RS Vfgh 1988/6/27 B842/88

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Veröffentlicht am 27.06.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
GehG 1956 §13 Abs6 idF BGBl 612/1983
AVG §56

Leitsatz

Voraussetzung der Beschwerdeerhebung ist ua. die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch den angefochtenen Bescheid; das Interesse des Bf. an der Beseitigung des angefochtenen ihn beschwerenden Bescheides muß ein objektives sein; zu den Begriffen der formellen und materiellen Beschwer; zu den Voraussetzungen der Erlassung eines Feststellungsbescheides; eine bescheidmäßige Feststellung des Inhaltes, daß der Bf. - einer als Abgeordnete zum NR gewählten, außer Dienst gestellten Beamtin - ein bestimmter besoldungsrechtlicher Anspruch nicht zusteht, wäre nicht geeignet, die Gefährdung eines subjektiven Rechtes der Bf. abzuwenden - keine Beschwer, Legitimationsmangel

Rechtssatz

Die Erhebung einer auf Art144 Abs1 erster Satz B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde hat unter anderem zur Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt werden konnte (VfSlg. 3304/1958, 3425/1958, 3455/1958, 3555/1959, 4305/1962, 4434/1963, 5544/1967, 5712/1968, 6683/1972, 6716/1972, 7226/1973, 8774/1980, 9002/1980, 9452/1982, 9471/1982, 9736/1983, 9915/1984, 10.605/1985). Dieses subjektive Recht muß kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht sein (VfSlg. 3084/1956, 5583/1967).

Die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechtes ist dann gegeben, wenn der Bescheid subjektive Rechte (oder Pflichten) begründet, verändert oder feststellt (VfSlg. 8746/1980, 9107/1981, 9423/1982, 9771/1983, 10.576/1985).

Auch der Verwaltungsgerichtshof sieht in ständiger Rechtsprechung die Beschwerdeberechtigung nur dann als gegeben an, wenn eine Verletzung in der Rechtssphäre des Beschwerdeführers möglich ist (siehe etwa VwSlg. 756 A/1949, 2940 A/1953, 6659 A/1965, 7387 A/1968; 2001/78, 578, 646, 647/79 vom 01.12.80).

Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt ein objektives Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Bescheid voraus. Ein solches objektives Interesse des Beschwerdeführers ist nur gegeben, wenn er durch den Bescheid beschwert ist, sei es, daß der Bescheid vom Antrag des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil abweicht (formelle Beschwer), sei es, daß der Beschwerdeführer durch einen nicht auf seinen Antrag erlassenen Bescheid belastet wird (materielle Beschwer; siehe zu den Begriffen der formellen und der materiellen Beschwer zB VwGH 86/16/0125 vom 03.09.87; 87/02/0081 vom 15.10.87; 87/16/0119 vom 10.03.88; ferner etwa Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, S 92). Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, daß der angefochtene Bescheid die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert.

Die Erlassung eines Feststellungsbescheides, dessen Gegenstand ein Recht oder ein Rechtsverhältnis ist, ist nicht nur dann zulässig, wenn sie in einem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, sondern auch dann, wenn eine gesetzliche Regelung hierüber zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse gelegen oder wenn sie für eine Partei ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung ist und insofern im Interesse einer Partei liegt (vgl. etwa VfSlg. 6050/1969 und die dort angegebene Vorjudikatur; weiters VfSlg. 2376/1952, 2653/1954, 5766/1968, 6392/1971, 7455/1974, 8406/1978, 8803/1980, 9993/1984; für die hier maßgeblichen Fragen übereinstimmend die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, siehe etwa VwSlg. 1566 A/1950, 1932 A/1951, 2297 A/1951, 5305 A/1960, 8946 A/1975, 9662 A/1978).

Das Interesse der Partei an der Erlassung eines Feststellungsbescheides muß ein rechtliches sein. Der Feststellungsbescheid dient dazu, Rechte oder Rechtsverhältnisse zur Abwendung einer Rechtsgefährdung der Partei klarzustellen. Ein wirtschaftl (zB VfSlg. 8047/1977; VwSlg. 495 A/1948, 308 F/1950, 2451/80 vom 12.02.82), politisches (VwGH 65/78 vom 18.10.78) oder wissenschaftliches (zB VfSlg. 8951/1980; VwGH 2001/78, 578, 646, 647/79 vom 01.12.80) Interesse vermag die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht zu rechtfertigen.

Die Beschwerdeführerin wurde für die Dauer der Ausübung ihres Nationalratsmandates gemäß §17 Abs3 BDG 1979 außer Dienst gestellt. Ihr Antrag war auf die Feststellung gerichtet, daß §13 Abs6 GehG 1956 auf sie nicht anzuwenden sei. Er wurde damit begründet, daß diese Bestimmung wegen Widerspruches zum Gleichheitssatz (sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung eines bestimmten Personenkreises) und zu Art13 StGG verfassungswidrig sei.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt nicht erkennen, daß die Erlassung des von ihr begehrten Feststellungsbescheides erforderlich wäre, um eine ihr drohende Gefahr eines rechtlichen Nachteiles abzuwehren. Die bescheidmäßige Feststellung, daß §13 Abs6 GG 1956 auf die Beschwerdeführerin nicht anwendbar ist, hätte der Sache nach die Feststellung zum Inhalt, daß der Beschwerdeführerin ein bestimmter besoldungsrechtlicher Anspruch nicht zusteht. Eine bescheidmäßige Feststellung dieses Inhaltes wäre nicht geeignet, die Gefährdung eines subjektiven Rechtes der Beschwerdeführerin abzuwenden.

Im vorliegenden Fall ist ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Erlassung des von ihr begehrten Feststellungsbescheides schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht erkennbar. Da die Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides zudem weder gesetzlich vorgeschrieben noch erkennbar im öffentlichen Interesse gelegen ist - auch die Beschwerdeführerin hat weder das eine noch das andere behauptet - waren die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides nicht gegeben.

Wenn die Beschwerdeführerin mit ihrem Feststellungsantrag andere Ziele als die Abwehr der Gefährdung eines subjektiven Rechtes verfolgte, vermag dies nach dem Dargelegten einen Anspruch auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht zu begründen.

Die Behörde hätte den Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin wegen Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides zurückweisen müssen. Allerdings hätte die Zurückweisung des Antrages (anstatt seiner Abweisung) die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nicht verbessern können. Es kann daher im vorliegenden Fall dadurch, daß die Behörde, anstatt den Antrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen, in Verkennung der Rechtslage eine Sachentscheidung fällte, die Beschwerdeführerin nicht in einem subjektiven Recht verletzt worden sein (siehe VfSlg. 9452/1982, 9471/1982, 10042/1984; vgl. auch VwGH 753/67 vom 19.06.67; 1244/68 vom 14.2.69).

Damit fehlt ihr aber die Beschwer, um den an sie ergangenen Bescheid mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof anfechten zu können.

Die Beschwerde war somit mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

Entscheidungstexte

  • B 842/88
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 27.06.1988 B 842/88

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Bescheid, Feststellungsbescheid, Dienstrecht, Auslegung eines Bescheides, Bezüge, Bezüge für Mandatare

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B842.1988

Dokumentnummer

JFR_10119373_88B00842_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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