RS Vfgh 1988/6/9 B746/87

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Veröffentlicht am 09.06.1988
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10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art8
StPO §175 Abs1 Z3

Leitsatz

Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; die bloß theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung stellt noch nicht den Haftgrund nach §175 Abs1 Z3 StPO Verdunkelungsgefahr her nicht vor; Verletzung des Rechtes auf persönliche Freiheit durch gesetzwidrige Festnahme und Anhaltung Art3 MRK; keine Verletzung durch die Art und Weise der polizeilichen Anhaltung

Rechtssatz

Festnehmung, anschließende Verwahrung.

Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Novelle BGBl. 302/1975 erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für die Festnehmung und anschließende Verwahrung einer Person zutrifft (zB VfSlg. 7252/1974, 7829/1976, 8146/1977, 9836/1983). Dabei wird unter dieser einer Beschwerdeführung zugänglichen "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" in der Bedeutung des Art144 Abs1 B-VG - nach herrschender Judikatur - nicht nur das "Ob", sondern auch das "Wie", das heißt also die konkrete Gestaltung des jeweiligen Verwaltungsaktes verstanden (s zB VfSlg. 8126/1977, 8580/1979, 10321/1985, 10680/1985).

Verdunkelungsgefahr ist dann zu bejahen, wenn es wirklich zu einem Verdunkelungsversuch kam oder konkrete Anhaltspunkte darauf hinweisen, daß ein Versuch, die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen, unternommen werden würde (vgl. VfSlg. 3770/1960, 6560/1971, 6910/1972, 9836/1983; VfGH 27.11.87 B462/87).

Die bloße theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung stellt noch nicht den Haftgrund nach §175 Abs1 Z3 StPO her (vgl. VfSlg. 3770/1960, 3780/1960, 9836/1983; VfGH 27.11.1987 B462/87).

Unter dieser einer Beschwerdeführung zugänglichen "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" in der Bedeutung des Art144 Abs1 B-VG - wird nach herrschender Judikatur - nicht nur das "Ob", sondern auch das "Wie", das heißt also die konkrete Gestaltung des jeweiligen Verwaltungsaktes verstanden (s zB VfSlg. 8126/1977, 8580/1979, 10321/1985, 10680/1985).

Die Verdächtigten stellten nicht etwa den von der Kaufhausdetektivin (und einer weiteren Zeugin) beobachteten tatsächlichen Geschehensablauf in Abrede, sondern leugneten bloß - übereinstimmend - jeglichen Diebstahlsvorsatz; ihre Verantwortung ging dahin, daß sie die in Rede stehenden Sachen kaufen oder lediglich - vor dem Kaufhaus - besichtigen wollten. Unter diesen Umständen fehlte es ganz offensichtlich an konkreten Anhaltspunkten dafür, daß sich die Verdächtigten in einer die Sachverhaltsermittlung erschwerenden Weise wechselseitig beeinflussen wollten.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Festnehmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B746.1987

Dokumentnummer

JFR_10119391_87B00746_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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