RS Vfgh 1988/6/16 B1281/87

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Veröffentlicht am 16.06.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG Art133 Z1
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs3
StGG Art12 / Vereinsrecht
VereinsG idF vor der Nov BGBl 648/1987 §2
VereinsG idF vor der Nov BGBl 648/1987 §6 Abs1
VereinsG idF vor der Nov BGBl 648/1987 §10
VereinsG idF vor der Nov BGBl 648/1987 §11

Leitsatz

Verein Träger der Vereinsfreiheit im Verfahren zur beabsichtigten Vereinsumbildung; Beschwerdelegitimation des Vereines selbst gegeben; Zweigvereine nach den Statuten vorgesehen - Zuständigkeit des BMI; Aufteilung des Vermögens bei freiwilliger Auflösung des Vereines auf die Mitglieder - rechtmäßige Untersagung der Vereinsumbildung als auf Gewinn berechnet Ausschließliche Zuständigkeit des VfGH bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechtes; keine Abtretung der Beschwerde an VwGH

Rechtssatz

Im Verfahren zur beabsichtigten Umbildung eines Vereines ist der Verein selbst Träger der Vereinsfreiheit. Er selbst (und nicht etwa seine Mitglieder) sind zur Verfassungsgerichtshofbeschwerde legitimiert (vgl. zB VfSlg. 2568/1953, 9366/1982).

Dem §11 iVm §6 Abs1 VereinsG (in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. 648/1987) zufolge war zur Untersagung einer beabsichtigten Umbildung der Bundesminister für Inneres ua. für solche Vereine zuständig, deren Wirksamkeit sich durch Zweigvereine auf mehrere Bundesländer erstreckt. Ob dies der Fall ist, ist ausschließlich nach den Statutenbestimmungen und nicht etwa - wie der beschwerdeführende Verein meint - danach zu beurteilen, ob Zweigvereine tatsächlich bestehen. Dies ergibt sich schon klar und deutlich daraus, daß diese Behördenkompetenz gleicherweise für die Bildung eines Vereines gilt und diesfalls von vornherein nur eine Bedachtnahme auf die Statuten in Betracht kommt.

Da nach den Vereinsstatuten die Errichtung von Zweigvereinen vorgesehen ist, war der Bundesminister für Inneres sohin zur Erlassung des angefochtenen Bescheides kompetent.

Keine Verletzung im Vereinsrecht durch Untersagung der Umbildung zu einem "auf Gewinn berechneten" Verein.

Bereits im Jahre 1900 erachtete es das Reichsgericht (RG 27.4.1900, Hye 999) als unbedenklich, wenn die Tätigkeit eines Vereines nach dem VG (ausschließlich) darauf abstellte, den Mitgliedern einen wirtschaftlichen Vorteil zu erbringen; lediglich jene Bestimmungen der Vereinsstatuten, die vorsehen, daß ein vom Verein erwirtschafteter Gewinn an die Mitglieder ausgeschüttet werden kann, machten nach Ansicht des Reichsgerichtes den Verein zu einem auf Gewinn berechneten Verein.

Nach der jüngeren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9566/1982, 9879/1983) ist ein Verein nicht schon dann "auf Gewinn" iSd §2 VG berechnet und daher von der Wirksamkeit dieses Gesetzes ausgenommen, wenn die Mitgliedschaft beim Verein (als Nebeneffekt) für die Mitglieder Vorteile (auch solche materieller Art) bewirkt, wohl aber jedenfalls dann, wenn der Verein selbst darauf abzielt, einen Gewinn zu erwirtschaften, der den Vereinsmitgliedern zukommen soll (zB VfSlg. 4411/1963, S 234 und 8844/1980, S 478). Ein solches Vereinsziel ist nun nach §12 Z2 der neuen Vereinsstatuten nicht ausgeschlossen, soll doch ein allfälliges Vereinsvermögen auf die Vereinsmitglieder aufgeteilt werden, und zwar nicht bloß das Vermögen, das dem Wert der von den Mitgliedern geleisteten Einlagen entspricht, sondern auch jenes, das vom Verein erwirtschaftet wurde. Diese Methode kann gerade dazu führen, was das VG ausschließen will, nämlich daß die Tätigkeit des Vereines dazu dient, einen von ihm erwirtschafteten Gewinn an seine Mitglieder auszuschütten.

Entgegen der erkennbaren Ansicht des beschwerdeführenden Vereines konnte die Vereinsbehörde, wenn ihrer Ansicht nach §12 Z1 der geänderten Statuten dem §2 VG widersprach, nur die Umbildung anhand der neuen Statuten gemäß §6 Abs1 iVm §10 VG zur Gänze untersagen, auch wenn ihr die übrigen Statutenbestimmungen nicht bedenklich erschienen (vgl. VfSlg. 9366/1982).

Keine Bedenken gegen §2 VereinsG idF vor der Novelle BGBl. 648/1987.

Dem Antrag, die Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war keine Folge zu geben:

Bei behaupteteter Verletzung des Vereinsrechtes umfaßt die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes sowohl die materiellen als auch die formalen verfahrensrechtlichen Fragen. Jeder Verwaltungsbescheid, der die Behinderung des Rechtes auf freie Bildung oder Umbildung von Vereinen bewirkt und den in Betracht kommenden ges Bestimmungen nicht entspricht, ist nicht nur gesetzwidrig, sondern verletzt auch das durch Art12 StGG gewährleistete Recht. Es tritt in jedem solchen Fall die im Art144 Abs1 B-VG festgelegte Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofes ein, die nach Art133 Z1 B-VG die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausschließt (vgl. zB VfSlg. 9879/1983).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Vereinsrecht, Rechtspersönlichkeit, Behördenzuständigkeit Vereinsrecht, VfGH / Prüfungsmaßstab, Grundrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B1281.1987

Dokumentnummer

JFR_10119384_87B01281_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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