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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung des Eigentumsrechtes, des Gleichheitsrechtes, des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter - jede Behörde hat incidenter zu untersuchen, ob eine Personengruppe durch Hinterlegung der Satzung als politische Partei Rechtspersönlichkeit erlangt hat Rechtsrichtige Annahme der bel. Beh. daß die "Nationaldemokratische Partei - NDP" neonazistische Ziele verfolgt - keine Rechtspersönlichkeit als politische Partei Art144 Abs3 B-VG; Abtretung der Beschwerde an den VwGH, soweit der Bescheid vom VfGH nicht auf seine Rechtsrichtigkeit geprüft wurdeRechtssatz
Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des §7 Abs1 Nö. AnkündigungsabgG 1979 iVm §7 VStG - Auftrag zur Verteilung von Flugzetteln für die NDP.
Hier ist die Nö. Landesregierung in einer in den Bereich der Landesvollziehung fallenden Verwaltungsstrafsache als zweite (und letzte) Instanz eingeschritten; hiezu war sie zuständig (§51 Abs1 VStG 1950). Im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens hat sie die Frage, ob die NDP als politische Partei iSd ParteienG Rechtspersönlichkeit erlangt hat oder ob dies deshalb, weil sie neonazistische Ziele verfolgt, nicht der Fall ist, incidenter beurteilt, wozu sie ermächtigt war.
Keine Bedenken gegen §3 Abs1 litc, §7 Abs1 und §12 Abs1 Nö. AnkündigungsabgG 1979.
Keine Bedenken gegen §7 VStG 1950.
Aus VfSlg. 9648/1983 folgt, daß jede Behörde nach Maßgabe der ihr auf Grund ihrer allgemeinen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel beurteilen muß, ob eine Gruppierung, die eine Satzung gemäß §1 ParteienG beim Bundesministerium für Inneres hinterlegte, Rechtspersönlichkeit als Partei erlangt hat. Dies ist nicht der Fall, falls der Freiheit zur Gründung politischer Parteien bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen entgegenstehen (§1 Abs3 ParteienG).
Die Bundesverfassung schränkt die Beweismittel, die den Behörden bei Beurteilung dieser Frage zur Verfügung stehen, nicht ein. Alle Behörden sind dem §1 ParteienG zufolge zwar verpflichtet, diese Frage gegebenenfalls von amtswegen aufzugreifen; im übrigen haben sie aber nach dem sonst in der Sache anzuwendenden Verfahrensrecht vorzugehen.
Als bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen, die der Erlangung der Rechtspersönlichkeit als politische Partei gemäß §1 Abs3 ParteienG entgegenstehen, kommt betreffend die NDP zunächst §3 VerbotsG, der jede nationalsozialistische Wiederbetätigung untersagt, in Betracht. Darüber hinaus sind die Art4 und 9 des Staatsvertrages von Wien 1955 (StV Wien 1955) zu beachten.
Die Art4 und 9 StV Wien 1955 bieten zwar - anders als etwa Teile des Art7 StV Wien 1955 (vgl. VfGH 12.12.87 G55-58/87) - nach ihrem klaren Wortlaut keine selbständige Grundlage für ein behördliches Einschreiten, sondern verpflichten die staatlichen (Gesetzgebungs- und Vollziehungs-)Organe bloß, im Rahmen ihres gesetzlichen Zuständigkeits- und Aufgabenbereiches den in diesen Bestimmungen verpönten Handlungen entgegenzuwirken. Im Hinblick darauf, daß der StV Wien 1955 eine wesentliche Grundlage der Unabhängigkeit Österreichs ist, kommt (auch) seinen Art4 und 9 eine besondere auslegungsbestimmende Bedeutung zu. Im hier maßgebenden Zusammenhang folgt daraus, daß die Art4 und 9 StV Wien 1955 als Auslegungsmaxime für §1 ParteienG heranzuziehen sind.
Bei Lösung der Frage, ob der Versuch einer Personengruppe, eine politische Partei (hier die NDP) zu gründen, einen bundesverfassungsgesetzlich verbotenen Akt darstellt, ist nicht bloß auf den Wortlaut der beim Bundesministerium für Inneres (im Jahre 1975) hinterlegten Satzung, sondern jedenfalls auch auf ein die Satzung näher ausführendes Parteiprogramm, hier auf das "Grundsatz- und Forderungsprogramm der NDP" aus dem Jahre 1980, Bedacht zu nehmen, (vgl. VfGH 03.03.87 B682/86).
Beurteilung, ob die NDP politische Partei iSd §1 ParteienG ist.
Bei der Beurteilung des Verhaltens einer Gruppierung kommt es nicht darauf an, ob einzelne Formulierungen ihrer Satzungen oder Programme schon bei isolierter Betrachtung als Ausdruck typischer nationalsozialistischer Ideologie anzusehen sind oder ob manche Ideen in der Vergangenheit von anderen politische Gruppierungen ebenfalls vertreten wurden und einzelne davon auch heute in Programmen demokratischer Parteien enthalten sind. Die nationalsozialistische Ideologie verfolgte nämlich nicht nur eigenständig aufgestellte Ziele, sondern übernahm auch eine ganze Reihe von Gedanken, die schon vor Entstehen der nationalsozialistischen politischen Bewegung vertreten wurden, und verband sie in einer Weise, daß sie als Grundlage für ihre Gewaltherrschaft verwendet wurden.
"Die Existenz und Vielfalt politischer Parteien sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich" (§1 Abs1 ParteienG). Der Umstand, daß eine Gruppierung Meinungen vertritt, die im Gegensatz zur Meinung einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung stehen, ist kein Grund, sie nicht als politische Partei entstehen zu lassen. Die Verfassungsbestimmungen des §3 VerbotsG und der Art4 und 9 StV Wien 1955 erfordern aber, daß nicht nur jenen Gruppierungen die Rechtspersönlichkeit als Partei nicht zukommt, die die Tätigkeit der NSDAP in allen Details fortsetzen, sondern - in Hinblick auf das Gebot des Art9 StV Wien 1955, "alle Spuren des Nazismus" zu entfernen - auch solchen Gruppierungen, die in Kernbereichen die Ansichten des Nationalsozialismus teilen, selbst wenn sie in einigen Punkten vom Nationalsozialismus abweichende Meinungen vertreten sollten.
Schon das "Grundsatz- und Forderungsprogramm" der NDP erweist, daß die Gruppierung, die sich dieses Programm gegeben hat, Ziele verfolgt, die den Bestimmungen des §3 VerbotsG und der Art4 und 9 des StV von Wien zuwiderlaufen.
Keine Rechtspersönlichkeit der NDP als politische Partei, da dem bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen entgegenstehen.
Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des §7 Abs1 Nö. AnkündigungsabgG 1979 iVm §7 VStG - Auftrag zur Verteilung von Flugzetteln für die NDP ohne Meldung zu erstatten und die Ankündigungsabgabe zu entrichten.
Gemäß §3 Abs1 litc Nö. AnkündigungsabgG 1979 sind ua. "Ankündigungen politischen Inhaltes der politischen Parteien" von der Ankündigungsabgabe befreit.
Die belangte Behörde nahm zu Recht an, daß die NDP durch Hinterlegung der Satzung beim Bundesministerium für Inneres nicht Rechtspersönlichkeit nach §1 ParteienG erlangt hat.
Daher keine denkunmögliche Anwendung der - unbedenklichen - Bestimmungen des §3 Abs1 litc, §7 Abs1 und §12 Abs1 Nö. AnkündigungsabgG 1979 und §7 VStG 1950.
Schlagworte
Partei politische, Rechtspersönlichkeit, Nationalsozialistengesetzgebung, AnkündigungsabgabenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B999.1987Dokumentnummer
JFR_10119375_87B00999_01