RS Vfgh 1988/6/30 B806/87

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Veröffentlicht am 30.06.1988
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
89. Übereinkommen der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe, BGBl 229/1950
Gesetz über die Nachtarbeit der Frauen (= FrNArbG)
BäckereiarbeiterG §9

Leitsatz

BG über die Nachtarbeit der Frauen; Nachtarbeitsverbot für Bäckereiarbeiterinnen Teil eines allgemeinen Verbotes der Frauennachtarbeit; Bedachtnahme des Gesetzgebers auf das international anerkannte Schutzbedürfnis der Frauen; in Übereinstimmung mit dem 89. Abkommen der Internationalem Arbeitsorganisation über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe keine Ausnahme für Backwarenerzeugungsbetriebe - keine Bedenken gegen §9 BäckereiarbeiterG im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz

Rechtssatz

Das Nachtarbeitsverbot für Bäckereiarbeiterinnen als solches ist nicht etwa auf die Eigenart der in Bäckereien anfallenden Arbeiten, sondern auf den allg Schutz der Frauen vor Nachtarbeit zurückzuführen und insofern nur Teil eines allgemeinen Verbotes der Frauennachtarbeit, das in unterschiedlichen Vorschriften verwirklicht wird. Den besonderen Erfordernissen des Bäckereibetriebes trägt es ua. dadurch Rechnung, daß es die Arbeit schon um fünf Uhr früh erlaubt (mit Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des Frauennachtarbeitsverbotes im nationalen und internationalen Recht).

In der Tat sind Zweifel möglich, ob ein Nachtarbeitsverbot gerade für Frauen ohne jede Rücksicht auf die Schwere der Arbeit gerechtfertigt ist. Es ist zwar unbestritten, daß die Nachtarbeit ungünstige Auswirkungen hat. Ob aber die Nachtarbeit als solche für Frauen nachteiliger ist als für Männer, steht nicht eindeutig fest. Zumindest ist einzuräumen, daß es auch beachtliche Gründe gegen eine solche Beschränkung der Erwerbstätigkeit von Frauen gibt. Andrerseits sind Frauen aber bei den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt doch (noch) häufig besonderem Druck zur Übernahme von Nachtarbeit ausgesetzt, da es ihnen diese ermöglicht, sich tagsüber häuslichen Angelegenheiten zu widmen. Die einschlägigen internat Übereinkommen von 1906 bis 1948 zeigen, daß die beteiligten Kreise das Verbot der Nachtarbeit zum Schutz der Frauen vor unerwünschten Folgen wirtschaftlicher Zwänge für dringend notwendig gehalten haben und noch halten. Die Vorteile dieses Schutzes gegen die Nachteile des Verbotes abzuwägen ist aber die wesentliche Aufgabe des Gesetzgebers. Er darf dabei insbesondere auch den Bestand internationaler Abkommen und die möglichen Auswirkungen ihrer Nichterfüllung oder Kündigung, auch im Hinblick auf die internationalen Bemühungen im Interesse der Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes in anderen Ländern mit in Betracht ziehen. Es ist daher nicht unsachlich, wenn er dem international anerkannten Schutzbedürfnis der Frauen Rechnung trägt. Den Gleichheitssatz verletzt §9 BäckArbG unter diesem Gesichtspunkt nicht.

Angesichts der Schwierigkeit, konkrete Arbeitsbedingungen mit den Lebensumständen einzelner Arbeitnehmer wertend abzuwägen, kann der Gesetzgeber die grobe Abgrenzung des 89. Übereinkommens der Konferenz der Internat Arbeitsorganisation über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe, BGBl. 229/1950, übernehmen; er kann also zwischen "gewerblichen Betrieben" iSd Übereinkommens und anderen (im Übereinkommen nicht beschriebenen) Bereichen unterscheiden, in denen insgesamt die Gefahr der Verwendung von Frauen zur Nachtarbeit weniger groß oder aber ihre Verwendung besonders dringlich ist.

Auf den beschränkten Geltungsbereich des Übereinkommens und die im Übereinkommen zugelassenen Ausnahmen nimmt auch das FrNArbG in zahlreichen Bestimmungen Bedacht. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte dauernde Bedarf an Arbeitskräften in Bäckereien für die frühen Morgenstunden kann keiner der im Übereinkommen zugelassenen Ausnahmen unterstellt werden und die in der Beschwerde vergleichend herangezogenen Ausnahmen von den Vorschriften des FrNArbG liegen außerhalb des Anwendungsbereiches des Übereinkommens. Wenn der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen für gewerbliche Betriebe und daher auch für Backwaren-Erzeugungsbetriebe keine Ausnahme vorsieht, die eine Früharbeit vor 5 Uhr (dem Ende der Zeitspanne von sieben Stunden ab dem frühestmöglichen Beginn um 10 Uhr) ermöglicht, kann ihm auch insoweit nicht Unsachlichkeit vorgeworfen werden.

Frauennachtarbeitsverbot in §9 BäckereiarbeiterG aufgrund des international anerkannten Schutzbedürfnisses der Frauen gerechtfertigt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Arbeitnehmerschutz / Nachtarbeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B806.1987

Dokumentnummer

JFR_10119370_87B00806_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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