TE Vfgh Erkenntnis 2004/6/18 V116/03

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Veröffentlicht am 18.06.2004
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
Flächenwidmungsplan Nr F4 der Stadtgemeinde Leonding vom 30.03. und 06.07.00
Oö RaumOG 1994 §2 Abs1 Z7, Z10, §36, §38 Abs2, §39 Abs3

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Rückwidmung eines Baugrundstücks in Grünland mangels Erkennbarkeit raumordnungsrechtlicher Grundsätze; keine zureichende Interessenabwägung; ungenügende Begründung der konkreten Planungsmaßnahme

Spruch

Der Flächenwidmungsplan Nr. F4 des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom 30. März und 6. Juli 2000, genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. August 2000, berichtigt mit Bescheid vom 23. August 2000, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23. August bis 7. September 2000, wird, soweit er für das Grundstück Nr. 668/4 die Widmung "Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)" festlegt, als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B573/02 eine Beschwerde gegen einen Bescheid der Oö. Landesregierung anhängig, mit dem einem Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Bauplatzbewilligung nach der Oö. BauO 1994 im Vorstellungswege keine Folge gegeben wurde, weil das maßgebliche Grundstück nach dem Flächenwidmungsplan Nr. F4 des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom 30. März und 6. Juli 2000 die Widmung "Grünland" aufweise, welche der Erteilung einer Bauplatzbewilligung eindeutig entgegenstünde.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 26. September 2003 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes Nr. F4 des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom 30. März und 6. Juli 2000, genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. August 2000, berichtigt mit Bescheid vom 23. August 2000, kundgemacht vom 23. August bis 7. September 2000, soweit er für das Grundstück Nr. 668/4 die Widmung "Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)" festlegt, von Amts wegen zu prüfen.

Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist und dass er bei ihrer Erledigung den in Rede stehenden Flächenwidmungsplan, der eine Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides bildet, in dem in Prüfung gezogenen Umfang anzuwenden hat.

Der Verfassungsgerichtshof hegte das Bedenken, dass die in Abänderung der früheren Baulandwidmung verordnete Widmung "Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)" für das Grundstück Nr. 668/4 im Flächenwidmungsplan Nr. F4 der Stadtgemeinde Leonding mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Widmungsänderung gesetzwidrig ist:

Der Verfassungsgerichtshof führte mit Hinweis auf seine Vorjudikatur (VfSlg. 9975/1984, 10.277/1984, 13.282/1992 und 16.201/2001) aus, dass die Auswahl der für die Rückwidmung in Betracht kommenden Liegenschaften nach sachlichen Kriterien und gestützt auf eine entsprechende Grundlagenforschung und eine die Interessen der bisherigen Baulandeigentümer mitberücksichtigende Interessenabwägung zu erfolgen hat.

Weiters verwies der Gerichtshof auf die gesetzlichen Grundlagen einer Planänderung im Oö. ROG 1994: Das aus dem Gleichheitssatz abzuleitende, oben dargestellte Erfordernis für eine gehörige Planänderung wird in §36 Abs6 näher ausgeführt. §39 Abs3 ordnet für die gebotene Revision der Flächenwidmungspläne die Rückwidmung von Baulandflächen an, wenn diese mit den Grundsätzen des Oö. ROG 1994 nicht vereinbar sind, sodass "diesfalls die Interessenabwägung - weil bereits vom Gesetzgeber vorgenommen - seitens der Gemeinde zu entfallen hat" (so VfSlg. 16.201/2001). Liegt jedoch keine von vornherein gegebene, weil "offenkundige" Unvereinbarkeit einer Baulandwidmung mit den Grundsätzen des Oö. ROG 1994 vor, bedarf jede Flächenwidmungsplanänderung gemäß §36 Abs6 Oö. ROG 1994 der Begründung, der "die erforderliche Grundlagenforschung und Interessenabwägung zu entnehmen sein" muss.

Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, dass anders als in dem mit VfSlg. 16.201/2001 entschiedenen Fall keine raumordnungsrechtlichen Interessen und Grundsätze erkennbar sind, welche die Rückwidmung des Grundstücks Nr. 668/4 von "Bauland-Wohngebiet" in "Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)" ohne weitere Interessenabwägung zulassen bzw. gebieten, und dass die Gemeinde bei der Rückwidmung ihrer aus §36 Abs6 Oö. ROG 1994 ableitbaren Verpflichtung zur Interessenabwägung und Begründung nicht zureichend nachgekommen ist.

3. Sowohl der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding als auch die Oö. Landesregierung haben eine Äußerung zum Gegenstand erstattet:

a) Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding führt in seiner Stellungnahme aus, dass "selbstverständlich bereits im Vorfeld der Umwidmung sämtliche Überlegungen und Interessenabwägungen thematisiert wurden", die in der Stellungnahme der Ortsplanerin im verfassungsgerichtlichen Verfahren zu B573/02 zum Ausdruck gebracht worden seien. So seien auch in der Sitzung des Ausschusses für örtliche Raumplanung und Baurecht des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom 16. November 1999 Argumente für und gegen die Rückwidmung diskutiert und schließlich festgestellt worden, dass dem Beschwerdeführer genügend Baulandreserve für den Eigenbedarf verbleiben würde.

Hingewiesen wird auch auf die Stellungnahme der Ortsplanerin vom 13. September 2000 im Zuge der Verordnungsprüfung des Flächenwidmungsplanes Nr. F4 durch die Oö. Landesregierung: Aus dieser Stellungnahme gehe hervor, dass als wesentliche, naturräumlich aussagekräftige Datengrundlage der Landschaftsplan aus dem Jahr 1991 herangezogen worden sei. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei eine Rückwidmung für die maßgeblichen Grundstücke von Bauland in Grünland vorgeschlagen worden. Aus der genannten Stellungnahme der Ortsplanerin gehe unzweifelhaft hervor, dass die dort angeführten Argumente als Grundlage für die Empfehlung der Rückwidmung des maßgeblichen Grundstückes gedient hätten.

b) Auch die Oö. Landesregierung verweist in ihrer Äußerung auf den von der Stadtgemeinde Leonding im Jahr 1991 erstellten Landschaftsplan, der dem örtlichen Entwicklungskonzept und damit auch dem nunmehr geltenden Flächenwidmungsplan zugrunde gelegt worden sei. Dieser Landschaftsplan, der bereits damals die Rücknahme des Baulandes an der maßgeblichen Stelle zum Schutz des Landschaftsbildes empfohlen habe, sei vom damaligen Gemeinderat zur Kenntnis genommen worden.

Der Ausschuss für örtliche Planung und Baurecht habe insbesondere im Jahr 1998 im betreffenden Gebiet mehrere Bereisungen durchgeführt, worüber allerdings keine konkreten Aufzeichnungen auffindbar wären. Der Rückwidmungsvorschlag der Ortsplanerin sei offenbar ohne weiteren (dokumentierten) Kommentar zur Kenntnis genommen worden. "Möglicherweise" sei dabei die maßgebliche Baulandwidmung, was anhand der "allerdings erst später in den Verfahrensakt aufgenommenen Fotos und Luftbildaufnahmen" nachvollziehbar erscheinen würde, als "offenkundiger" Planungsfehler angesehen worden. Dementsprechend fände sich in den Aktenunterlagen auch keine über die Feststellung, dass "dem Beschwerdeführer genügend Baulandreserve für den Eigenbedarf bleibe", hinausgehende Interessenabwägung.

Die intensive Beschäftigung des Planungsausschusses speziell mit dem Bereich des Grünzuges "Turmlinie" lege auch nicht die Vermutung nahe, dass es das primäre Anliegen großflächiger Baulandrückwidmungen gewesen sei, den vorhandenen Baulandüberhang zu reduzieren.

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich einer unzureichenden Interessenabwägung würden nach Auffassung der Oö. Landesregierung insoweit zutreffen, "als die vom Gemeinderat durchgeführte Interessenabwägung aus dem dokumentierten Akteninhalt nur ansatzweise erkennbar ist". Die niederschriftlich festgehaltene Begründung, dass dem Eigentümer des maßgeblichen Grundstückes "genügend Baulandreserven für den Eigenbedarf" verbleiben würden, weise allerdings auf das Vorhandensein des Problembewusstseins bzw. den bestehenden Interessenskonflikt und damit auf einen Abwägungsvorgang hin.

Hinsichtlich der vom Gerichtshof aufgeworfenen Frage des Entschädigungsanspruches des nunmehrigen Beschwerdeführers führt die Oö. Landesregierung aus, dass durch Einsichtnahme in den Flächenwidmungsplan klar zu erkennen sei, dass das Grundstück Nr. 668/4 nicht zur Gänze oder überwiegend von Bauland umschlossen werde (§38 Abs2 Oö. ROG 1994) und daher ein Entschädigungsanspruch nach dieser Rechtsgrundlage offensichtlich nicht bestünde.

c) Im der Äußerung der Oö. Landesregierung beigelegten Aktenkonvolut befindet sich auch die Stellungnahme der Ortsplanerin vom 13. September 2000 im Zuge der Verordnungsprüfung durch die Oö. Landesregierung im Zusammenhang mit einem Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Versagung der Genehmigung. In dieser (nachträglichen) Stellungnahme werden als Gründe für die Umwidmung die Lage des Grundstückes im Nahbereich zu einer Waldfläche und die wesentliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch eine Bebauung genannt. Dieser Stellungnahme zufolge sei als "wesentliche, naturräumlich aussagekräftige Datengrundlage der Landschaftsplan aus dem Jahr 1991 für das gesamte Gemeindegebiet Leonding herangezogen" worden. "In diesem Landschaftsplan wird ebenfalls die Rücknahme des Baulandes an der gegenständlichen Stelle zum Schutz des Landschaftsbildes empfohlen." Es entspreche auch dem Auftrag des §39 Abs3 Oö. ROG 1994, gewidmete, aber noch nicht einer entsprechenden Widmung zugeführte Flächen zu überprüfen und allenfalls die Widmung zu ändern. Alleine die Tatsache, dass die Baulandwidmung seit 1972 bestehe, sei keine ausreichende Grundlage für die Aufrechterhaltung der Widmung. Da dem nunmehrigen Beschwerdeführer die zwei angrenzenden Parzellen Nr. 668/2 und Nr. 668/6 in Baulandwidmung verbleiben würden, könne auch nicht von einer unangemessenen Härte im Fall der Rückwidmung gesprochen werden.

4. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding legte über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes mit Schriftsatz vom 1. April 2004 den oben erwähnten "Landschaftsplan Leonding" aus dem Jahr 1991 im Original vor. Darin ist im "Plan 12 Bebauungsgrenzen" der maßgebliche Bereich zur "Umwidmung von Bauland in Grünland" vorgeschlagen. Eine Begründung für diesen konkreten Vorschlag ist den Ausführungen im Landschaftsplan nicht zu entnehmen. Dieser begnügt sich vielmehr mit allgemeinen floskelhaften Hinweisen, mit denen neue - eigene - Bebauungsgrenzen gerechtfertigt werden sollen (vgl. Pkt. II.2.).

II. 1. Da die Beschwerde zu B573/02 zulässig ist und der Verfassungsgerichtshof bei ihrer Erledigung den Flächenwidmungsplan Nr. F4 des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom 30. März und 6. Juli 2000, soweit er für das Grundstück Nr. 668/4 die Widmung "Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)" festlegt, anzuwenden hätte, ist auch das Verordnungsprüfungsverfahren diesbezüglich zulässig.

2. Die im Prüfungsbeschluss angeführten Bedenken haben sich als zutreffend erwiesen:

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der bereits im Prüfungsbeschluss vom 26. September 2003 vertretenen Rechtsmeinung, dass anders als in dem mit VfSlg. 16.201/2001 unter Hinweis auf §39 Abs3 Oö. ROG 1994 entschiedenen Fall keine raumordnungsrechtlichen Grundsätze erkennbar sind, deren Vorliegen die Rückwidmung des Grundstückes Nr. 668/4 von "Bauland-Wohngebiet" in "Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)" ohne die bei einer Änderung eines Flächenwidmungsplanes gemäß §36 Abs6 Oö. ROG 1994 an sich gebotene Interessenabwägung und Begründung zulassen bzw. gebieten würde.

Erst in der Äußerung des Gemeinderates im verfassungsgerichtlichen Verfahren zu B573/02, des Näheren in der dieser Äußerung beigelegten Stellungnahme der Ortsplanerin vom 14. Mai 2002, erfolgte zur Begründung der Rückwidmung eine explizite Berufung auf die Planungsgrundsätze des §2 Abs1 Z7 Oö. ROG 1994 ["Vermeidung von landschaftsschädlichen Eingriffen, insbesondere die Schaffung oder Erweiterung von Baulandsplittern (Zersiedlung)"] sowie des §2 Abs1 Z10 Oö. ROG 1994 ("Erhaltung und Gestaltung des Stadt- und Ortsbildes ... sowie die Erhaltung des typischen Orts- und Landschaftsbildes"). Das gesamte Verwaltungsgeschehen im Zusammenhang mit der Erstellung des Flächenwidmungsplanes Nr. F4 ebenso wie das gleichzeitig beschlossene örtliche Entwicklungskonzept zeigen, dass der neu beschlossene Flächenwidmungsplan großflächige Baulandrückwidmungen vornahm, um den mit dem Flächenwidmungsplan F3 festgelegten Baulandüberhang ganz allgemein zu reduzieren.

Als Argumente für die Rückwidmung der hier fraglichen Baulandparzelle Nr. 668/4 in "Grünland" wurde - soweit überhaupt eine Auseinandersetzung mit konkreten, das betreffende Grundstück speziell betreffenden Interessen stattfand - lediglich auf einen so genannten Landschaftsplan Leonding verwiesen sowie dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass der Eigentümer der betreffenden Liegenschaft ohnedies über sonstige, als Bauland ausgewiesene Grundstücke in der Nachbarschaft verfüge. Auch der - als Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur - 1991 erarbeitete "Landschaftsplan Leonding" enthält (Teil 2 "Landschaftskonzept", S. 81) unter dem Titel "Bebauungsgrenzen" lediglich den allgemeinen Hinweis auf die vorgeschlagene Festlegung von Bebauungsgrenzen aus "ökologischer,

klimatischer, landwirtschaftlicher und landschaftsästhetischer Sicht", ohne diese Sichtweisen näher zu erläutern, geschweige denn

für die Liegenschaft Nr. 668/4 in irgendeiner Form festzumachen.

Die von der Rückwidmung "Grünland" betroffenen Parzellen Nr. 668/4 und Nr. 668/5 sowie die zu einem "Grünzug" gewidmete Parzelle Nr. 672/3 (alle im Eigentum des Beschwerdeführers des Anlassverfahrens) bilden Randteile einer größeren Baulandenklave nördlich der Frieseneggerstraße. Anders als in dem mit VfSlg. 16.201/2001 entschiedenen Fall kann von einer unzulänglichen Erschließung jener Grundstücke - mag sie auch erst geplant sein - nicht die Rede sein, wie einem von der Oö. Landesregierung vorgelegten Lageplan, auf dem "Zufahrt und Leitungen" zum Grundstück Nr. 668/4 über das Grundstück Nr. 662/8 skizziert sind, zu entnehmen ist.

Im örtlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde Leonding (S. 58) findet sich der Hinweis, dass in dem hier in Frage kommenden Ortschaftsteil der Gemeinde Leonding ("Zaubertal") schon historisch bedingt "viele Beispiele für Bauten in sehr exponierter Lage ..., oft in enger Verknüpfung zum Wald (Waldrandlage)" anzutreffen sind.

Ausdrücklich heißt es: "Innerhalb des derzeit gewidmeten Baulandes soll dies - insbesondere bei Betrachtung des Gleichheitsgrundsatzes - auch weiterhin prinzipiell möglich sein. Allerdings sollte eine genaue Prüfung des Einzelobjekts gegeben sein."

Eine Umwidmung ist nur dann gesetzeskonform, wenn alle für die Widmung maßgebenden Planungsgrundlagen dargetan und erkennbar gegeneinander abgewogen worden sind. Das ist hier nicht geschehen. Keinen sachlich zureichenden Grund für die Widmungsänderung bildet es, wenn von der Gemeinde Leonding ohne nähere Begründung als Argument für die Rückwidmung der Parzelle Nr. 668/4 darauf hingewiesen wird, dass dem Eigentümer "genügend Baulandreserve für den Eigenbedarf" verbleibt. Im Zuge der Interessenabwägung muss nämlich stets bedacht werden, dass gegen die Zulässigkeit jeder Rückwidmung der Schutz des Vertrauens in die verbindliche Festlegung einer Widmung (vgl. VfSlg. 11.374/1987, 11.743/1988) spricht und entsprechend mitzuberücksichtigen ist. Dieser Vertrauensschutz kann durch den bloßen Hinweis auf anderweitige Grundstücksreserven des Eigentümers der umgewidmeten Liegenschaft nicht entkräftet werden. Keine Überlegungen hat die Gemeinde offenkundig auch darüber angestellt, ob und inwiefern der Beschwerdeführer aufgrund der Rückwidmung seines Grundstückes einen Entschädigungsanspruch (vgl. §38 Abs2 Oö. ROG 1994) besitzt, was von der Oö. Landesregierung in ihrer Äußerung verneint wird, für die gebotene Interessenabwägung aber sicherlich im Zusammenhang mit dem Eigentumserwerb des jetzigen Grundstückseigentümers von erheblicher Bedeutung ist (vgl. VfSlg. 13.282/1992).

Insgesamt zeigt das Planungsgeschehen sohin, dass die Gemeinde Leonding bei der Rückwidmung der Bauparzelle Nr. 668/4 in "Grünland" von keiner zureichenden Interessenabwägung ausgegangen und ihrer Begründungspflicht nur ungenügend nachgekommen ist. Insbesondere war es ihr verwehrt, im Verordnungsprüfungsverfahren durch Nachschieben der Planungsgrundsätze "Vermeidung von Baulandsplittern" sowie "Erhaltung des typischen Orts- und Landschaftsbildes" die ihr kraft §36 Abs6 Oö. ROG 1994 obliegende Interessenabwägungs- und Begründungspflicht unter Hinweis auf die unbedingte Rückwidmungsverpflichtung gemäß §39 Abs3 Oö. ROG 1994 zu supplieren.

Der Flächenwidmungsplan Nr. F4 des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding vom 30. März und 6. Juli 2000 war daher insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als er für das Grundstück Nr. 668/4 die Widmung "Grünland (Land- und Forstwirtschaft, Ödland)" festlegt.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Vertrauensschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V116.2003

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2008
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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