RS Vfgh 1988/6/17 V136/87

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Veröffentlicht am 17.06.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Nö ROG 1976 §23 Abs1

Leitsatz

Verhängung einer Bausperre zum Zweck einer - möglichen zukünftigen - Grünlandwidmung durch den Flächenwidmungsplan; Eingriff in die Rechtssphäre der Liegenschaftseigentümer - Zulässigkeit des Individualantrages Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauerbach vom 16.09.87 betreffend Verhängung einer Bausperre; "Grünlandnutzung" dem §23 Abs1 NÖ RaumordnungsG 1976 entsprechend konkretisierte Änderungsabsicht für die geplante Umgestaltung des örtlichen Raumordnungsprogrammes; Abweisung des Individualantrages

Rechtssatz

Die Bausperre wirkt in gleicher Weise wie die Grünlandwidmung des - zukünftigen - Flächenwidmungsplanes und unterliegt daher in gleicher Weise wie dieser der Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof durch die von der Bausperre in ihrer Rechtssphäre betroffenen Grundstückseigentümer (zur Zulässigkeit der Anfechtung einer Grünlandwidmung eines nach dem NÖ. RaumOG 1976 erlassenen Flächenwidmungsplanes siehe VfSlg. 8463/1978, 8697/1979).

Dem Antrag auf Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauerbach vom 16.09.87, betreffend eine Bausperre für das Grundstück 245/4, KG Mauerbach, wird keine Folge gegeben.

Mit Rücksicht auf die Vorjudikatur (vgl. insbesndere 7287/1974, 9910/1983) und im Hinblick auf die materielle Übereinstimmung der gesetzlichen Regelungen über die Bausperre in den einzelnen Bundesländern (vgl. VfSlg. 9910/1983, S 657) geht der Verfassungsgerichtshof für den vorliegenden Fall davon aus, daß die in die Bausperre gemäß §23 Abs1 NÖ. RaumOG 1976 aufzunehmende "Darstellung der anzustrebenden Ziele" die - soweit als möglich konkretisierten - Änderungsabsichten umfaßt, die der geplanten Umgestaltung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes, als dessen wesentlichen Teil der Flächenwidmungsplan (§13 Abs3 NÖ. RaumOG 1976) anzusehen ist, zugrunde liegen. Diese "Ziele" sind sohin weder identisch mit den "Leitzielen" gemäß §1 Abs2 NÖ. RaumOG 1976 noch mit der Bezeichnung der "angestrebten Ziele" des örtlichen Raumordnungsprogrammes (gemäß §13 Abs2 NÖ. RaumOG 1976) selbst. Vielmehr muß die "Darstellung der anzustrebenden Ziele" der Bausperre nach §23 NÖ. RaumOG 1976 mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, ob eine Baubewilligung nach §100 Abs4 NÖ. Bauordnung 1976 mit dem zukünftigen, möglicherweise zu ändernden örtlichen Raumordnungsprogramm in Einklang zu bringen und - wenn sie auch nach dem geltenden Flächenwidmungsplan zulässig ist (VfSlg. 9910/1983) - zu erteilen oder ob die Baubewilligung mit Rücksicht auf die Bausperre zu verweigern ist.

Angesichts dieser Rechtslage findet der Verfassungsgerichtshof nichts dagegen einzuwenden, daß in §3 der Verordnung über die Bausperre der Marktgemeinde Mauerbach die beabsichtigte Grünlandwidmung des Grundstücks der Antragsteller als "anzustrebendes Ziel" für die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Mauerbach festgelegt wird. Jede allgemeinere Zielvorgabe würde den Vollzug der Bausperre in konkreten Baubewilligungsverfahren mit einer Unbestimmtheit belasten, die im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Bausperre aus dem Grunde des Art18 Abs1 B-VG hervorrufen würde.

Dem Individualantrag auf Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Mauerbach vom 16.09.87, betreffend eine Bausperre für das Grundstück 245/4, KG Mauerbach, wird keine Folge gegeben.

Für die Rechtmäßigkeit der Bausperre reicht eine im darzustellenden Ziel entsprechend konkretisierte Änderungsabsicht aus.

Der Erlassung der Bausperre liegen Überlegungen hinsichtlich der Änderung der seinerzeitigen Planungsgrundlagen (sprunghafter Bevölkerungszuwachs der Marktgemeinde Mauerbach, Wienerwald-Deklaration, Erweiterung des Grüngürtels zwecks Erhaltung naturräumlicher Landschaftselemente) und entsprechende Beratungen zugrunde. Ob diese Überlegungen eine Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes einschließlich des Flächenwidmungsplanes mit Rücksicht auf §22 Abs1 Z2 NÖ. RaumOG 1976 zu tragen vermögen, ob sohin eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse an der bestehenden Grundstückswidmung und dem öffentlichen Interesse an deren Änderung das Überwiegen letzterer zeigt und sohin von einer "wesentlichen Änderung der Grundlagen" auszugehen ist, braucht bei Erlassung der Verordnung über die Bausperre (noch) nicht geprüft zu werden. Auch eine entsprechende Grundlagenforschung ist nicht im Zuge der Verhängung der Bausperre, sondern erst im Verfahren zur Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes anzustellen.

Sinn und Zweck der Bausperre ist es, der Gemeinde entsprechende Überlegungen, - wie sie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 9910/1983 angedeutet hat -, und während des von vornherein begrenzten Zeitraums der Geltung der Bausperre die - von konkreten Bauvorhaben ungestörte - Prüfung der Frage zu ermöglichen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes vorliegen. Ob Aspekte der Rechtssicherheit und des Vertrauens auf die durch eine rechtsverbindliche Widmung geschaffene Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks eine Änderung der Grundstückswidmung gemäß §22 Abs1 Z2 NÖ. RaumOG 1976 verhindern (vgl. dazu VfGH 19.06.87, V40/86), kann anläßlich der Prüfung der Verordnung über die Bausperre vom Verfassungsgerichtshof nicht festgestellt werden, sondern kann erst im Falle der Anfechtung des geänderten Flächenwidmungsplanes Prüfungsthema des Gerichtshofs sein.

Keine Bedenken dagegen, daß in §3 der Verordnung über die Bausperre der Marktgemeinde Mauerbach die beabsichtigte Grünlandwidmung des Grundstücks der Antragsteller als "anzustrebendes Ziel" für die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Mauerbach festgelegt wird. Jede allgemeinere Zielvorgabe würde den Vollzug der Bausperre in konkreten Baubewilligungsverfahren mit einer Unbestimmtheit belasten, die im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Bausperre aus dem Grunde des Art18 Abs1 B-VG hervorrufen würde.

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht der Meinung, daß die Erlassung der Bausperre über das Grundstück der Antragsteller ohne hinreichend konkretisierte Änderungsabsicht, sohin dem Sinn des Gesetzes widersprechend (die Antragsteller sprechen von Willkür), erlassen wurde. Wie die Ausführungen in den Äußerungen der Niederösterreichischen Landesregierung und der Marktgemeinde Mauerbach zeigen, liegen der Erlassung der Bausperre Überlegungen hinsichtlich der Änderung der seinerzeitigen Planungsgrundlagen (sprunghafter Bevölkerungszuwachs der Marktgemeinde Mauerbach, Wienerwald-Deklaration, Erweiterung des Grüngürtels zwecks Erhaltung naturräumlicher Landschaftselemente) und entsprechende Beratungen zugrunde.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Baurecht, Raumordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:V136.1987

Dokumentnummer

JFR_10119383_87V00136_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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