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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs7 zweiter SatzLeitsatz
Beginn des Laufes der Beschwerdefrist mit Zustellung der Bescheidausfertigung; Zulässigkeit der Beschwerdeerhebung nach mündlicher Verkündung des Bescheides; Zurückweisung der (zweiten) nach Zustellung der schriftlichen Bescheidausfertigung erhobenen Beschwerde - Verbrauch des Beschwerderechts Art140 Abs7 B-VG; Fälle, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) anhängig waren, einem Anlaßfall gleichzuhalten; Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid, soweit damit auf Verfall von Gegenständen erkannt wird, wegen Anwendung des mit Erk. VfSlg. 11587/1987 als verfassungswidrig erkannten §17 Abs2 lita FinStrG; Gesetzesanwendung für die Rechtstellung des Bf. offenkundig nachteilig Berufungssenate sind Tribunale; Ermächtigung, Gesetzesprüfungsanträge an den VfGH zu stellen nicht Voraussetzung für die Quantifikation einer Behörde als TribunalRechtssatz
Die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion erlangte durch die mündliche Verkündung Eingang in die Rechtsordnung. Seither hatte die Partei des Verfahrens (der Beschuldigte) das Recht, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben, auch wenn die sechswöchige Beschwerdefrist (§82 Abs1 VfGG) erst mit Zustellung der schriftlichen Bescheidausfertigung zu laufen begann (vgl. zB VfSlg. 9068/1981, 9655/1983).
Die zu B1339/87 (zum Zeitpunkt, als die schriftliche Ausfertigung des Berufungsbescheides der Finanzlandesdirektion noch nicht zugestellt war) erhobene Beschwerde ist, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.
Bei dem zu B1342/87 (nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung bekämpften) Bescheid handelt es sich um denselben, der bereits zu B1339/87 angefochten worden war. Mit der Einbringung der ersten Beschwerde war das Beschwerderecht verbraucht (vgl. zB VwGH 13.02.85 Zl. 85/01/0033, 25.04.85 Zl. 85/06/0064).
Dementsprechend war die zu B1342/87 erhobene Beschwerde gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG zurückzuweisen.
Rechtsverletzung infolge Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §17 Abs2 lita FinStrG (Verfall) mit E v 14.12.87, G114,165,213,227/87.
Dem im Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) sind all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985).
Die (in letzter Instanz entscheidenden) Berufungssenate (nach dem FinStrG) sind Tribunale iSd Art6 MRK (vgl. VfSlg. 10638/1985). Diese Verfassungsbestimmung setzt für die Qualifikation einer Behörde als Tribunal nicht voraus, daß sie ermächtigt ist, (Gesetzesprüfungs-)Anträge an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Der Verfassungsgerichtshof vertritt - in Übereinstimmung mit der EKMR und dem EGMR - die Auffassung (s zB VfGH 01.12.86 B616/85, B448/86), daß Recht nicht nur gesprochen werden muß, sondern daß es auch augenscheinlich zu sein hat, daß Recht gesprochen wird; ein Tribunal müsse daher derart zusammengesetzt sein, daß keine berechtigten Zweifel an der Unabhängigkeit seiner Mitglieder entstehen. Bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens sei auch der äußere Anschein von Bedeutung.
Das Verfahren hat keinen Hinweis dafür erbracht, an der vollen Unbefangenheit der Spruchkörper erster und zweiter Instanz zu zweifeln.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Fristen, Rechtsmittel Finanzverfahren, Berufung, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1339.1987Dokumentnummer
JFR_10119390_87B01339_01