher zuständig, über die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 29.06.87 zu entscheiden.
Schlagworte
Privatrecht - öffentliches Recht, Privatwirtschaftsverwaltung, Hoheitsverwaltung, Straßenverwaltung, Straßenbaubewilligung, VfGH / InstanzenzugserschöpfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B874.1987Dokumentnummer
JFR_10119690_87B00874_01