RS Vfgh 1988/9/26 B951/88

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Veröffentlicht am 26.09.1988
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs1
StGB §§577 ff
GO für den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Salzburg §4
MRK Art6 Abs1
DSt 1872 §2, §2a
VStG 1950 §31
DSt 1872 §49 Abs4

Leitsatz

DSt; Nichtöffentlichkeit der mündlichen Verhandlung vor der OBDK nach §49 Abs4 verstößt nicht gegen Art6 MRK; keine Bedenken gegen §2a wegen unterschiedlicher Regelung der Verjährungsfrist im Vergleich zu StGB und VStG im Hinblick auf das Gleichheitsgebot; keine willkürliche Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen nicht unverzüglicher Ausfolgung erlegter Klientengelder

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §2a DSt 1872.

Von Verjährung kann keine Rede sein, da die objektive Verjährungsfrist nach §2a Abs1 Z2 DSt fünf Jahre beträgt.

Der Weigerung des Beschwerdeführers, das übernommene Geld im Hinblick auf eine offene Kostenforderung nicht bestimmungsgemäß auszufolgen, lag nicht bloß eine unrichtige, sondern eine unvertretbare Rechtsmeinung zu Grunde. Darüber, daß ein Rechtsanwalt Gelder oder Vermögenswerte, die ihm zu einem bestimmten Zweck übergeben und von ihm ohne Vorbehalt angenommen werden, weder bestimmungswidrig verwenden noch unter Berufung auf Kostenansprüche zurückbehalten darf, widrigenfalls er gegen eine gefestigte Standesauffassung verstößt, kann kein Zweifel bestehen.

Keine willkürliche Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen nicht unverzüglicher Ausfolgung bei ihm erlegter Klientengelder.

Kein Entzug des gesetzlichen Richters dadurch, daß im Disziplinarverfahren I. Instanz nicht der Präsidenten-Stellvertreter den Vorsitz führte.

Nichtöffentlichkeit der Verhandlungen vor der OBDK verstößt nicht gegen Art6 MRK (siehe E v 07.12.87, G145/87).

Was die Behauptung der Verfassungswidrigkeit des §2a DSt betrifft, zielt der Beschwerdeführer offenkundig darauf ab, daß ihm nach den allgemeinen Verjährungsfristen des StGB und des VStG die Rechtswohltat der Verjährung zugute käme. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich jedoch zu verfahrensrechtlichen Bedenken gegen §2a DSt nicht veranlaßt. Mit Erk. VfSlg. 10367/1985 verwarf der Verfassungsgerichtshof geäußerte Bedenken, soweit sie eine differenzierende Regelung zwischen unterschiedlichen Verfahren überhaupt für unzulässig hielten. In Vergleich zueinander sind - wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 10084/1984 bereits ausgesagt hat - "Regelungen unter dem Aspekt des Art7 Abs1 B-VG bloß insoweit zu bringen, als dem Gesetzgeber - in bestimmten Fragen - aus ganz besonderen Gründen auszuschließende Abweichungen (exzeptionellen Gewichts) verwehrt bleiben" (vgl. hiezu auch VfSlg. 8017/1977). Der Verfassungsgerichtshof kann aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles nicht finden, daß Gründe exzeptionellen Gewichts dem Gesetzgeber verwehrt hätten, die in Rede stehende vom StGB bzw. dem VStG abweichende Verjährungsregelung des §2a DSt zu erlassen, zumal während eines strafgerichtlichen Verfahrens wegen derselben Handlung kein Disziplinarerkenntnis gefällt werden kann (§16 Abs2 DSt).

Zu differenzierenden Regelungen zwischen unterschiedlichen Verfahrensarten (hier: unterschiedliche Verjährungsfristen im Disziplinarrecht der Rechtsanwälte - §2a DSt 1872 - und in §§57 ff StGB sowie §31 VStG).

Der Verfassungsgerichtshof kann aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles nicht finden, daß Gründe exzeptionellen Gewichts dem Gesetzgeber verwehrt hätten, die in Rede stehende vom StGB bzw. dem VStG abweichende Verjährungsregelung des §2a DSt zu erlassen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B951.1988

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2008
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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