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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Bindung des Rechtserwerbes durch einen Ausländer an Genehmigung - Eigentumsbeschränkung; Art1 Abs1 des (1.) ZP zur MRK findet nur auf Eigentumsentziehungen Anwendung; Zusammensetzung des Grundverkehrssenates genügt Anforderungen des Art6 MRK; keine Bedenken gegen §5 Abs2 iVm. §1 Abs1 litb GVG Vlbg 1977 - Umschreibung der bei der Beurteilung des Genehmigungsantrages zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen mit hinlänglicher Deutlichkeit; angemessene Berücksichtigung privater Interessen als selbstverständlich vorausgesetzt; keine denkunmögliche AnwendungRechtssatz
Wenn §5 Abs2 Vlbg. GVG 1977 den Rechtserwerb durch einen Ausländer an eine grundverkehrsbehördliche Bewilligung knüpft, liegt darin keine Enteignung im eigentlichen Sinn, sondern eine Eigentumsbeschränkung. Der Gesetzgeber kann verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. zB VfSlg. 9911/1983, S 671).
Die für eine Enteignung im eigentlichen Sinn bedeutsame Frage, ob eine (Enteignungs-)Maßnahme durch das öffentliche Wohl im Sinn aller in der Judikatur entwickelten besonderen (Enteignungs-)Voraussetzungen geboten sei, stellt sich bei bloßen Eigentumsbeschränkungen gar nicht; auch Art1 Abs1 des (1.) ZP zur MRK findet seinem klaren Wortlaut nach nur auf Eigentumsentziehungen, nicht aber auf Eigentumsbeschränkungen Anwendung (vgl. zB VfSlg. 9911/1983, S 672).
Die jüngere Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art6 MRK (zB VfSlg. 10639/1985) bezieht sich nicht darauf, welche inhaltliche Schranken für Eigentumseingriffe bestimmter Art bestehen, sondern nur darauf, für welchen Bereich die Organisationsgarantien des Art6 MRK zum Tragen kommen, das heißt, in welchen Fällen "Tribunale" zur Entscheidung berufen werden müssen. Die Zusammensetzung des Grundverkehrssenates ist im §15 Vlbg. GVG 1977 derart geregelt, daß keine Bedenken bestehen, diese Behörde erfülle nicht die an ein "Tribunal" iSd Art6 MRK zu stellenden Anforderungen (vgl. VfGH 01.12.86, B616/85). Auch die tatsächliche Besetzung des Grundverkehrssenates bei Beschlußfassung über den angefochtenen Bescheid läßt nicht einmal den Anschein entstehen, es habe keine unabhängige und unparteiische Behörde entschieden (vgl. etwa VfGH 01.12.86, B616/85).
Den Beschwerdeführer ist im Ergebnis insofern zuzustimmen, als die privaten Interessen am Rechtserwerb nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Auch Eigentumsbeschränkungen dürfen nämlich nur verfügt werden, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind, also dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen. §5 Abs2 Vlbg. GVG 1977 umschreibt mit noch hinreichender Deutlichkeit (Art18 B-VG) die bei Beurteilung des Genehmigungsantrages zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen. Zwar gebietet weder diese noch eine andere Bestimmung des GVG ausdrücklich, auf die privaten Interessen an der Genehmigung des Rechtserwerbes Bedacht zu nehmen. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers ist nicht abzuleiten, daß er eine solche Bedachtnahme ausschließen wollte. Jedem an die Grundverkehrsbehörde gerichteten Genehmigungsantrag liegen nämlich meist sehr wesentliche private Interessen zugrunde; daher konnte es der Gesetzgeber als geradezu selbstverständlich ansehen, daß diese Interessen bei der Beurteilung des Ansuchens ebenso wie die im Gesetz näher umschriebenen öffentlichen Interessen angemessen zu berücksichtigen sind.
Bei diesem Inhalt bestehen unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles ob der Verfassungsmäßigkeit des §5 Abs2 Vlbg. GVG 1977 keine Bedenken (vgl. auch zB VfSlg. 10271/1984, worin dem §1 Abs1 litb iVm §5 Abs2 Vlbg. GVG 1977 gleichfalls die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit attestiert wird.).
Eigentumsbeschränkungen dürfen nämlich nur verfügt werden, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind, also dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen.
§5 Abs2 Vlbg. GVG 1977 umschreibt mit noch hinreichender Deutlichkeit (Art18 B-VG) die bei Beurteilung des Genehmigungsantrages zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen.
Keine denkunmögliche Interessenabwägung der privaten gegenüber der öffentlichen Interessen bei Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Eigentumserwerbs durch einen Ausländer gemäß §5 Abs2 Vlbg. GVG 1977.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, AusländergrunderwerbEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B408.1987Dokumentnummer
JFR_10119390_87B00408_01