RS Vfgh 1988/6/24 G1/88, G2/88, G74/88, G75/88, G76/88, G77/88, G78/88, G79/88, G80/88, G81/88

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Veröffentlicht am 24.06.1988
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art10 ff
B-VG Art17
B-VG Art116 Abs2
B-VG Art140 Abs5
MRK Art6 Abs1
ABGB §§1293 ff
ABGB §1
WRG §34 Abs4
WRG §60 Abs2
WRG §111 Abs4
WRG §114 Abs1
WRG §117 Abs1
ABGB §365

Leitsatz

Entschädigungsanspruch im Gefolge sind Enteignung trotz Zusammenhanges mit öffentlich-rechtlichen Hoheitsakt zivilrechtlicher Natur - auch nach Absicht des historischen Gesetzgebers; Gegenstand der gesetzlichen Regelung ist Verhältnis einander gleichgeordneter Rechtsgenossen; Gebietskörperschaft als Enteignungswerber - Träger von Privatrechten; (Systematische) Nähe des Anspruches auf Enteignungsentschädigung zu Schadenersatzansprüchen Bei ihrem Wesen nach dem Bereich des Zivilrechts zuzuzählenden Ansprüchen Sachentscheidung durch ein Tribunal, dem die selbständige Feststellung und Würdigung der Tat- und Rechtsfrage obliegt, unabdingbar; Sachverhaltskontrolle durch Verwaltungsgerichtshof bei (öffentlich-rechtlichen) Streitigkeiten mit Auswirkungen auf "civil rights" hinreichend Aufhebung derjenigen Bestimmungen, die die Entscheidungszuständigkeit einer dem Art6 Abs1 MRK nicht genügenden Verwaltungsbehörde bei Enteignungsentschädigungen begründen

Rechtssatz

Anspruch auf Enteignungsentschädigung ist zivilrechtlicher Natur.

(Darstellung der diesbezüglichen Verfassungsgerichtshofjudikatur und Lehre auf den Seiten 10 bis 13 des Erkenntnisses.)

Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, daß der Entschädigungsanspruch im Gefolge einer Enteignung trotz seines Zusammenhanges mit diesem öffentlich-rechtlichen Hoheitsakt zivilrechtlicher Natur ist. Aus §1 ABGB läßt sich ableiten, daß jene Rechtsverhältnisse und -ansprüche dem Privatrecht zuzuzählen sind, die zwischen den Einwohnern des Staates, also den natürlichen und juristischen Personen als Rechtssubjekten "unter sich" bestehen (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz. 5 zu §1). Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg. 9580/1982 ausgesprochen, daß jene Rechtsbeziehungen Gegenstand des Privatrechts sind, bei denen es iSd §1 ABGB "um das Verhältnis zwischen den Beteiligten selbst geht". Klassische Aufgabe des Privatrechts ist es, so hat er formuliert, die gegenüber den Mitbürgern bestehenden Rechtspositionen zu umschreiben. Auch wenn aus besonderen Gründen ein öffentliches Interesse an einem bestimmten Rechtszustand besteht, so macht eine von diesem Interesse bestimmte Regelung des Verhältnisses zwischen den Rechtsgenossen dieses noch nicht zu einer Materie des öffentlichen Rechts. Auch dann bleibt eine Regelung der Beziehungen der Bürger "unter sich" ihrer Struktur nach Zivilrecht (VfSlg. 9580/1982).

Diese vom Verfassungsgerichtshof ursprünglich zur Auslegung des Kompetenztatbestandes "Zivilrechtswesen" gemäß Art10 Abs1 Z6 B-VG angestellten rechtsbegrifflichen Überlegungen treffen auch auf gesetzlich eingeräumte Entschädigungsansprüche im Gefolge von Enteignungen, hier Enteignungen nach dem WRG, zu. Denn der Enteignungswerber, dessen Antrag das Enteignungsverfahren auslöst und der in den Genuß des zivilrechtlichen Eigentums oder eines sonstigen zivilen Rechtes am Enteignungsgegenstand gelangt, tritt dem Enteigneten - anders als die Enteignungsbehörde - grundsätzlich auf gleicher Ebene entgegen. Der Entschädigungsanspruch des Enteigneten als Privatrechtssubjekt besteht gegenüber dem Enteignungswerber, di. das durch die Enteignung begünstigte Privatrechtssubjekt. Die gesetzliche Vorkehrung einer Enteignungsentschädigung bildet sohin eine Regelung des Verhältnisses zwischen einander rechtlich gleichgeordneten Rechtsgenossen; sie ist ihrer Struktur nach eine Regelung der Beziehungen der Bürger "unter sich" iSd §1 ABGB. (In diese Richtung für wasserrechtliche Enteignungsentschädigungen schon Randa, Das österreichische Wasserrecht, 1891, S 116 f.)

Die gesetzliche Vorkehrung einer Enteignungsentschädigung bildet eine Regelung des Verhältnisses zwischen einander rechtlich gleichgeordneten Rechtsgenossen; sie ist ihrer Struktur nach eine Regelung der Beziehungen der Bürger "unter sich" iSd §1 ABGB. (In diese Richtung für wasserrechtliche Enteignungsentschädigungen schon Randa, Das österreichische Wasserrecht, 1891, S 116 f.).

Daran ändert der Umstand nichts, daß häufig die öffentliche Hand als Enteignungswerber auftritt. Auch wenn nämlich der Bund, ein Land oder wie im vorliegenden Fall eine Gemeinde im Wege der Enteignung neuer zivilrechtlicher Eigentümer wird, so erlangt die Gebietskörperschaft diese Rechtsposition als Träger von Privatrechten iS der Art17 oder 116 Abs2 B-VG. Selbst dort, wo ein und derselbe Rechtsträger, wie etwa der Bund nach dem BundesstraßenG, als Enteignungswerber und als Enteigner auftritt, trennt das Enteignungsrecht des BundesstraßenG streng zwischen der Bundesstraßenverwaltung als Enteignungsantragstellerin und der Bundesstraßenbehörde als Enteignungsbehörde. Wie auch aus der Möglichkeit privatrechtlicher Vereinbarungen zwischen den Parteien über den Entschädigungsanspruch hervorleuchtet, tritt sohin der Enteignungswerber, mag es sich auch um eine öffentlich-rechtliche Körperschaft handeln, dem Enteigneten im Bereich der Entschädigung stets auf der Ebene des Privatrechts gegenüber. Der OGH (24.04.69, 1 Ob 80/69, JBl. 1970, S 481) hat demgemäß die privatrechtliche Natur des Anspruchs auf Enteignungsentschädigung damit begründet, daß eine durch eine Enteignung begünstigte und zur Entschädigung verpflichtete Gemeinde "selbst einem obrigkeitlichen Auftrag nachzukommen (hat), der ihr in einem Verfahren erteilt wurde, in dem sie ebenso Parteistellung hatte wie die Enteigneten. Die von ihr zu erbringende Leistung hat die Funktion eines Preises, bezüglich dessen Bezahlung die ... Gemeinde den Enteigneten keinesfalls im Verhältnis von Über- und Unterordnung gegenübersteht; sie hat ihnen gegenüber hier weder Befehls- noch Zwangsbefugnisse. Die Erfüllung der ihr selbst von der Obrigkeit bescheidmäßig auferlegten Leistungspflicht muß deshalb als Akt der Wirtschaftsverwaltung angesehen werden (vgl. dazu auch SZ 38/107; EvBl. 1968/87 und die dort zitierte Judikatur und Literatur)".

Für den privatrechtlichen Charakter des Anspruchs auf Enteignungsentschädigung spricht auch dessen rechtssystematische Nähe zu den Schadenersatzansprüchen (vgl. dazu Rummel, Enteignungsentschädigung, S 64). Ähnlich anderen, eindeutig als privatrechtlich qualifizierten Haftungsfällen ohne Rechtswidrigkeit und Verschulden (zB §§364 und 1306 a ABGB) geht es bei der Entschädigung für Enteignung als einem Fall der Eingriffshaftung um eine dem zivilrechtlichen Schadenersatz durchaus vergleichbare Funktion, di. der Ausgleich der durch die Enteignung als schädigendem Ereignis bewirkten Vermögenseinbuße. Der Verfassungsgerichtshof hat in den Erkenntnissen VfSlg. 2154/1951 und VfSlg. 3167/1957 gerade aus dieser Sachnähe von Enteignungsentschädigungs- und Schadenersatzansprüchen deren gemeinsame Zugehörigkeit zum Privatrecht dargetan (vgl. auch VfSlg. 4605/1963, S 843).

Im Sinne der in VfSlg. 9580/1982 entwickelten Vorgangsweise muß zusätzlich zur begrifflichen, auf den Wortlaut des §1 ABGB abstellenden, sowie zur systematischen, die Nähe zum Schadenersatzrecht benutzenden Betrachtung, auch der historische Aspekt des Zivilrechtsbegriffes herangezogen werden, um die Zugehörigkeit der Enteignungsentschädigung zum Zivilrecht zu begründen. Wie bereits in VfSlg. 9580/1982 dargetan, gewinnt der Begriff des Zivilrechts erst feste Konturen, wenn er als "ein von der Verfassung vorgefundener, historisch gewordener" verstanden wird.

(Darstellung anhand des EisenbahnenteignungsG 1878 und des ReichswasserrechtsG 1869.)

Insgesamt zeigen rechtsbegriffliche, -systematische und -historische Argumente, daß nach österreichischem Rechtsverständnis ungeachtet vereinzelter Zuständigkeiten von Verwaltungsbehörden zur vorläufigen Entscheidung über die Entschädigung vom zivilrechtlichen Charakter des Anspruchs auf Enteignungsentschädigung auszugehen ist. Um Mißverständnisse zu vermeiden, betont der Verfassungsgerichtshof, daß mit der Bejahung der zivilrechtlichen Natur der Enteignungsentschädigung noch keine Aussage über die Einordnung diesbezüglicher Regelungen in das Gefüge der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung nach den Art10 bis 15 B-VG getroffen ist (vgl. dazu VfSlg. 9580/1982, S 416, und Pernthaler, Zivilrechtswesen und Landeskompetenzen, 1987, S 44).

Der Verfassungsgerichtshof vertritt die Auffassung, daß Entschädigungsansprüche nach §60 Abs2 in Verbindung mit §117 Abs1 WRG, soweit diese für die Enteignung von Liegenschaften oder für den zwangsweisen Entzug anderer zivilrechtlicher Rechtspositionen vom Gesetzgeber begründet wurden, als "zivilrechtliche Ansprüche" ("civil rights") nach Art6 Abs1 MRK anzusehen sind. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in den, für die diesbezügliche Auslegung des Art6 Abs1 MRK maßgeblichen Erkenntnissen VfSlg. 5100 und 5102/1965 (vgl. jetzt auch G129/87 ua. vom 16.12.87 sowie G211,212/87 vom 10.03.88) ausgesprochen hat, sind unter den "civil rights" des Art6 Abs1 MRK nicht nur solche Rechte zu verstehen, die nach der nationalen Rechtsordnung den Gerichten zur Entscheidung zugewiesen sind. Unabhängig davon, wie weit der Begriff der "civil rights" nach Art6 Abs1 MRK im einzelnen reicht, ging der Verfassungsgerichtshof jedoch in den angeführten Erkenntnissen bereits davon aus, daß Ansprüche und Verpflichtungen, deren Geltendmachung eine bürgerliche Rechtssache iSd §1 JN ist, "aber jedenfalls unter den Begriff ziviler Rechte iSd Art6 Abs1 MRK" fallen. Wasserrechtliche Entschädigungsansprüche aufgrund von Enteignungen sind nach österreichischem Rechtsverständnis bereits an sich zivilrechtliche Ansprüche und damit bürgerliche Rechtssachen. Der gemäß §60 Abs2 in Verbindung mit §117 Abs1 WRG für Enteignungen eingeräumte Entschädigungsanspruch zählt daher schon deshalb zu den "civil rights" iS von Art6 Abs1 MRK.

Aber auch wenn mit dem EGMR (Fall König, EuGRZ 1978, 406) und der EKMR (Sporrong und Lönnroth, 7151, 7152/75, Bericht 08.10.80, §133) ein "autonomes Konzept" unter Lösung vom Verfahrensrecht und vom materiellen Recht des von einer Beschwerde betroffenen Staates bei der Auslegung des Art6 MRK verfolgt wird (Miehsler, in: Internationaler Kommentar zur EMRK, 1986, Rdz. 56 ff. zu Art6), zählt der Anspruch auf Enteignungsentschädigung zu den "civil rights" iSd Art6 Abs1 MRK. Dem Verfassungsgerichtshof erscheint es ebenso wie der EKMR (Andorfer Tonwerke, 7987/77, Bericht 13.12.79, DR 18, 42, und Bericht 08.04.1982, DR 32, 107 f.; vgl. auch Sporrong und Lönnroth, 7151, 7152/75, Bericht 08.10.80, EuGRZ 1980, 660; abweichend allerdings EGMR, Fall Sporrong und Lönnroth, Serie A 52, 29 = EuGRZ 1983, 523) richtig, das Enteignungsverfahren in die Enteignung als solche, die als Verwaltungssache außerhalb des Kernbereiches des Art6 Abs1 MRK anzusehen ist (VfSlg. 8981/1980, B874/87 vom 10.03.88), und in die Festsetzung der Enteignungsentschädigung zu zerlegen, "which concerns the determination of the civil rights and obligations of the expropriated party". Art6 Abs1 MRK ist daher auf Verfahren in vollem Umfang anwendbar, in denen über die Enteignungsentschädigung abgesprochen wird (vgl. auch Miehsler, aaO, Rdz. 122 f.).

Anspruch auf Enteignungsentschädigung gehört zum Kernbereich der "civil rights", für den nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im E v 16.12.87, G129/87 ua. vertretenen Rechtsmeinung. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes genügt die bloß nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen durch den Verwaltungsgerichtshof den Anforderungen des Art6 Abs1 MRK zwar dann, wenn verwaltungsbehördliche Entscheidungen "civil rights" lediglich in ihren Auswirkungen betreffen (wie dies in B267/86 vom 14.10.87 hinsichtlich baupolizeiliche Verwaltungsakte und in B874/87 vom 10.03.88 hinsichtlich einer straßenrechtlichen Baubewilligung der Fall war).

Im Fall Albert und Le Compte (EuGRZ 1983, 193) hat der EGMR den "Anspruch auf ein Gericht" "und auf eine gerichtliche Entscheidung der Streitigkeiten zugestanden ..., und zwar sowohl für die Tatsachenprobleme als auch für die Rechtsfragen". Unter derselben Z29 (EuGRZ 1983, 193) wird für zivilrechtliche Ansprüche eine "controle ulterieur d'un organe judiciaire de pleine juridiction" zugesichert. (Darunter ist gemäß Council of Europe (ed), Legal Terms, Supplement 1985, Straßburg 1986, eine "jurisdiction to deal with all aspects of a case", also das Befassen mit allen Aspekten eines Falles, zu verstehen). Auch daraus wird nach Meinung des EGMR wohl die Notwendigkeit einer vollen Kontrollbefugnis des nach Art6 Abs1 MRK garantierten Tribunals deutlich.

Dabei verkennt der Verfassungsgerichtshof nicht, (wie er bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 5100/1965 feststellte und wie auch die Bundesregierung in ihrer Äußerung zu Recht ausführt), daß der Verwaltungsgerichtshof auch die Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde im Wege der verfahrensrechtlichen Kontrolle des angefochtenen Bescheides einschließlich der diesem zugrunde liegenden Beweiswürdigung unter Zuhilfenahme eigener Beweisaufnahmen (VwSlg. 9723 A/1978) zu überprüfen vermag (Ringhofer, Der Sachverhalt im verwaltungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren, in: Lehne-Loebenstein-Schimetschek, Hrsg., Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, 351 ff., 371 f.). Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch im Rahmen des vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt, festzustellen, daß die genannte Sachverhaltskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof bei (öffentlich-rechtlichen) Streitigkeiten mit Auswirkungen auf "civil rights" (wie er zuletzt auch in seinem E v 14.10.87, B267/86, aussprach) durchaus hinreicht, um den von Art6 Abs1 MRK aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein kontrollierendes und streitentscheidendes Tribunal zu genügen. Lediglich bei jenen, ihrem Wesen nach dem Bereich des herkömmlichen Zivilrechts zuzuzählenden Ansprüchen, wie den im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren zu untersuchenden Entschädigungsansprüchen, hält der Verfassungsgerichtshof auf Grund Art6 Abs1 MRK eine Sachentscheidung durch ein, dieser Vorschrift genügendes Tribunal, dem die selbständige Feststellung und Würdigung der Tat- und Rechtsfrage obliegt, für unabdingbar.

Der Verfassungsgerichtshof hält die Feststellung für notwendig, daß er mit dem EGMR (Fall Le Compte, EuGRZ 1981, 553) unter dem Aspekt des Art6 Abs1 MRK nichts dagegen einzuwenden findet, daß auch über zivilrechtliche Ansprüche nach Art einer Enteignungsentschädigung vorerst eine Verwaltungsbehörde entscheidet, sofern nur danach ein Gericht die Befugnis besitzt, über die Enteignungsentschädigung einschließlich der Entschädigungshöhe auf Grund eigener Tatsachenfeststellung zu entscheiden (so auch Matscher, Die Verfahrensgarantien der EMRK in Zivilrechtssachen, ÖZöffR 1980, 15). Ein derartiges Entschädigungsverfahren, wie es zahlreiche andere österreichische Enteignungsvorschriften kennen, sieht aber das WRG nicht vor.

Die Wortfolge "Entschädigungen und" sowie der Klammerausdruck "(Entschädigungsverfahren)" in §114 Abs1, das Wort "Entschädigungen" in §117 Abs1 erster Satz sowie die Wortfolge "die Entschädigung oder" in §117 Abs1 dritter Satz, die Wortfolgen "bei der Wasserrechtsbehörde" sowie "die hierüber unter sinngemäßer Anwendung des §117 zu entscheiden hat" in §111 Abs4 zweiter Satz und der in Klammer stehende Hinweis "(§117)" in §34 Abs4 des WasserrechtsG 1959, BGBl. Nr. 215, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Anspruch auf Enteignungsentschädigung gehört zum Kernbereich der "civil rights", für den nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht.

Die in Prüfung gezogenen Worte und Wortfolgen in §117 Abs1 WRG sind sohin als verfassungswidrig aufzuheben, weil sie die Entscheidung über die Enteignungsentschädigung nach §60 Abs2 WRG einer Verwaltungsbehörde überlassen, die nicht mit den Garantien des Art6 Abs1 MRK ausgestattet ist. Die im Spruch angeführten Worte und Wortfolgen der §§34 Abs4, 111 Abs4 zweiter Satz und 114 Abs1 WRG sind aufzuheben, weil sie durch direkten Verweis auf §117 WRG oder durch die inhaltliche Bezugnahme darauf ebenfalls die Entscheidungszuständigkeit einer dem Art6 Abs1 MRK nicht genügenden Verwaltungsbehörde bei Enteignungsentschädigungen nach dem WRG begründen.

Aufhebung jener Worte in den §§34, 111, 114 und 117 WRG, die die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde zur Entscheidung über Ansprüche auf Enteignungsentschädigung begründen, wegen Verstoßes gegen Art6 Abs1 MRK.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht die von der Bundesregierung hervorgehobene Notwendigkeit, eingehende Überlegungen vor einer gesetzlichen Neuregelung der Entscheidungszuständigkeit über wasserrechtliche Entschädigungsansprüche anzustellen. Er hat daher von der verfassungsrechtlichen Ermächtigung nach Art140 Abs5 zweiter Satz B-VG Gebrauch gemacht und für das Außerkrafttreten der im Spruch angeführten Bestimmungen des WRG eine Frist bestimmt. Er hat jedoch diese Frist mit Rücksicht auf die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine konventionsgemäße Entscheidungszuständigkeit eines Tribunals rasch herzustellen (vgl. auch G129/87 vom 16.12.87, Pkt. IV) mit 31.12.88 begrenzt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Entschädigung (Enteignung), Auslegung, Zivilrecht, Privatwirtschaftsverwaltung, Zivilrecht, Schadenersatz, Kompetenz Bund - Länder, Wasserrecht, VwGH / Sachentscheidung, Gerichtsakt, Zuständigkeit der Gerichte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:G1.1988

Dokumentnummer

JFR_10119376_88G00001_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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