RS Vfgh 1988/6/21 B400/87

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Veröffentlicht am 21.06.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art12 / Vereinsrecht
StV Wien 1955 Art4
VereinsG idF vor der Nov BGBl 648/1987 §6 Abs1

Leitsatz

Proponent Träger der Vereinsfreiheit im Verfahren zur beabsichtigten Bildung eines Vereines; Beschwerdelegitimation gegeben, aus Gründen der nationalen Sicherheit müssen Vereinsstatuten derart formuliert sein, daß eine dem Art4 StV Wien 1955 widersprechende Vereinstätigkeit mit Sicherheit ausgeschlossen wird; die Wendung "Bindung Österreichs zum deutschen Muttervolk verstärken" rechtfertigt Untersagung; keine Verletzung des Rechtes auf Vereinsfreiheit

Rechtssatz

Im Verfahren zur beabsichtigten Bildung eines Vereines ist der Proponent Träger der Vereinsfreiheit; der Beschwerdeführer ist daher legitimiert, die Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen den die Vereinsbildung untersagenden Bescheid zu erheben (vgl. zB VfSlg. 8141/1977, 9364/1982, 9464/1982).

Art4 StV Wien 1955 bietet zwar - anders als etwa Teile des Art7 StV Wien 1955 (vgl. VfGH 12.12.87 G55-58/87) - nach seinem klaren Wortlaut keine selbständige Grundlage für ein behördliches Einschreiten, sondern verpflichtet die staatlichen (Gesetzgebungs- und Vollziehungs-)Organe (bloß), im Rahmen ihres gesetzlichen Zuständigkeits- und Aufgabenbereiches den in dieser Bestimmung verpönten Handlungen entgegenzuwirken. Im Hinblick darauf, daß der StV Wien 1955 eine wesentliche Grundlage der Unabhängigkeit Österreichs ist, kommt (auch) seinem Art4 eine besondere auslegungsbestimmende Bedeutung zu. Im hier maßgebenden Zusammenhang folgt daraus, daß Art4 StV Wien 1955 als Auslegungsmaxime des §6 Abs1 VereinsG heranzuziehen ist. Jede dem Art4 Z2 StV Wien widerstreitende Tätigkeit ist staatsgefährlich (vgl. VfSlg. 4524/1963, 8610/1979).

Keine Verletzung im Vereinsrecht durch Untersagung der Bildung des Vereines "Studentenhilfswerk Südtirol" durch den Bundesminister für Inneres gemäß §6 Abs1 VereinsG iVm Art4 StV Wien 1955.

Bei Auslegung der Statuten kommt es auf ihren objektiven Sinn und nicht auf die ihnen vom Proponenten gegebene subjektive Interpretation an (vgl. VfSlg. 8844/1980, 9366/1982, 9589/1982).

Der Verfassungsgerichtshof hat hier nicht zu erörtern, was abstrakt unter den Begriffen "deutsches Volk" und "deutsches Muttervolk" verstanden werden kann. Wesentlich ist im gegebenen Zusammenhang ausschließlich, daß aufgrund des Vereinszweckes, wie er im §2 der Statuten umschrieben wird, auch angenommen werden kann, daß der Verein eine Tätigkeit zu entfalten beabsichtigt, die zu verhindern sich Österreich mit Art4 Abs2 StV Wien 1955 völkerrechtlich verpflichtet hat, nämlich den Anschluß Österreichs an Deutschland zu propagieren.

Obgleich Statuten im Zweifel im Sinne der Vereinsfreiheit auszulegen sind (vgl. zB VfSlg. 4044/1961, 9366/1982, 9879/1983), geht dieser Grundsatz nicht dem Art4 StV Wien 1955 vor. Aus Gründen der nationalen Sicherheit müssen sohin Vereinsstatuten derart formuliert sein, daß eine dem Art4 StV Wien 1955 widersprechende Vereinstätigkeit mit Sicherheit ausgeschlossen wird. Diesen Anforderungen genügt aber §2 der Vereinsstatuten nicht.

Keine Bedenken gegen §6 Abs1 VereinsG idF vor der Novelle BGBl. 648/1987.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Vereinsrecht, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B400.1987

Dokumentnummer

JFR_10119379_87B00400_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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