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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nur zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist Tir. SchischulG; Monopolisierung des Schiunterrichts durch Zulassung jeweils nur einer Schischule in einem in der Regel das gesamte Gebiet einer Gemeinde umfassenden Schischulgebiet; das zur Erreichung sachlich gerechtfertigter Fremdenverkehrs- und Sicherheitsinteressen gewählte Ordnungssystem bewirkt eine gravierende Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit; Aufhebung des §6, einiger Worte in §7 Abs3 und des §10 Abs1Rechtssatz
Soweit die Tiroler Landesregierung die Präjudizialität des §10 Abs1 TSchG für die angefochtenen Erledigungen bestreitet, weil der Regelungsgegenstand dieser Bestimmung mit der Bewilligung der Führung einer Schischule nichts zu tun habe, übersieht sie, daß §10 Abs1 in den Anlaßfällen offenkundig angewendet wurde; wenn die Tiroler Landesregierung die normative Bedeutung dieser Regelung ausschließlich in der Anordnung erblickt, die an die Erteilung der Bewilligung die Festsetzung eines Standortes anknüpft, befindet sie sich in einem Irrtum, da sich sowohl aus der Überschrift als auch aus dem Inhalt der Regelung der systematisch untrennbare Zusammenhang mit den in Prüfung gezogenen Bestimmungen der §§6 und 7 TSchG ergibt.
Die Abs4 und 5 des §11 TSchG waren bei Erlassung der in den Anlaßfällen ergangenen Bescheide weder anzuwenden noch sind sie vom Verfassungsgerichtshof bei Prüfung der an ihn gerichteten Beschwerden anzuwenden, sodaß - da auch von einem untrennbarem Zusammenhang mit den in Prüfung gezogenen Bestimmungen der §§6 und 7 TSchG nicht gesprochen werden kann - die Präjudizialität des Abs4 und 5 des §11 TSchG iSd Art140 Abs1 B-VG verneint werden muß.
Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher hinsichtlich Abs4 und 5 des §11 TSchG einzustellen.
Die Bestimmungen des TSchG, nach denen für jedes Schischulgebiet nur eine Bewilligung zum Betrieb einer Schischule erteilt werden darf und dies nur, wenn ein Bedarf nach einer Schischule gegeben ist, beschränken die Möglichkeit, eine Schischule zu betreiben, und greifen daher in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein.
Prüfung der §§6, 7 Abs3 und 10 Abs1 TSchG (Monopolstellung, Bedarfsprüfung.
Es bedarf keines weiteren Nachweises, daß die fachliche Unterweisung in den Techniken des Schilaufes insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung des Schisports für den Fremdenverkehr und im Hinblick auf das Ziel, die Anzahl der Schiunfälle und deren Folgen möglichst gering zu halten, besonders wichtig ist. Das öffentliche Interesse an einer gut organisierten Unterrichtung aller an der Erlernung des Schilaufes Interessierten ist damit zu bejahen. Ein öffentliches Interesse besteht offenkundig auch an gesetzlichen Regelungen, die geeignet sind, mit der Abhaltung des Schiunterrichts und der Ausübung des Schisports verbundene Gefährdungen und Gefahren hintanzuhalten.
Ein ungeordneter Wettbewerb könnte nämlich in diesem Gebiet auch nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes zu Entwicklungen führen, die sowohl den besonderen Fremdenverkehrsinteressen widerstreiten als auch eine Vergrößerung der Gefahren herbeizuführen geeignet sind, die mit dem Schisport im allgemeinen und dem Schiunterricht im besonderen verbunden sind.
Die Ausführungen der Tiroler Landesregierung, soweit sie die Rechtfertigung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen (§§6, 7 Abs3 und 10 Abs1 TSchG) aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen ableiten, vermögen den Verfassungsgerichtshof nicht zu überzeugen. Warum der Beschäftigtenstand - gesamthaft betrachtet - zurückgehen sollte, wenn statt einer Schischule mehrere Schischulen Unterricht erteilen, wird nicht dargetan. Es sprechen jedenfalls gute Argumente auch dafür, daß konkurrierende Unternehmungen der arbeitsuchenden Bevölkerung sogar mehr Arbeitsplätze zu bieten vermögen.
Ebensowenig können den Verfassungsgerichtshof die Ausführungen überzeugen, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen, die eine Monopolisierung des Schiunterrichts bewirken, erforderlich sind, um eine gesicherte Unfall- und Katastrophenhilfe zu gewährleisten.
Aufhebung des §6, der Worte "in einem Schischulgebiet ein Bedarf nach einer Schischule gegeben ist und" in §7 Abs3 und des §10 Abs1 TSchG.
Um die sachlich gerechtfertigten Fremdenverkehrs- und Sicherheitsinteressen zu erreichen, stehen dem Landesgesetzgeber - im Rahmen der ihm durch die Verfassung und dabei insbesondere auch durch Art6 StGG gezogenen Grenzen - verschiedene Wege zur Verfügung. Der Tiroler Landesgesetzgeber hat aber mit dem durch die §§6, 7 Abs3 und 10 Abs1 TSchG konstituierten System (das vor dem Hintergrund der übrigen Regelungen des TSchG, insbesondere auch dessen §11 Abs4 und 5 zu verstehen ist) eine Regelung getroffen, die in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung in unverhältnismäßiger Weise eingreift: So verbietet die Regelung die Erteilung mehrerer Bewilligungen zum Betrieb von Schischulen für ein Schischulgebiet selbst dann, wenn dieses Gebiet derart viele Möglichkeiten zum Schilauf bietet und derart viele Interessenten am Schiunterricht vorhanden sind, daß auch bei Erteilung mehrerer Bewilligungen nicht zu erwarten ist, daß jene negativen Folgen (wie zB unausgewogene Pistenbelastung, "Abdrängen" auf gefährlicheres Gelände oder Unmöglichkeit der Darbietung des gesamten Schischulangebots in ausreichender Qualität durch zu kleine Schischulen) eintreten, von denen die Landesregierung meint, daß sie die derzeit geltende Ordnung zu rechtfertigen vermögen. Auch verhindert die derzeitige Regelung die Bewilligung von speziellen, selbständigen Schischulen, etwa hinsichtlich der einzelnen Fertigkeiten, zu deren Unterweisung Schischulen gemäß §2 Abs1 TSchG berufen sind (ds. der alpine und der nordische Schilauf und das Schibobfahren), oder hinsichtlich bestimmter Interessentengruppen (wie zB für Kinder, Behinderte oder Rennläufer), ohne daß dafür irgendein rechtfertigendes Motiv erkennbar wäre.
Aber selbst auf dem Boden des im TSchG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes, daß pro Schischulgebiet nur eine Schischule bewilligt werden soll, was möglicherweise bei bestimmten geographischen Konstellationen gerechtfertigt sein mag, ist die konkrete Regelung überschießend und inadäquat: Denn selbst für diesen Fall besteht für den, der eine Bewilligung zum Betrieb einer Schischule erwirken will, keine rechtliche Möglichkeit, eine grundrechtskonforme Zuordnung des für den Schilauf geeigneten Geländes zu Schischulgebieten zu erwirken bzw. eine Gliederung zu bekämpfen, die die Schischulgebiete in einer sachlich nicht gerechtfertigten und damit den Anforderungen der Erwerbsfreiheit nicht entsprechenden Weise festlegt.
Verstoß des §6, der Worte "in einem Schischulgebiet ein Bedarf nach einer Schischule gegeben ist und" in §7 Abs3 und des §10 Abs1 TSchG, nach denen für jedes Schischulgebiet nur eine Bewilligung zum Betrieb einer Schischule erteilt werden darf und dies nur, wenn ein Bedarf nach einer Schischule gegeben ist, gegen die Erwerbsfreiheit.
Das gewählte Ordnungssystem ist zur Erreichung der sachlich gerechtfertigten Fremdenverkehrs- und Sicherheitsinteressen inadäquat.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, SchischulenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G154.1987Dokumentnummer
JFR_10119688_87G00154_01