RS Vfgh 1988/6/29 G249/87, V151/87

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Veröffentlicht am 29.06.1988
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Index

L3 Finanzrecht
L3701 Getränkeabgabe, Speiseeissteuer

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
Stmk GetränkeabgabeG 1950 §3 Abs4
Grazer GetränkeabgabeO 1978 ArtI §5 Abs4
ABGB §1099

Leitsatz

Umfassende Haftung des Pächters für Abgabenschulden eines früheren Pächters gleichheitswidrig Getränke- und Speiseeisabgabeordnung der Landeshauptstadt Graz, ABl. 1/1979; nach Aufhebung ihrer gesetzlichen Grundlage durch den VfGH ohne gesetzliche Deckung iS des Art18 Abs2 B-VG

Rechtssatz

In §3 Abs4 des Stmk. GetränkeabgabeG, LGBl. Nr. 23/1950, werden die Worte "oder verpachtet", "bzw. Pächter" und "bzw. Verpachtung" als verfassungswidrig aufgehoben - Gleichheitswidrigkeit.

Die in Prüfung gezogene Regelung begründet eine Haftung des Pächters für Abgabenschulden des früheren Unternehmers und damit nach dem klaren Wortlaut des §3 Abs3 leg. cit. ("jeder, der abgabepflichtige Getränke entgeltlich an den Letztverbraucher abgibt") sowohl für Abgabenschulden des Verpächters, wenn dieser das Unternehmen vor der Verpachtung selbst betrieben hat, als auch für jene eines früheren Pächters. Sie begrenzt diese Haftung lediglich in zeitlicher Hinsicht, schränkt sie aber ihrem Inhalt nach nicht ein. So wird die Haftung auch nicht etwa bloß auf solche Fälle beschränkt, in denen ein Pächter durch die Pachtung ein Unternehmen in wirtschaftlicher Beziehung zur Gänze von einem Verpächter übernimmt und dieser seinen Betrieb aufgibt, in welcher Konstellation möglicherweise eine Pächterhaftung sachlich zu rechtfertigen wäre. Vielmehr normiert die in Prüfung stehende Vorschrift eine umfassende Haftung des Pächters, sogar für Abgabenschulden eines früheren Pächters, dies selbst dann, wenn zwischen dem Ende der Pacht des früheren Pächters und dem Beginn des aktuellen Pachtverhältnisses ein Zeitraum liegt, in dem das Unternehmen gar nicht betrieben wurde. Im Hinblick darauf geht auch der Versuch, die in Rede stehende Haftungsbestimmung mit einer anzunehmenden "unternehmerischen Einheit" zu rechtfertigen, ins Leere.

Aufhebung einiger Worte in §3 Abs4 Stmk. GetränkeabgabeG, der eine inhaltlich nicht eingeschränkte Haftung des neuen Pächters für die aus dem der Verpachtung vorangehenden Jahr aushaftenden Beträge normiert, als gleichheitswidrig.

Die Steiermärkische Landesregierung kann mit ihrem Hinweis auf §1099 ABGB nichts gewinnen, und zwar schon deshalb, weil sich diese Bestimmung lediglich auf das Verhältnis von Pächter und Verpächter und nur auf Lasten aus der verpachteten Sache während laufender Pachtverhältnisse bezieht und überdies als ius dispositivum für die Vertragspartner abdingbar ist. Wenn die Steiermärkische Landesregierung schließlich die in Prüfung stehende Regelung durch den Hinweis zu rechtfertigen sucht, daß der zur Zahlung herangezogene Pächter Ersatz fordern könne, so ist ihr entgegenzuhalten, daß die Möglichkeit zivilrechtlicher Regreßforderungen (die Folge der Zahlung fremder Schuld ist und daher nicht als Grund für eine Haftung für fremde Schulden dienen kann) für sich eine sachliche Rechtfertigung für die Ausdehnung von Haftungsbestimmungen im Steuerrecht nicht zu bieten vermag.

ArtI §5 Abs4 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 23.12.78, A8-423/12-1978, mit der die Getränke- und SpeiseeisabgabeO der Landeshauptstadt Graz neu erlassen wird, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 1/1979, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung der Grazer GetränkeabgabeO findet ihre (einzige) gesetzliche Grundlage in den aufgehobenen Worten des §3 Abs4 des Stmk. GetränkeabgabeG. Infolge dieser Aufhebung fehlt der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle eine gesetzliche Deckung, weshalb der Verfassungsgerichtshof sie im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG ebenfalls aufzuheben hatte (vgl. E v 27.06.86, V28/86).

ArtI §5 Abs4 der Grazer GetränkeabgabeO findet seine (einzige) gesetzliche Grundlage in den aufgehobenen Worten des §3 Abs4 des Stmk. GetränkeabgabeG. Infolge dieser Aufhebung fehlt der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle eine gesetzliche Deckung, weshalb der Verfassungsgerichtshof sie im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG ebenfalls aufzuheben hatte (vgl. E v 27.06.86, V28/86).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Getränkesteuer Steiermark, Zivilrecht, Mietenrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:G249.1987

Dokumentnummer

JFR_10119371_87G00249_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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