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30 Finanzverfassung, FinanzausgleichNorm
B-VG Art140 Abs3Leitsatz
Präjudizialität mit in untrennbarem Zusammenhang stehender gesetzlicher Bestimmungen; Überprüfbarkeit der (verfassungskonformen) Einordnung abgabengesetzlicher Bestimmungen in das (wieder eingeführten) System des F-VG 1948 im Einzelfall anhand des Inhalts der Finanzverfassung Zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Abgabenwesens - Beteiligung der Gebietskörperschaften an der Ausschöpfung eines bestimmten Besteuerungsgegenstandes; Abgabenerfindungsrecht der Länder - für den Bereich der Bundesabgaben taxative Aufzählung der zulässigen Abgabenformen in §6; keine gleichartige ausschließliche Bundesabgabe von demselben Besteuerungsgegenstand neben einer gemeinschaftlichen Bundesabgabe BG über die Einführung einer Zinsertragsteuer BGBl. 587/1983, Abschn. XIV; BG BGBl. 531/1984, Abschn. X, BG BGBl. 327/1986, Abschn. I; Gleichartigkeit von Zinsertragsteuer und Einkommensteuer verfassungswidrigRechtssatz
Der Abschnitt XIV des Bundesgesetzes über die Einführung einer Zinsertragsteuer, BGBl. 587/1983, der Abschnitt X ("Zinsertragsteuer") des Bundesgesetzes BGBl. 531/1984 sowie der Abschnitt I ("Zinsertragsteuer") des Bundesgesetzes BGBl. 327/1986 werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Der Verfassungsgerichtshof meint, wie schon in VfSlg. 7995/1977 ausgedrückt, daß §6 F-VG für den Bereich der Bundesabgaben eine taxative Aufzählung der zulässigen Abgabenformen enthält und daher neben einer gemeinschaftlichen Bundesabgabe eine gleichartige ausschließliche Bundesabgabe von demselben Besteuerungsgegenstand nicht vorgesehen werden darf.
Zinserträge iSd §1 Abs1 des Abschnittes XIV des Bundesgesetzes vom 29.11.83, BGBl. 587, sind - wie der Gerichtshof bereits im E v 14.03.86, B371/85 festgestellt hat - ihrer Art nach zugleich der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß §§2 Abs3 Z5 und 27 Abs1 Z4 EStG. Der in §1 Abs1 des Abschnittes XIV festgelegte Besteuerungsgegenstand ist somit ein Ausschnitt der Einkünfte iSd §27 Abs1 Z4 EStG. Auch der Kreis der Abgabepflichtigen ist insofern gleich, als in allen Fällen des Entstehens der Verpflichtung zur Leistung einer Abgabe nach den Bestimmungen über die Zinsertragsteuer auch eine Abgabenschuld nach dem EStG vorliegt; Abgabenschuldner ist in beiden Fällen der Gläubiger der Zinserträge. Die Unterschiede in der Steuerbemessung zwischen Zinsertragsteuer und Einkommensteuer stellen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Gleichartigkeit von Abgaben iSd §6 F-VG lediglich tarifliche Verschiedenheiten dar, welche - ansonsten gleichen - Abgabenregelungen nicht die Gleichartigkeit nehmen. Gesamthaft betrachtet ist also die Zinsertragsteuer in Wahrheit nicht eine von der Einkommensteuer verschiedene Objektsteuer, sondern eine der Einkommensteuer gleichartige Abgabe.
Der Abschnitt XIV des Bundesgesetzes über die Einführung einer Zinsertragsteuer, BGBl. 587/1983, der Abschnitt X ("Zinsertragsteuer") des Bundesgesetzes BGBl. 531/1984 sowie der Abschnitt I ("Zinsertragsteuer") des Bundesgesetzes BGBl. 327/1986 werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Wenngleich die nunmehr aufgehobene Regelung ihren zeitlichen Anwendungsbereich bereits verloren hat, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Abgabengesetzen mit beschränktem zeitlichem Anwendungsbereich (siehe VfSlg. 8709/1979, S 417, und die dort angeführte Vorjudikatur) mit einer Aufhebung nach Abs3 des Art140 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 der genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Einkommensteuer, Einkünfte, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Zinsertragsteuer, Geltungsbereich (zeitlicher) eines GesetzesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G7.1988Dokumentnummer
JFR_10119683_88G00007_01