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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; VStG §35 lita, §36 Abs1; vertretbare Annahme der Verwaltungsübertretung nach ArtVIII, 2. Begehungsfall, EGVG - Lärmerregung; infolge Betreten auf frischer Tat und mangelnder Ausweisleistung Festnahme nach §35 lita VStG gesetzmäßig; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch ungerechtfertigt lange Dauer der Anhaltung - keine unverzügliche Übergabe des festgenommenen Beschwerdeführers an die iS des §36 Abs1 VStG zuständige BehördeRechtssatz
Mit Polizeizwang vor sich gehende Effektenabnahme gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG bekämpfbar; Zulässigkeit der Beschwerde.
Da der Beschwerdeführer heftig und andrängend gestikulierte, sehr lautstark umherschrie, und - obwohl dem Polizeibeamten unbekannt - sich nicht auszuweisen vermochte, wurde er schließlich ua. in Handhabung des §35 lita VStG 1950 an Ort und Stelle festgenommen.
War daher die (Tat-)Beurteilung als Verwaltungsdelikt vertretbar und lag - wie hier - infolge Betretung auf frischer Tat und mangelnder Ausweisleistung (unter den näheren Voraussetzungen des §35 lita VStG 1950) der geltend gemachte Festnehmungsgrund vor - der damals völlig ausweislose (auch keinen Führerschein bei sich tragende) Verdächtige war dem Polizeibeamten unbekannt, seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar (: sein Reisepaß befand sich in der Wohnung) - entsprach die bekämpfte Amtshandlung (Festnehmung) dem Gesetz.
Keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit.
Auf den ebenfalls herangezogenen Festnehmungsgrund des §35 litc VStG 1950 vermag sich die belangte Behörde nicht mit Grund zu berufen, weil hier eine für den (die deutsche Sprache nicht beherrschenden) Verdächtigen verständliche, förmliche "Abmahnung" fehlt, wie sie einer Festnahme iS dieser Gesetzesstelle zwingend vorauszugehen hat.
Effektenabnahme im Gefolge einer rechtmäßigen Festnahme.
Der Beschwerdeführer hätte jedoch bei Beobachtung der in Haftsachen gebotenen und unerläßlichen Schnelligkeit - nach Beschaffenheit dieses in einer Großstadt spielenden Falles - spätestens um 22 Uhr 00 (: zu diesem Zeitpunkt hätte der Reisepaß der Behörde bereits vorliegen können) aus der Haft entlassen werden müssen. Der Verdächtige befand sich rechtmäßig nur aus dem Festnehmungsgrund des §35 lita VStG 1950 in Haft: Mit Feststellung seiner Identität durch Einsichtnahme in den Reisepaß wäre dieser Festnehmungsgrund entfallen und die Entlassung - in Anwendung des §36 Abs1 VStG 1950 - unverzüglich anzuordnen gewesen.
Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit.
Vertretbare Annahme der Lärmerregung iSd ArtVIII EGVG 2. Fall; mangelnde Ausweisleistung; Festnehmung daher gerechtfertigt; jedoch ungerechtfertigte Verzögerung bei der Identitätsfeststellung und daher bei Entlassung aus der Haft.
Angesichts der konkreten Sachlage war eine hinreichende Klärung der maßgebenden Vorfälle und damit ein Nachweis der behaupteten Menschenrechtsverletzungen nicht möglich.
hier: Behauptung erniedrigender Behandlung iSd Art3 MRK
Entscheidungstexte
Schlagworte
Polizeirecht, LärmerregungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1010.1986Dokumentnummer
JFR_10119074_86B01010_01