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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Statut der Landeshauptstadt Graz 1967 idF der Nov. LGBl. 11/1985; rückwirkend verfügte Herabsetzung der Bemessungsgrundlage für Ruhe- und Versorgungsgenüsse; keine Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitsgebotes; Fehlen gesetzlicher Anordnungen hinsichtlich der Behandlung eines entstandenen Übergenusses - verfassungskonforme Auslegung iS einer Übernahme der bundesgesetzlichen Regelungen, da diesen in weiten Bereichen des Landesrechtes bereits Geltung verschafft wurde; denkunmögliche Gesetzesanwendung durch Feststellung eines Übergenusses - für den Zeitraum vor der Kundmachung des zur Verminderung des Anspruches führenden Gesetzes ist iS des §13a GehaltsG 1956 Gutgläubigkeit beim Empfang der Geldleistung anzunehmen; Verletzung des EigentumsrechtesRechtssatz
Keine Bedenken gegen §39a Abs1 Grazer Statut 1967 hinsichtlich des Schutzes wohlerworbener Rechte (vgl. hingegen E v 18.03.87, G255/86 ua.).
Der 40%ige Auslagenersatz wurde überhaupt nur während eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes von rund vier Jahren gewährt. Dazu kommt noch, daß eine unter dem Titel des Auslagenersatzes empfangene Zuwendung von ihrer deklarierten Funktion her dem Amtseinkommen im eigentlichen Sinn nicht gleichgehalten werden kann. Erscheint die Regelung aber in Ansehung der Ruhebezüge der Stadtsenatsmitglieder als verfassungsrechtlich unbedenklich, so trifft dies auch für die von diesen Bezügen abgeleiteten Versorgungsgenüsse ihrer Hinterbliebenen zu.
Wenn der Landesgesetzgeber für das Inkrafttreten von Anordnungen, mit denen eine laufende, monatliche Geldleistung der öffentlichen Hand herabgesetzt wird, einen nahe dem Zeitpunkt der Fassung des Gesetzesbeschlusses liegenden späteren Termin wählt oder sogar einen solchen, der (wie im vorliegenden Fall: einige Tage) vor der Beschlußfassung liegt, so nimmt er hiedurch das Entstehen von Übergenüssen notwendig in Kauf. Denn der Landesgesetzgeber muß einerseits damit rechnen, daß die Kundmachung im LGBl. - insbesondere bedingt durch das Verfahren nach Art98 B-VG, das Erfordernis der Beurkundung sowie durch manipulative Umstände wie etwa die Drucklegung - erst mehrere Wochen nach der Fassung des Gesetzesbeschlusses vorgenommen wird, und andererseits damit, daß die dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip verpflichteten Vollzugsorgane bis zur Kundmachung der Novelle die Geldleistungen in der nicht verminderten Höhe anweisen. Die so vom Gesetzgeber geschaffene Lage ist unter dem Aspekt des Art18 Abs1 B-VG regelungsbedürftig. Soll nämlich eine am Gesetz ausgerichtete Vollziehung möglich sein, so sind nicht nur der Rückforderungsanspruch nach Art einer Kondiktion an sich, sondern auch seine näheren Einzelheiten festzulegen; hiezu sei nebenher angemerkt, daß solche Vorschriften allerdings insbesondere dem Gleichheitsgebot zu entsprechen hätten. Unterläßt der Landesgesetzgeber solche Festlegungen, so erscheint seine gesamte Regelung über die Rückwirkung als verfassungswidrig.
Im Zweifel ist dem Gesetzgeber ein verfassungswidriges Vorgehen nicht anzulasten, sondern zu prüfen, ob das Regelungsdefizit durch das sinngemäße Heranziehen einschlägiger Gesetzesbestimmungen ausgeglichen werden kann.
Die Gesetzeslage im steiermärkischen Landesrecht zeigt, daß die §13a GehaltsG 1956 und §39 PensionsG 1965 inhaltlich entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften (ds.: §2 Abs1 Stmk. LandesbeamtenG; §77a Grazer Dienst- und GehaltsO; §33a Stmk. GemeindebedienstetenG; §§27,37 Stmk. BezügeG) sehr weite Bereiche umfassen; dem Landesgesetzgeber kann daher durchaus die Absicht zugeschrieben werden, die im Bundesrecht entwickelten Grundsätze für die Behandlung von Übergenüssen bei bestimmten Geldleistungen der öffentlichen Hand allgemein zu übernehmen und sie auch dort gelten zu lassen, wo eine von Verfassungs wegen gebotene Regelung von ihm nicht ausdrücklich getroffen worden ist.
Das Erkenntnis des VwGH Z82/12/0007 vom 11.04.83 beruht auf der aus §13a GehaltsG 1956 abgeleiteten Rechtauffassung, daß Gutgläubigkeit beim Empfang eines Übergenusses nicht abgesprochen werden kann, wenn das zur Verminderung des Anspruchs führende Gesetz erst nach dem Empfang des Übergenusses kundgemacht wurde. Der Verfassungsgerichtshof pflichtet dieser Auffassung bei. Auf den vorliegenden Beschwerdefall bezogen, bedeutet dies unter Berücksichtigung der vorhin angestellten Erwägungen, daß der belangte Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz bei der Handhabung des Stadtstatuts insoweit von einer verfassungswidrigen Rechtsansicht ausging, als er zur Rückzahlung eines Übergenusses verpflichtete, der dem Zeitraum zwischen dem rückwirkenden Inkrafttreten der Novelle LGBl. 11/1985 (01.11.84) und deren Kundmachung (13.02.85) entspricht, also der Bezugsdifferenz der Monate November 1984 bis einschließlich Feber 1985.
Eine nicht verfassungskonforme Auslegung ist einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung gleichzuhalten (siehe etwa VfSlg. 8011/1977 mit Bezugnahme auf VfSlg. 5683/1968). Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführer daher in seinem die Feststellung des Übergenusses betreffenden Teil im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.
Feststellung eines Übergenusses durch nicht verfassungskonforme Auslegung der Wirkungen der Novelle 11/1985 zum Grazer Statut 1967; Gutgläubigkeit iSd §13a GehG 1956 ist anzunehmen, wenn das zur Verminderung des Anspruchs führende Gesetz erst nach dem Empfang des Übergenusses kundgemacht wurde.
Der Bescheid des Gemeinderates, welcher eine inhaltliche nicht trennbare Einheit bildet (- im ersten (aus dem Bescheid des Stadtsenates ebenfalls übernommenen) Teil wird nicht etwa die Höhe des Versorgungsgenusses ab 01.11.84, sondern der auszuzahlende Versorgungsgenuß festgestellt -), war zur Gänze aufzuheben.
Schlagworte
Rechte wohlerworbene, Bezüge, Gesetz, VfGH / Prüfungsmaßstab, Auslegung verfassungskonforme, Dienstrecht, Bescheid Trennbarkeit, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B887.1985Dokumentnummer
JFR_10118997_85B00887_01