Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
KrankenanstaltenG §49; Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; Vorführung des hochgradig erregten, stark alkoholisierten Bf. zum Amtsarzt und seine Einweisung in eine Krankenanstalt für Geisteskranke gesetzmäßig - keine Verletzung der persönlichen Freiheit; keine Verletzung des Rechtes auf Freiheit und Sicherheit iS des Art5 MRKRechtssatz
Zwangsweise Vorführung zum Amtsarzt und zwangsweise Einweisung in eine Krankenanstalt für Geisteskrankheiten gemäß Art144 Abs1
2. Satz B-VG bekämpfbar.
Eine gesetzliche Bestimmung iSd §4 des Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit ist auch §49 des KrankenanstaltenG (im folgenden: KAG), BGBl. 1/1957 (vgl. VfSlg. 10440/1985 und die dort zitierte Vorjudikatur), der die Aufnahme, Anhaltung und Entlassung von Geisteskranken in bzw. aus eine(r) Krankenanstalt regelt.
Aus der Regelung des §49 Abs4 KAG ergibt sich, daß eine Person durch Organe (Hilfsorgane) einer Bezirksverwaltungsbehörde und einer Bundespolizeibehörde zwangsweise, ohne mit dem Gesetz in Widerspruch zu geraten, auch zum Amtsarzt dieser Behörde gebracht werden darf, damit eine Untersuchung zum Zwecke der Ausstellung einer Bescheinigung gemäß §49 Abs1 KAG vorgenommen werden kann, wenn der Krankheitszustand und die besonderen Umstände eine sofortige Untersuchung erfordern (VfSlg. 4562/1963, 4924/1965, 7200/1973, 8180/1977). Nur dann also, wenn der aus der vermuteten Geisteskrankheit der Person erwachsenden Gefahr für ihre oder die Sicherheit anderer Personen im Hinblick auf den Krankheitszustand und die besonderen Umstände nicht anders als zunächst durch die sofortige zwangsweise Vorführung vor den Amtsarzt zum Zwecke der Vornahme der Untersuchung begegnet werden kann, darf diese Freiheitsbeschränkung vorgenommen werden; ansonsten ist sie gesetzwidrig.
Die Bescheinigung hat den im §49 Abs1 KAG vorgesehenen Inhalt. Somit waren die durch §49 Abs1 KAG geforderten Voraussetzungen für die zwangsweise Einweisung des Beschwerdeführers in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien gegeben. Sie entsprach dem Gesetz. Der Beschwerdeführer ist somit durch seine zwangsweise Vorführung zum Amtsarzt, durch seine Anhaltung bei der Behörde und durch seine daran anschließende zwangsweise Einweisung in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit nicht verletzt worden.
Vorführung zum Amtsarzt, Anhaltung, Einweisung ins Psychiatrische Krankenhaus.
Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht auf Freiheit und Sicherheit iSd Art5 MRK verletzt worden. Nach Art5 Abs1 zweiter Satz lite MRK darf nämlich einem Menschen die Freiheit auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn er sich in rechtmäßiger Haft befindet, weil er geisteskrank ist. Diese Ermächtigung zur Freiheitsbeschränkung bezieht sich auch auf alle jene Maßnahmen, die gesetzmäßigerweise dazu dienen, entscheiden zu können, ob eine Haft wegen Geisteskrankheit rechtmäßigerweise verhängt werden darf (VfSlg. 7200/1973).
Schlagworte
Krankenanstalten, Einweisung zwangsweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1119.1987Dokumentnummer
JFR_10119074_87B01119_01