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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art121 Abs4Leitsatz
Feststellung der Befugnis des Rechnungshofes zur Einsichtnahme in Unterlagen betreffend Bezüge und Ruhebezüge im Bereich des ORF, der Wirtschaftskammer Steiermark und des Landes Niederösterreich zum Zweck der allgemeinen Gebarungsprüfung; keine Befugnis zur Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen zum Zweck der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß dem BVG-Bezügebegrenzung 1997; Veröffentlichung der Bezüge unter Namensnennung nicht notwendig und angemessen im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren; Vorrang der unmittelbar anzuwendenden Datenschutz-RichtlinieSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Rechnungshof stellte am 5. Juli 2002 gemäß Art126a B-VG den (hg. zZ KR2/02 protokollierten) Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge
"feststellen, dass der RH [= Rechnungshof] zum Zwecke der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG befugt ist, in sämtliche Unterlagen der Stadtgemeinde Schwechat betreffend die von ihr in den Jahren 2000 und 2001 ausbezahlten Bezüge und Ruhebezüge Einschau zu halten".
1. Dem Antrag des Rechnungshofes liegt folgender - außer Streit stehender - Sachverhalt zugrunde:
Im November 2001 machte der Rechnungshof "alle Rechtsträger, die im Sinne des BezBegrBVG seiner Kontrolle unterliegen," auf ihre "Meldepflichten" gemäß §8 Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, BGBl. I 64/1997, (im Folgenden: BezBegrBVG) aufmerksam.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2001 teilte die Gemeinde Schwechat dem Rechnungshof ihren Standpunkt mit, dass sie keine Meldepflicht gemäß §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG treffe. Sie begründete dies mit dem Hinweis auf Art127a B-VG, demzufolge Gemeinden unter 20.000 Einwohnern nicht der autonomen Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Weiters verwies sie darauf, dass die Weitergabe der im BezBegrBVG vorgesehenen Daten sowohl den innerstaatlichen Verfassungsnormen über den Datenschutz als auch insbesondere den "entsprechenden EU-Richtlinien" widerspreche, weshalb keine Meldung erfolge.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2002 informierte der Rechnungshof
die Gemeinde Schwechat davon, dass er voraussichtlich ab 18. Juni 2002 in die für die Erstellung des Berichtes des Rechnungshofes für die Jahre 2000 und 2001 gemäß §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG bedeutsamen Unterlagen (Rechnungsbücher, Belege, Personalakten, sonstige Behelfe) Einschau halten werde (§8 Abs1 letzter Satz BezBegrBVG).
Am 18. Juni 2002 begannen die Beauftragten des Rechnungshofes mit den Einschauhandlungen; sie ersuchten die beauftragten Vertreter der Gemeinde, ihnen die Einschau in sämtliche für die Erstellung des Berichtes des Rechnungshofes gemäß §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG bedeutsamen Unterlagen zu ermöglichen. Die Vertreter der Gemeinde Schwechat ließen die Einschau in die angeführten Unterlagen nicht zu und beriefen sich dabei auf die im Schreiben der Gemeinde Schwechat vom 14. Dezember 2001 vertretene Rechtsauffassung.
Die Prüforgane des Rechnungshofes erklärten, dass eine Behinderung des Rechnungshofes an der Vornahme von Einschauhandlungen vorliege, und setzten die Vertreter der Gemeinde Schwechat darüber in Kenntnis, dass der Rechnungshof an den Verfassungsgerichtshof herantreten werde, um die von der Gemeinde Schwechat bestrittene Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Einschau in die angeforderten Unterlagen überprüfen zu lassen. Die Vertreter der Gemeinde Schwechat nahmen dies zur Kenntnis. Darüber wurde eine Niederschrift aufgenommen und von den anwesenden Vertretern der Gemeinde und des Rechnungshofes unterfertigt.
2. Seinen Antrag begründete der Rechnungshof wie folgt:
"Gemäß §8 Abs1 BezBegrBVG haben Rechtsträger, die der Kontrolle des RH unterliegen, innerhalb der ersten drei Monate jeden zweiten Kalenderjahres dem RH die (Ruhe)Bezüge von Personen mitzuteilen, die in einem der beiden vorangegangenen Kalenderjahren entweder höher als 14 mal 80 % des monatlichen Ausgangsbetrages waren oder einen solchen neben einem weiteren (Ruhe)Bezug von einem der RH-Kontrolle unterliegenden Rechtsträger erhalten haben.
Zu den Rechtsträgern im Sinne des §8 BezBegrBVG zählen alle Gemeinden, und zwar unabhängig von ihrer Einwohnerzahl. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes vom 12. Juli 1999, GZ 600.270/3-V/1/99, ... in dem zu dieser Frage unter anderem Folgendes ausgeführt wird:
'Nach der klaren Absicht des Gesetzgebers sollten die Regelungen des BezBegrBVG auf alle Gebietskörperschaften (und sonstigen der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträger) bzw. auf alle Bezüge (und Ruhebezüge), die aus 'öffentlichen Kassen' bezogen werden, Anwendung finden. In diesem Sinne ist im Ausschussbericht und in den Wortmeldungen in der Debatte des Nationalrates wiederholt allgemein von Bund, Ländern und Gemeinden die Rede; eben diese Wortwahl ist es auch, die deutlich macht, dass sich der Gesetzgeber nicht an Art127a Abs1 B-VG, sondern an Art121 Abs1 B-VG orientiert und unter 'Rechtsträgern, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen', alle in Art121 Abs1 B-VG genannten Rechtsträger verstanden hat' ...
Abschließend heißt es in diesem Gutachten:
'Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst kommt daher zusammenfassend zum Ergebnis, dass auch Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern 'Rechtsträger' sind, die im Sinne des BezBegrBVG 'der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen'. Der Anwendungsbereich der Bestimmungen des BezBegrBVG, in denen dieser Begriff verwendet wird, erfasst daher auch solche Gemeinden' ...
Im Sinne des BezBegrBVG sind somit auch sogenannte Kleingemeinden als Rechtsträger anzusehen, die der Kontrolle des RH unterliegen. Demgemäß waren auch Kleingemeinden verhalten, bis spätestens Ende März 2002 (dies ergibt sich aus §11 Abs8 BezBegrBVG) dem RH die in §8 Abs1 erster und zweiter Satz BezBegrBVG vorgesehenen Mitteilungen über Bezugszahlungen in den Jahren 2000 und 2001 zu erstatten. Gemäß §8 Abs3 BezBegrBVG hat der RH diese Meldungen nach Jahreswerten getrennt zusammenzufassen und letztlich einen Bericht zu erstellen, in dem alle Personen aufzunehmen sind, deren jährliche Bezüge aus 'öffentlichen Kassen' insgesamt den Grenzwert von 1,130.868 ATS im Jahr 2000 bzw. 1,138.788 ATS im Jahr 2001 übersteigen.
In diesem Bericht sind die betroffenen Einkommensbezieher namentlich zu nennen. Dies ergibt sich aus dem Ausschussbericht (AB 687 BlgNR 20.GP, Seite 2), in dem zur gegenständlichen Bestimmung Folgendes ausgeführt wird:
'Umfassende Information der Österreicherinnen und
Österreicher über Bezüge aus öffentlichen Kassen; wer immer Bezüge aus öffentlichen Kassen (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger, Kammern, rechnungshofgeprüfte Unternehmungen) bezieht - nicht nur Politiker - wird in einem Einkommensbericht des Rechnungshofes namentlich mit der Höhe des Jahreseinkommens veröffentlicht, wenn dieses die doppelte Sozialversicherungshöchst[beitrags]grundlage überschreitet'.
Aus der Pflicht des RH, die Bezieher von höheren Einkommen aus öffentlichen Kassen namentlich zu nennen, ergibt sich zwingend, dass auch die im Sinne des BezBegrBVG der RH-Kontrolle unterliegenden Rechtsträger zur namentlichen Nennung der Bezugsbezieher verhalten sind.
Laut Angabe im Amtskalender 2001/2002, Seite 1401, ist der Bürgermeister der Stadtgemeinde Schwechat im Hauptberuf Professor ... Es besteht daher Grund zur Annahme, dass der Bürgermeister dieser Gemeinde zwei Bezüge von Rechtsträgern erhält, die der Kontrolle des RH unterliegen, nämlich den einen als Bürgermeister von Schwechat und den anderen als Bediensteter einer Gebietskörperschaft. Dies lässt in weiterer Folge den Schluss zu, dass die Stadtgemeinde Schwechat gemäß §8 Abs1 zweiter Satz BezBegrBVG jedenfalls verpflichtet gewesen wäre, den Bezug ihres Bürgermeisters mit Namen dem RH mitzuteilen.
Die Stadtgemeinde Schwechat hat ihre Pflicht zur namentlichen Bezugsmeldung nicht eingehalten, weshalb der RH zur Einschau in die betreffenden Unterlagen verpflichtet war (§8 Abs1 letzter Satz BezBegrBVG). Wie bereits ... ausgeführt, hat die Stadtgemeinde Schwechat diese Einschau nicht zugelassen."
Gegenstand der Meinungsverschiedenheit sei sohin die Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Einschau in jene Unterlagen einer "Kleingemeinde", die der Rechnungshof benötige, um den Einkommensbericht gemäß §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG zu erstellen. Der Umfang dieser Unterlagen sei vor allem vom Bezugsbegriff abhängig, der §8 leg.cit. zugrunde liegt:
"a) ... In Übereinstimmung mit dem BMF geht der RH dabei
davon aus, dass hinsichtlich der Bezüge aus nicht selbstständiger
Arbeit die am Lohnzettel unter der Kennzahl 210 ausgewiesenen Bezüge
dem Bezugsbegriff im Sinne des BezBegrBVG entsprechen (siehe
Schreiben des BMF vom 23.4.1999, GZ 07 0101/22-IV/7/99 ... Weiters
fallen auch Einnahmen aus sonstiger selbstständiger Arbeit im Sinne des §22 Z. 2 EStG (vermögensverwaltende Tätigkeit, insbesondere alle Kontrolltätigkeiten im Sinne des §6 Abs1 Z. 9 litb UStG wie Vergütungen jeder Art, die an Mitglieder des Aufsichtsrates, Verwaltungsrates oder anderer mit der Überwachung einer Geschäftsführung beauftragte Personen für diese Funktion gewährt werden) und Bezüge, die unter sonstige Einkünfte im Sinne des §29 EStG 1988 fallen (insbesondere 'wiederkehrende Bezüge' und Funktionsgebühren), unter den Begriff 'Bezüge' im Sinne des §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG (siehe Schreiben des BMF vom 14.7.1998, GZ 07 0101/7-IV/7/98 ...
b) Gemäß §8 Abs2 letzter Satz BezBegrBVG sind, wenn eine Person mehrere Bezüge oder Ruhebezüge aus öffentlichen Kassen erhält, diese Bezüge (Ruhebezüge) zusammenzurechnen. Da diese Aufgabe dem RH zufällt, zählt auch die Sozialversicherungsnummer, die eine Person eindeutig identifiziert, zu den Unterlagen, die der RH zur Erstellung des Einkommensberichtes benötigt.
c) Letztlich zählen auch alle Dokumente, aus denen auf die Tatsache eines Mehrfachbezuges geschlossen werden kann, zu solchen Unterlagen."
3. Die Gemeinde Schwechat als Antragsgegnerin vertrat in ihrer Äußerung indes die Auffassung, dass sich der Gesetzesauftrag des §8 Abs1 BezBegrBVG nur an Rechtsträger, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, richte und Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern nicht ohne weiteres (vgl. Art127a Abs1 und 7 B-VG) zu diesem Kreis zählten. Sie führte dazu näher aus:
"Der Rechnungshof stützt sich in seinem Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit gemäß Art126a B-VG im Wesentlichen auf ein Gutachten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes vom 12. Juli 1999, GZ 600.270/3-V/1/99, welches im Kernbereich beinhaltet, dass eben diese Wortwahl deutlich macht, dass sich der Gesetzgeber nicht an Art127a Abs1 B-VG, sondern an Art121 Abs1 B-VG orientiert hat und unter diesem Begriff alle in Art121 Abs1 B-VG genannten Rechtsträger verstanden hat. Allein schon daraus leitet der Rechnungshof ab, dass auch sog. Kleingemeinden als Rechtsträger anzusehen sind, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen.
Dem ist zu entgegnen, dass Art121 B-VG lediglich die Einleitungsbestimmung des 5. Hauptstückes (Rechnungs- und Gebarungskontrolle) der Bundesverfassung darstellt und eine allgemeine Umschreibung der Aufgaben des Rechnungshofes enthält. In den weiteren Bestimmungen dieses Hauptstückes werden ausdrückliche Konkretisierungen hinsichtlich der tatsächlichen Kontrollbefugnisse des Rechnungshofes hinsichtlich der in Art121 Abs1 B-VG festgehaltenen Rechtsträger normiert.
Im Bezug auf die Gemeinden ist hier Art127a B-VG anzuwenden, der ausdrücklich regelt, dass der Kontrolle durch den Rechnungshof die Gebarung der Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern unterliegt. Die Überprüfung kleinerer Gemeinden und ... somit die Schaffung einer Kontrollbefugnis für den Rechnungshof ist nach dieser Bestimmung nur über begründetes Ersuchen der Landesregierung möglich.
Es wird somit seitens der Stadtgemeinde Schwechat der Standpunkt vertreten, dass die Zuständigkeit des Rechnungshofes auch im Sinne des §8 des Bezügebegrenzungsgesetzes nur an Hand des Art127 a B-VG festgestellt werden kann, da eine Rechtsauslegung im Sinne des Gutachtens des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes bedeuten würde, dass spezielle Normen der Bundesverfassung einer allgemeinen Aufgabenumschreibung gegenüber nachrangig behandelt werden würden.
Ergänzend sei auch noch bemerkt, dass seitens der Stadtgemeinde Schwechat die Ansicht vertreten wird, dass die Weitergabe der im Bezügebegrenzungsgesetz vorgesehenen personenbezogenen Daten sowohl den innerstaatlichen Verfassungsnormen über den Datenschutz wie auch insbesondere den entsprechenden EU-Richtlinien widerspricht."
Die Gemeinde Schwechat stellte daher abschließend den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag des Rechnungshofes abweisen.
4. a) Der Verfassungsgerichtshof richtete aus Anlass anderer Verfahren mit Beschluss VfSlg. 16.050/2000 folgende Fragen an den Europäischen Gerichtshof:
"1. Sind die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere jene über den Datenschutz so auszulegen, daß sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die ein staatliches Organ zur Erhebung und Weiterleitung von Einkommensdaten zum Zweck der Veröffentlichung der Namen und Einkommen der Dienstnehmer
a) einer Gebietskörperschaft
...
verpflichten?
2. Für den Fall, daß der Europäische Gerichtshof die gestellte Frage zumindest teilweise bejaht:
Sind jene Bestimmungen, die einer nationalen Regelung des geschilderten Inhalts entgegenstehen, in dem Sinn unmittelbar anwendbar, daß sich die zur Offenlegung verpflichteten Personen auf sie berufen können, um eine Anwendung entgegenstehender nationaler Vorschriften zu verhindern?"
b) Mit Urteil vom 20. Mai 2003, Rs. C-465/00 ua., Rechnungshof gegen ORF ua., erkannte der Europäische Gerichtshof für Recht, dass
"1. [d]ie Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c und 7 Buchstaben c und e der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ... einer nationalen Regelung wie der den Ausgangsverfahren zugrunde liegenden nicht entgegen[stehen], sofern erwiesen ist, dass die Offenlegung, die nicht nur die Höhe der Jahreseinkommen der Beschäftigten von der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern betrifft, wenn diese Einkommen einen bestimmten Betrag überschreiten, sondern auch die Namen der Bezieher dieser Einkommen umfasst, im Hinblick auf das vom Verfassungsgesetzgeber verfolgte Ziel der ordnungsgemäßen Verwaltung der öffentlichen Mittel notwendig und angemessen ist, was die vorlegenden Gerichte zu prüfen haben" und
"2. [d]ie Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c und 7 Buchstaben c und e der Richtlinie 95/46 ... in dem Sinne unmittelbar anwendbar [sind], dass sich ein Einzelner vor den nationalen Gerichten auf sie berufen kann, um die Anwendung entgegenstehender Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zu verhindern".
(Die Begründung des Europäischen Gerichtshofes ist in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2003, KR1/00, in extenso wiedergegeben.)
5. In der Folge stellte es der Verfassungsgerichtshof den Parteien (auch) dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens frei, zu den Auswirkungen dieses Urteils auf das verfassungsgerichtliche Verfahren Stellung zu nehmen. Hievon machte die Gemeinde Schwechat, nicht jedoch der antragstellende Rechnungshof Gebrauch.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:
1. Art126a B-VG beruft den Verfassungsgerichtshof ohne weitere Einschränkung zur Entscheidung über Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof und einem Rechtsträger "über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln". Dazu zählen - was angesichts des Wortlauts und der Teleologie dieser Verfassungsbestimmung nicht zu bezweifeln ist - auch Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der die Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Einschau nach §8 Abs1 BezBegrBVG regelnden Bestimmung (so auch Hengstschläger, Rechnungshofkontrolle, 2000, S. 82 FN 4).
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits aus Anlass anderer gleichartiger Anträge des Rechnungshofes in VfSlg. 16.050/2000 nämlich dargelegt hat, besteht angesichts des Art126a B-VG kein Anlass den verbis nur die Gebarungsprüfung zum Gegenstand habenden §36a VfGG in dem Sinne als abschließend zu verstehen, dass er die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes ausschließt, auch über andere Meinungsverschiedenheiten im Sinne des Art126a B-VG zu entscheiden. Bei einem solchen Verständnis wäre die Bestimmung nämlich verfassungswidrig und im Zweifel darf nach den Grundsätzen der verfassungskonformen Interpretation einer gesetzlichen Regelung ein verfassungswidriger Inhalt nicht unterstellt werden. Da nun aber §36a VfGG auf Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit des Rechnungshofes zur Einschau nach §8 BezBegrBVG nicht anzuwenden ist, was sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern im Hinblick auf den ersten Satz des Abs1, der für derartige Meinungsverschiedenheiten gar nicht passt, auch aus einer systematischen Interpretation ergibt, ist die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung der hier aufgeworfenen Meinungsverschiedenheit unmittelbar aus Art126a B-VG abzuleiten (VfSlg. 16.050/2000; zu einer gleichartigen Problematik vgl. VfSlg. 15.816/2000 mit weiteren Hinweisen).
Der Verfassungsgerichtshof ist daher zur Entscheidung der zwischen dem Rechungshof und der Gemeinde Schwechat entstandenen Meinungsverschiedenheit zuständig und der diesbezügliche Antrag zulässig.
2. a) Die für die Beurteilung der Meinungsverschiedenheit maßgebliche Bestimmung des §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG lautet wie folgt:
"(1) Rechtsträger, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, haben innerhalb der ersten drei Monate jedes zweiten Kalenderjahres dem Rechnungshof die Bezüge oder Ruhebezüge von Personen mitzuteilen, die zumindest in einem der beiden vorangegangenen Kalenderjahre Bezüge oder Ruhebezüge bezogen haben, die jährlich höher als 14mal 80% des monatlichen Ausgangsbetrages nach §1 waren. Die Rechtsträger haben auch die Bezüge und Ruhebezüge von Personen mitzuteilen, die einen weiteren Bezug oder Ruhebezug von einem Rechtsträger beziehen, der der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt. Personen, die einen Bezug oder Ruhebezug von zwei oder mehreren Rechtsträgern beziehen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, haben dies diesen Rechtsträgern mitzuteilen. Wird diese Mitteilungspflicht vom Rechtsträger nicht eingehalten, so hat der Rechnungshof in die betreffenden Unterlagen Einschau zu halten und daraus seinen Bericht zu erstellen.
(2) Bei Anwendung des Abs1 sind auch Sozial- und Sachleistungen zu berücksichtigen, soweit sie nicht Leistungen aus der Kranken- oder Unfallversicherung oder auf Grund von vergleichbaren landesrechtlichen Regelungen sind. Mehrere Bezüge oder Ruhebezüge von Rechtsträgern, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, sind zusammenzurechnen.
(3) Der Rechnungshof hat diese Mitteilungen - nach Jahreswerten getrennt - in einem Bericht zusammenzufassen. In den Bericht sind alle Personen aufzunehmen, deren jährliche Bezüge und Ruhebezüge von Rechtsträgern, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, insgesamt den im Abs1 genannten Betrag übersteigen. Der Bericht ist dem Nationalrat, dem Bundesrat und den Landtagen zu übermitteln.
..."
Sie hat folgenden Regelungsgehalt:
Personen, die einen Bezug oder Ruhegenuss von zwei oder mehreren der Gebarungskontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern beziehen, haben dies diesen Rechtsträgern zu melden. Alle Rechtsträger, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, haben Bezüge, die eine bestimmte Höhe überschreiten, oder Bezüge von Personen, die noch einen weiteren Bezug (gleichgültig in welcher Höhe) von einem anderen rechnungshofkontrollpflichtigen Rechtsträger beziehen, dem Rechnungshof mitzuteilen.
Kommt ein Rechtsträger dieser Verpflichtung nicht nach, so hat sich der Rechnungshof die notwendigen Informationen durch Einschau in die betreffenden Unterlagen der rechnungshofkontrollpflichtigen Einrichtungen zu beschaffen.
Der Rechnungshof hat sodann die Mitteilungen und die durch Einschau gewonnenen Informationen in einem "Einkommensbericht" zusammenzufassen; in diesem Bericht sind "alle Personen aufzunehmen", deren jährliche Bezüge das genannte Ausmaß überschreiten; dies ist - wie in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2003, KR1/00, unter Heranziehung historischer, systematischer und teleologischer Argumente näher dargelegt wurde - als Verpflichtung zu verstehen, die Namen und diesen zugeordnet die Höhe der Jahreseinkommen der betroffenen Personen aufzunehmen.
Der Einkommensbericht ist vom Rechnungshof den Parlamenten des Bundes und der Länder zu übermitteln und soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
b) Eine Befugnis zur (namentlichen Einkommens-)Berichterstattung iSd §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG kommt dem Rechnungshof nach dieser Bestimmung unter der Voraussetzung zu, dass
-
der Rechtsträger, bei dem Einschau gehalten werden soll, auf Grund einer anderen (verfassungs-)gesetzlichen Bestimmung der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt und
-
dieser Rechtsträger seiner Mitteilungspflicht nicht (fristgerecht und vollständig) nachgekommen ist.
Weiters muss - wie sich aus den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ergibt - eine auch die Namen der Einkommensbezieher umfassende Offenlegung im Hinblick auf das vom Verfassungsgesetzgeber verfolgte Ziel der ordnungsgemäßen Verwaltung der öffentlichen Mittel notwendig und angemessen sein; andernfalls steht der Anwendung des §8 (Abs1 bis 3) BezBegrBVG nach der vom Verfassungsgerichtshof eingeholten, oben (vgl. Pkt. I.4.) referierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes Gemeinschaftsrecht entgegen.
c) Ob - wie der Rechnungshof im Anschluss an ein Gutachten des Bundeskanzleramt-Verfassungsdienstes meint - auch eine Gemeinde mit weniger als 20.000 Einwohnern zu den durch §8 Abs1 BezBegrBVG verpflichteten Rechtsträgern gehört oder nicht - so die Antragsgegnerin -, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, da es an der weiteren Voraussetzung, nämlich der Notwendigkeit und Angemessenheit einer derartigen Regelung, mangelt:
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. November 2003, KR1/00, (unter Pkt. II.4.) mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass und warum es im Sinne der oben genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20. Mai 2003, Rs. C-465/00 ua., Rechnungshof gegen ORF ua., nicht notwendig ist, die Namen von Personen und ihre Bezüge zu veröffentlichen, um die ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel sicherzustellen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Begründung dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden. In ihr hat der Verfassungsgerichtshof - zusammengefasst - die Auffassung vertreten, dass die differenziert ausgestalteten Berichtspflichten über die Ergebnisse der Gebarungsprüfung ausreichend sind, um eine ordnungsgemäße und effiziente Mittelverwendung sicherzustellen, und dass eine darüber hinausgehende namentliche Offenlegung der Bezüge für das vom Europäischen Gerichtshof anerkannte Ziel nicht notwendig und angemessen ist. Die unmittelbar anwendbaren (vgl. Pkt. 2 des - hier unter Pkt. I.4. wiedergegebenen - Spruches des Europäischen Gerichtshofes) Bestimmungen der Datenschutz-Richtlinie stehen daher der Anwendung jener Bestimmungen des §8 BezBegrBVG entgegen, die eine namentliche Offenlegung der Bezüge und der Beschaffung von Daten zu diesem Zweck ermöglichen. Diesen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts hat auch der Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen, weshalb das Begehren des Rechnungshofes, eine Einschau zum Zweck der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß §8 Abs1 bis 3 BezBegrBVG zu erreichen, mangels (anwendbarer) gesetzlicher Grundlage abzuweisen war.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Bezüge, Datenschutz, EU-Recht Richtlinie, EU-Recht Vorabentscheidung, Privat- und Familienleben, Rechnungshof, VfGH / Kosten, VfGH / RechnungshofzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:KR2.2002Dokumentnummer
JFT_09959379_02KR0002_00