RS Vfgh 1988/3/14 B765/87

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Veröffentlicht am 14.03.1988
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
MRK Art6 Abs1
DSt 1872 §27 f
DSt 1872 §55e Abs3

Leitsatz

Keine Zuständigkeit des VfGH, gegen die Säumnis einer Behörde einzuschreiten - hier: die Entscheidung über den Antrag auf Ablehnung eines Anwaltsrichters wird einer künftigen Erledigung vorbehalten Familiäre und kollegiale Bindungen für sich allein sprechen weder für ein Abhängigkeitsverhältnis noch gegen Unparteilichkeit als Anwaltsrichter; kein Vorliegen besonderer Umstände, die auf Widerspruch zu Art6 MRK schließen lassen; kein Entzug des gesetzlichen Rechtes, keine Willkür

Rechtssatz

Bescheid der OBDK, mit dem die Entscheidung über den Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers betreffend einen Anwaltsrichter bis zur Zusammensetzung des erkennenden Senates vorbehalten wurde.

Mit der bekämpften Eröffnung wird über den Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Anwaltsrichters Dr. K J nicht abgesprochen, sondern vielmehr - wie der klare Wortlaut der Eröffnung besagt - die Entscheidung einer künftigen Erledigung vorbehalten. Wenn überhaupt, könnte sich der Beschwerdeführer in Ansehung des angefochtenen Ausspruches somit lediglich dadurch beschwert erachten, daß über seinen Antrag nicht entschieden wurde. Eine darauf gestützte Beschwerde würde sich jedoch nur dagegen richten, daß die belangte Behörde untätig geblieben ist. Weder Art144 B-VG noch eine andere Bestimmung räumt dem Verfassungsgerichtshof jedoch die Befugnis ein, gegen die Säumnis einer Behörde einzuschreiten.

Zurückweisung der Beschwerde.

Bescheid der OBDK, mit dem der Ablehnungsantrag des Beschwerdeführers betreffend einen Anwaltsrichter abgewiesen wurde.

Die belangte Behörde hat eine Sachentscheidung getroffen, zu der sie nach dem Gesetz (§55e Abs3 DSt) berufen war.

Die Aktenlage erweist, daß ein Ermittlungsverfahren jedenfalls durchgeführt wurde; wenn der Beschwerdeführer meint, er wäre zu den Ausführungen des Anwaltsrichters Dr. E W noch zu hören gewesen, wird damit bloß eine vermeintliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens behauptet, die unter den gegebenen Umständen ersichtlich nicht in die Verfassungssphäre reicht. Es kann der belangten Behörde auch nicht angelastet werden, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt zu haben. Der angefochtene Bescheid geht auf die Ablehnungsgründe detailliert ein und setzt sich mit den Vorbringen des Beschwerdeführers eingehend auseinander. Auch von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage kann nicht die Rede sein.

Keine Verletzung des Art6 MRK.

Was den Vorwurf betrifft, der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer im Recht auf ein faires Verfahren, da ein solches von einem einmal abgelehnten (Anwalts-)Richter nicht mehr zu erwarten wäre, fehlt dem Vorbringen schon deshalb jede Schlüssigkeit, weil es ohne sachlichen Substrat pauschal unterstellt, daß durch einen Richter, selbst wenn er zu Unrecht abgelehnt wurde, ein faires Verfahren nicht mehr gewährleistet sei. Sollte der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen der Sache nach jedoch darauf abzielen, daß hinsichtlich des von ihm abgelehnten Anwaltsrichters im Hinblick auf dessen familiäre und kollegiale Bindungen berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit, wie sie nach Art6 MRK gefordert wird, bestünden, dann ist ihm auch insoweit nicht zu folgen; der bloße Umstand, daß der Bruder des Anwaltsrichters Präsident der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich ist und daß er mit diesem eine Kanzleigemeinschaft hat, spricht weder für ein Abhängigkeitsverhältnis welcher Art immer noch gegen die Annahme der Unparteilichkeit als Anwaltsrichter. Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß auch sonst keine Umstände vorliegen, die auf einen besonderen Konnex schließen ließen, durch den eine sachliche Entscheidungsfreiheit erkennbarerweise beeinträchtigt wäre. Der bloße Vorwurf, der (abgelehnte) Anwaltsrichter hätte sich von Äußerungen des "Herrn Kollegen Präsidenten" nicht distanziert, erlaubt jedenfalls nicht auf das Vorliegen von Umständen zu schließen, die mit Art6 MRK im Widerspruch stünden (vgl. hiezu VfSlg. 10634/1985, 10639/1985).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Bescheid, Disziplinarrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B765.1987

Dokumentnummer

JFR_10119686_87B00765_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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