Index
15 Unabhängigkeitserklärung, Rechtsüberleitung, ÜbergangsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Vorläufige Verfassung 1945; Behörden-ÜberleitungsG; OstmarkG;Land OÖ als Rechtsnachfolger des Reichsgaus Oberdonau zurAntragstellung auf Aufhebung eines Enteignungserkenntnisses ausdem Jahre 1939 berechtigt; Entzug des gesetzlichen Richters durchunrechtmäßige Verweigerung einer SachentscheidungRechtssatz
Auch den auf das EisbEG 1878 gestützten, durch die beiden Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21.06.39 verfügten Enteignungen haftet der Vorbehalt an, daß sie erst endgültig wirksam sind, wenn der vom Gesetz als Enteignungsgrund normierte und in den Enteignungserkenntnissen präzisierte öffentliche Zweck verwirklicht ist, daß sie aber rückgängig zu machen sind, wenn dieser Zweck nicht verwirklicht wird. Diese Verpflichtung zur Rückgängigmachung der Enteignung über Antrag des Enteigneten besteht auch außerhalb des und zusätzlich zum - verfassungskonform auszulegenden - §37 EisbEG 1954.
Wenn dem auf den seinerzeitigen Enteignungsakten beruhenden Eigentum "die öffentlich-rechtliche Widmung für die Verwirklichung der auf Grund der angewendeten Normen im Enteignungsbescheid konkretisiert angeführten Zwecke immanent" (so VfSlg. 8981/1980, S 374) ist, so ändert daran auch die Übertragung solcher seinerzeit im Wege der Enteignung zur Verfügung gestellten deutschen Vermögenswerte auf die Republik Österreich durch den Staatsvertrag vom 15.05.55, BGBl. 152/1955, nichts (wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 8981/1980, S 374 f, eingehend begründete).
Der Gerichtshof hat bereits in VfSlg. 8981/1980 (S 378) ausgesprochen, daß für die Aufhebung des Enteignungsbescheides die Behörde zuständig ist, "der im Zeitpunkt der Aufhebung die Zuständigkeit für die Erlassung des Enteignungsbescheides zukäme (vgl. VfSlg. 7271/1974)".
Wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls in VfSlg. 8981/1980 bereits feststellte, muß "ein Verfahren, das die Aufhebung des Enteignungsbescheides zum Gegenstand hat, ... mit denselben Parteien geführt werden. Ist inzwischen auf Seiten einer Partei oder beider Parteien eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten, treten die Gesamtrechtsnachfolger als Parteien ein" (S 379). Für den beschwerdegegenständlichen Fall entscheidend ist sohin, ob das Land Oberösterreich seinerzeit von der Enteignung betroffener Eigentümer (Enteigneter) und daher Partei war. Ist das Land Oberösterreich durch die Enteignungserkenntnisse vom 21.06.39 hingegen nicht betroffen worden, so ist weiter zu prüfen, ob das Land Oberösterreich als Gesamtrechtsnachfolger des seinerzeit Enteigneten anzusehen ist und insofern die Parteistellung in einem Verfahren auf Aufhebung der seinerzeitigen Enteignungen genießt.
Zum Zeitpunkt der Erlassung der Enteignungserkenntnisse vom 21.06.39 war Grundeigentümer der von der Enteignung erfaßten Grundstücke des seinerzeitigen Landes Oberösterreich nicht mehr dieses, sondern kraft §14 Abs2 OstmarkG bereits der Reichsgau Oberdonau. Unabhängig von der weiteren rechtlichen Existenz des Landes Oberösterreich war sohin Enteigneter und als solcher Partei des Enteignungsverfahren ausschließlich der Reichsgau Oberdonau. Das Land Oberösterreich besaß sohin weder Parteistellung im seinerzeitigen Enteignungsverfahren der Landeshauptmannschaft Oberdonau, noch kann es gestützt darauf eine Antragsbefugnis auf Aufhebung der seinerzeitigen, gegenüber dem Reichsgau Oberdonau bewirkten Enteignungen für sich in Anspruch nehmen. Der Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung der seinerzeitigen Enteignungen durch Aufhebung der betreffenden Teile der Enteignungserkenntnisse und die entsprechende Antragslegitimation kam insoweit ausschließlich dem mittlerweile rechtlich nicht mehr existenten (vgl. die Aufhebung des OstmarkG durch Art3 Z2 V-ÜG 1945) Reichsgau Oberdonau zu (mit ausführlichen Erläuterungen zu den Rechtswirkungen des OstmarkG).
Die staatsrechtlichen Unterschiede zwischen den seinerzeitigen Reichsgauen des Deutschen Reiches bis 1945 und den heutigen Ländern der Republik Österreich bilden kein zureichendes Argument, eine Rechtsnachfolge dieser nach jenen insoweit zu verneinen, als die Gaue ihrerseits Vermögenswerte von den Ländern übernommen hatten. Ihre unterschiedliche Stellung als Hoheitsträger schließt keinesfalls aus, daß die österreichischen Länder Rechtsnachfolger nach den Reichsgauen als Träger von Privatrechten wurden. Entscheidend für die Bejahung der Rechtsnachfolge der heutigen Länder nach den seinerzeitigen Reichsgauen ist vielmehr ausschließlich die österreichische Rechtsordnung nach 1945. Diese läßt aber, wie der Verwaltungsgerichtshof in VwSlg. 5075 A/1959 zu Recht unter Hinweis auf §2 der Vorläufigen Verfassung 1945, StGBl. 5, und auf §7 BehÜG, StGBl. 94/1945, dargetan hat, erkennen, daß die einzelnen Länder als Rechtsträger mit einem auf das jeweilige Landesgebiet beschränkten Hoheitsbereich (Gebietskörperschaften) jedenfalls die vermögensrechtliche Nachfolge nach dem auf einer jeweils analogen gebietlichen Grundlage durch §2 OstmarkG eingerichteten Reichsgauen als Selbstverwaltungskörperschaften antreten sollten.
Unter diese Reichsgauselbstverwaltung iSd §7 BehÜG 1945 fiel jedenfalls die Wahrnehmung der von den österreichischen Ländern im Jahre 1939 kraft §14 Abs2 OstmarkG übernommenen, gebietsbezogenen Rechte und Pflichten, sodaß zumindest insoweit die österreichischen Länder als Träger von Privatrechten wiederum Rechtsnachfolger der seinerzeitigen Reichsgaue sind.
Ist das Land Oberösterreich Rechtsnachfolger des seinerzeitigen Reichsgaus Oberdonau (zumindest soweit es um Rechte und Pflichten geht, die der Reichsgau vom Land Oberösterreich im Jahre 1939 übernahm), so steht ihm auch die Befugnis zu, die Aufhebung der Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21.06.39, insoweit zu beantragen, als durch diese Enteignungserkenntnisse Grundstücke des Reichsgaus Oberdonau enteignet worden waren. Diese Antragsbefugnis und die daraus folgende Parteistellung des Landes Oberösterreich wird durch §37 EisbEG 1954 nicht berührt, weil diese gesetzliche Bestimmung verfassungskonform gedeutet einen tatbestandlich darüber hinausreichenden Antrag auf Rückgängigmachung einer Enteignung nicht verhindert (VfSlg. 8982/1980).
Unabhängig von der Geltung und vom Inhalt etwaiger zivilrechtlicher Vereinbarungen, die der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen hatte, besitzt das Land Oberösterreich als Rechtsnachfolger des seinerzeitigen Reichsgaus Oberdonau jedenfalls das Recht zur Antragstellung auf Aufhebung der seinerzeitigen Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21.06.39 insoweit, als dadurch Grundstücke des Reichsgaus Oberdonau enteignet wurden. Daraus ergibt sich (analog E v 04.12.86, B227/85), daß die belangte Behörde als Berufungsbehörde über den Antrag des Beschwerdeführers, die Enteignungserkenntnisse der Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21.06.39 aufzuheben, zumindest insoweit eine Sachentscheidung zu fällen gehabt hätte, als dadurch Grundstücke des Reichsgaus Oberdonau enteignet wurden. Das beschwerdeführende Land Oberösterreich ist daher durch die gänzliche Zurückweisung seines Antrages vom 09.04.81 im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Schlagworte
Enteignung, Behördenzuständigkeit, Verwaltungsverfahren,Parteibegriff Rechtsüberleitung, Hoheitsverwaltung,Privatwirtschaftsverwaltung, SelbstverwaltungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B347.1987Zuletzt aktualisiert am
30.12.2008