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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchVersagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung einesRechtserwerbs aufgrund Nutzung als Freizeitwohnsitz; kein Entzug desgesetzlichen Richters, Vorliegen eines land- undforstwirtschaftlichen Grundstücks; keine Willkür; zulässigeBerücksichtigung raumplanerischer Gesichtspunkte; kein Widerspruchder grundverkehrsrechtlichen Genehmigungspflicht zumGemeinschaftsrechtSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 15.10/3.11.1999 erwarb die
beschwerdeführende Gesellschaft eine aus dem Grundstück 1975/1 EZ 2202 GB K-Land ausgeschiedene Teilfläche im Ausmaß von 682 m², die mit einem bereits im Eigentum der Käuferin stehenden Grundstück im Ausmaß von 705 m² samt darauf errichteten Wohnhaus vereinigt wurde. Der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission, eingerichtet bei der Bezirkshauptmannschaft K, stellte mit Bescheid vom 29. März 2000 fest, daß der Rechtserwerb gemäß §5 Abs1 litd Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (kurz: TGVG) keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedarf.
2. Gegen diese Entscheidung erhob der Landesgrundverkehrsreferent Berufung und führte aus, dass das Teilstück mit 682 m² nicht als geringfügige Fläche bzw. Restfläche zu qualifizieren sei; zudem werde das Objekt der beschwerdeführenden Gesellschaft als Freizeitwohnsitz genutzt und es erscheine aus raumordnerischen Überlegungen unvertretbar, einen Freizeitwohnsitz mit weiteren Flächen auszustatten. Somit lägen die Voraussetzungen nach §5 Abs1 litd TGVG nicht vor.
3. Mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 15. September 2000 wurde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten Folge gegeben und der Bescheid wegen Unzuständigkeit der Erstinstanz behoben.
Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung: Zutreffend sei die Erstinstanz davon ausgegangen, daß es sich beim Grundstück um ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §2 Abs1 TGVG handle. Anknüpfend daran sei davon auszugehen, daß das vorliegende Rechtsgeschäft grundsätzlich der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde nach §4 Abs1 lita TGVG bedarf. Eine Ausnahme sei allerdings durch §5 Abs1 litd leg. cit. normiert, wonach der Rechtserwerb an Grundstücken, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder ihrer geringen Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung seien, nicht der Genehmigung nach §4 TGVG bedürfe, sofern die vorgesehene Verwendung nicht im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung stehe. Das ergänzende Ermittlungsverfahren habe nun zwar ergeben, daß der nördliche kleinere dreieckförmige Teil des Kaufgrundstücks als befestigter Vorplatz zum Wohnhaus der Käuferin und der südliche dreieckigförmige Teil seit Jahren als räumlich abgetrennte Gartenfläche bzw. Liegewiese zu diesem Wohnhaus genutzt werde, eine landwirtschaftliche Nutzung seit Jahren nicht mehr erfolge und es sich beim Kaufobjekt um eine für die Landwirtschaft unbedeutende Fläche handle, doch vertrete die Landes-Grundverkehrskommission die Ansicht, daß in diesem Fall kein Ausnahmetatbestand nach §5 Abs1 litd TGVG vorliege. Dem Landesgrundverkehrsreferenten sei nämlich beizupflichten, daß durch diesen Rechtserwerb ein Grundstück mit einem bereits bestehenden Freizeitwohnsitz im Ausmaß von 705 m2 um eine weitere - als Freiland gewidmete - Fläche von 682 m2 vergrößert werde. Eine solche Flächenausstattung (insgesamt sohin 1387 m2) eines Freizeitwohnsitzes stehe nach Ansicht der Berufungsbehörde in einem eindeutigen Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung. Dazu komme, dass erst durch den Verkauf der Teilfläche des Grundstücks 1975/1 eine Riemenparzelle entstehe, die eine zweckmäßige Verwendung kaum mehr zulasse. Auch unter diesem Gesichtspunkt und in Anbetracht der nicht unerheblichen Kosten, die zur Beseitigung solcher ungünstigen Grundstücksformen jährlich durch die öffentliche Hand ausgegeben würden (zB in Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahren), widerspreche der Rechtserwerb jedenfalls den Zielen der örtlichen Raumordnung. Es fehle demzufolge an den Voraussetzungen iSd §5 Abs1 litd TGVG, was wiederum die Unzuständigkeit des Vorsitzenden der Bezirks-Grundverkehrskommission zur Folge habe.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Zur Gegenschrift haben die beschwerdeführende Gesellschaft wie auch die Verkäufer als mitbeteiligte Parteien Stellung genommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft wirft der belangten Behörde zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vor.
Die belangte Behörde habe die Grundfläche ungeprüft als ein "land- und forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne der Bestimmung des §2 Abs1 TGVG" behandelt und daran anknüpfend das Vorliegen des Genehmigungstatbestandes nach §5 Abs1 litd leg. cit. verneint. Die belangte Behörde hätte prüfen müssen, ob überhaupt die grundsätzliche Genehmigungspflicht vorliege, weil die Verneinung des genannten Ausnahmetatbestandes voraussetze, dass die Grundfläche unter die Begriffsbestimmung des §2 Abs1 TGVG falle und das Rechtsgeschäft prinzipiell genehmigungspflichtig sei.
Weiters habe die belangte Behörde verkannt, dass im Zusammenhang mit der örtlichen Raumplanung stehende Beurteilungen gemäß Art118 Abs3 Z9 B-VG in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fielen; dies habe die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen und somit durch ihre Entscheidung das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.
1.2. Die belangte Behörde habe auch das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Es handle sich bei der Begründung des angefochtenen Bescheides um eine Scheinbegründung, also um Willkür, da jede Definition der Ziele der örtlichen Raumordnung im konkreten Falle fehle. Ebenso wenig habe die belangte Behörde konkretisiert, warum eine Gesamt-Grundstücksfläche von 1387 m² für einen Freizeitwohnsitz der örtlichen Raumordnung widersprechen solle. Die ungünstige Grundstücksform habe schon lange vor der Teilung bestanden; auch sei es denkunmöglich, die Frage der Bedeutungslosigkeit als land- und forstwirtschaftliches Grundstück in die "Ziele der örtlichen Raumordnung" einzubeziehen. Unbegründet und im Widerspruch mit den Ergebnissen des durchgeführten Verfahrens stehe schließlich auch die Ansicht der belangten Behörde, zur Beseitigung der durch die Teilung geschaffenen ungünstigen Grundstücksform würden der öffentlichen Hand nicht unerhebliche Kosten entstehen.
2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/83), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/85, 13280/92).
Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat die belangte Behörde auf der Grundlage eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens ausdrücklich festgehalten, dass es sich beim Grundstück 1975/1 um ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §2 Abs1 TGVG handelt. Auch die Beschwerdeführerin ist im Übrigen bei ihrer Anzeige gemäß §23 TGVG vom Vorliegen eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks iSd genannten Gesetzesbestimmung ausgegangen; sie hat die Voraussetzung auch im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen.
Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist es weiters verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn eine andere als eine Behörde auf Gemeindeebene auch raumplanerische Gesichtspunkte mitberücksichtigt (vgl. zB VfSlg. 12174/1989 und 15232/1998). §5 Abs1 litd TGVG sieht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ausdrücklich vor, dass die Ziele der örtlichen Raumordnung zu berücksichtigen sind. Insoweit besteht jedenfalls eine Zuständigkeit der Behörde.
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde somit durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
2.2. Bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsvorschrift könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur vorliegen, wenn die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988).
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einem gehäuften Verkennen der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem außer acht lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
Dies ist der belangten Behörde nicht vorzuwerfen, ist doch der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein - aus verfassungsrechtlicher Sicht - nicht zu beanstandendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen. Der Bescheid kann sich daher verfassungsrechtlich unbedenklich auf den Akteninhalt und den ermittelten Sachverhalt stützen. Über Sachverhalt und Akteninhalt bestehen im Wesentlichen zwischen belangter Behörde und beschwerdeführender Gesellschaft auch keine maßgeblichen Divergenzen; vielmehr betreffen die Meinungsunterschiede die rechtliche Würdigung des gesamten Sachverhaltes. Dass dieses Ergebnis aus der Sicht der beschwerdeführenden Gesellschaft unbefriedigend sein mag, indiziert nicht willkürliches Verhalten der Behörde (VfSlg. 13165/92, 13385/93, 13937/1994). Wenn auch aus dem auf Berufungsebene eingeholten Erhebungsbericht hervor geht, dass es sich bei der kaufgegenständlichen Fläche um "eine für die Landwirtschaft unbedeutende Restfläche" handelt, ist damit für die Beschwerdeführerin noch nichts gewonnen. Denn für die Anwendung des Ausnahmetatbestandes nach §5 Abs1 lite TGVG ist eine weitere Voraussetzung, dass die Verwendung des Grundstückes nicht im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung steht. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die belangte Behörde im Wesentlichen mit der Begründung verneint, schon die Erweiterung eines an sich genehmigten Freizeitwohnsitzes mit einer Grundfläche von 705 m² um eine als Freiland gewidmeten Grundfläche im Ausmaß von 682 m² unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die nach Verkauf der Teilfläche verbleibende Grundstücksform eine zweckmäßige Verwendung kaum mehr zulasse, widerspreche angesichts der Bodenknappheit in Tirol den Zielen der ("die sparsame und zweckmäßige Nutzung des Bodens anstrebenden", §27 Abs1 iVm §1 Abs2 lita TROG 1997) örtlichen Raumordnung. Ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler kann der belangten Behörde insoweit nicht angelastet werden.
3. Der Verfassungsgerichtshof kann entgegen dem Vorbringen der mitbeteiligten Parteien nicht finden, dass die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewandt hat. Die mitbeteiligten Parteien machen geltend, laut Legaldefinition des §15 Abs1 TGVG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung kommen als Freizeitwohnsitze "Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden" in Betracht, weshalb die Annahme der belangten Behörde denkunmöglich sei, der in Rede stehende Erwerb würde die Zahl der Freizeitwohnsitze vermehren oder den bereits genehmigten Freizeitwohnsitz der Käuferin vergrößern. Überdies finde sich im Gesetz kein Anhaltspunkt, dass ein Freizeitwohnsitz nicht mit mehr als 705 m2 Grundfläche ausgestattet sein dürfe.
Dem ist zu erwidern, dass die belangte Behörde nicht von einer irrigen Auslegung des Begriffs der Freizeitwohnsitzes gemäß §15 Abs1 TROG ausgegangen ist, sondern unter dem Gesichtspunkt der Ziele der Raumordnung dargetan hat, dass die Ausstattung eines Freizeitwohnsitzes mit (zusätzlicher) Grundfläche in dieser Größenordnung unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten den gesetzlichen Vorgaben widerspricht.
4. In ihrer Replik bringt die beschwerdeführende Gesellschaft, gestützt auf EuGH 1.6.1999, Rs. C302/97, Konle, Slg. 1999, I - 2157, ergänzend vor, die allgemeine Genehmigungspflicht des §4 TGVG verstoße gegen die Grundsätze des freien Kapitalsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit.
Abgesehen davon, dass kein Gemeinschaftsbezug besteht, ist diesem Vorbringen die Entscheidung EuGH 23.9.2003, Rs. C-452/01, Ospelt, entgegenzuhalten, nach der die Genehmigungspflicht bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken unbedenklich ist.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Gesellschaft in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.
6. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15278/1998, 16358/2001)
III. 1. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Raumordnung, Behördenzuständigkeit, EU-Recht, Grundverkehrsrecht,Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Wohnsitz Freizeit-European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1805.2000Zuletzt aktualisiert am
13.08.2010