TE Vfgh Beschluss 2004/6/21 B556/04

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Veröffentlicht am 21.06.2004
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §34
VfGG §82 Abs3
ZPO §146 Abs1
ZPO §530 Abs1 Z7

Leitsatz

Abweisung von Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Zurückweisung einer Beschwerde wegen nicht behobenen Mangels eines formellen Erfordernisses (Nichtvorlage des angefochtenen Bescheides)

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der im hg. Verfahren B1475/03 gesetzten Frist zur Vorlage des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens B1475/03 wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die - anwaltlich nicht vertretene - Gesellschaft mbH erhob mit Schriftsatz vom 4. November 2003, eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am 5. November 2003, Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom 3. Oktober 2003, GZ RV/2208-W/02; unter einem wurde die Bewilligung der Verfahrenshilfe, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie (in eventu) die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

Mit hg. Verfügung vom 16. Dezember 2003 wurde die einschreitende Gesellschaft - unter Hinweis auf die bei Säumnis eintretenden Folgen - aufgefordert, den bekämpften Bescheid vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 16. Jänner 2004 legte die Gesellschaft - neben zahlreichen anderen Unterlagen - den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom 24. Juli 2003, GZ RV/2208-W/02, vor.

Mit Beschluss vom 24. Februar 2004, B1475/03-2, wies der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde der Gesellschaft wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid zurück; die übrigen Anträge wurden abgewiesen.

2. Mit Schriftsatz vom 28. April 2003 (gemeint wohl: 2004), beim Verfassungsgerichtshof am 30. April 2004 eingelangt, stellt die (wiederum anwaltlich nicht vertretene) einschreitende Gesellschaft mbH einen "Antrag auf Wiedereinsetzung oder Wiederaufnahme in den vorigen Stand".

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, der im Verfahren B1475/03 vorgelegte Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom 24. Juli 2003 sei lediglich ein "Fragenvorhalt" gewesen. Ein Studium des Aktes der Finanzverwaltung hätte gezeigt, dass die Gesellschaft hiezu eine Stellungnahme erstattet habe, die aber im letztlich ergangenen (nach dem Willen der einschreitenden Gesellschaft angefochtenen) Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom 3. Oktober 2003 nicht berücksichtigt worden sei.

Wörtlich heißt es sodann:

"Da die Partei nicht annehmen konnte, daß der Verfass[ung]sgerichtshof nicht einmal den bezughabenden Akt b[ei]schaffen kann oder [w]ill[,] so ist diese Ent[sch]eidung für die Partei vollkommen überraschen[d] und wird die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Ablehnung der involvierten Richter begehrt ...".

Diesem Schriftsatz ist der Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom 3. Oktober 2003, GZ RV/2208-W/02, angeschlossen, mit dem die Berufung der einschreitenden Gesellschaft mbH gegen einen näher bezeichneten Bescheid des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien gemäß §275 BAO als zurückgenommen erklärt wurde.

3. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988).

Die Annahme, es sei als "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" iS des §146 Abs1 ZPO (§§33, 35 Abs1 VfGG) zu werten, dass der Verfassungsgerichtshof in dem zu B1475/03 geführten Verfahren davon abgesehen hat, die Akten des Finanzverfahrens anzufordern (und sich so Kenntnis vom Inhalt des bekämpften Bescheides zu verschaffen), verbietet sich schon deshalb, weil der Gerichtshof die antragstellende Gesellschaft aufgefordert hatte, eben diesen Bescheid - wie in §82 Abs3 VfGG vorgeschrieben - vorzulegen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der im Verfahren B1475/03 mit hg. Verfügung vom 16. Dezember 2003 gesetzten Frist zur Vorlage des angefochtenen Bescheides war daher schon aus diesem Grund abzuweisen.

4. Gemäß §530 Abs1 Z7 ZPO (§35 Abs1 VfGG) kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, "wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde".

Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein:

Die antragstellende Gesellschaft bringt (neben umfangreichen Polemiken, die sich teils auf das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, teils auf zahlreiche andere Verfahren beziehen, und nach allgemeinen Ausführungen zum Begriff des Wiederaufnahmsgrundes) als Grund für ihren Wiederaufnahmsantrag nur vor, sie habe nicht annehmen können, dass der Verfassungsgerichtshof Entscheidungen - gemeint ist der oben erwähnte Beschluss auf Zurückweisung der Beschwerde als verspätet - treffe, die er "bei Ansehung der bezughabenden Akten anders getroffen haben hätte müssen".

Damit verkennt die antragstellende Gesellschaft die Sach- und Rechtslage: Der Verfassungsgerichtshof hätte die zu B1475/03 protokollierte Bescheidbeschwerde auch dann zurückzuweisen gehabt, wenn er in Kenntnis des vollständigen Akteninhaltes gewesen und davon ausgegangen wäre, dass von der antragstellenden Partei - wie sie dies in den vorliegenden Anträgen behauptet - der Bescheid vom 3. Oktober 2003 (hinsichtlich dessen die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen gewesen war) hätte bekämpft werden sollen. Die damals beschwerdeführende Gesellschaft hatte nämlich zwar einen Bescheid vorgelegt, hinsichtlich dessen damals die Beschwerdefrist bereits abgelaufen war, es aber unterlassen, den (nach ihren Behauptungen eigentlich gemeinten) Bescheid vom 3. Oktober 2003 innerhalb der ihr gesetzten Frist vorzulegen.

Der Umstand, dass der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den vorgelegten Bescheid zurückgewiesen hat, ohne den Bezug habenden Verwaltungsakt beizuschaffen, ist daher schon deshalb keine "neue Tatsache", die zu einem anderen, für die antragstellende Gesellschaft günstigeren Ergebnis des Verfahrens hätte führen können und damit kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war daher schon aus diesem Grunde abzuweisen, ohne dass auf die Frage eines Verschuldens der antragstellenden Gesellschaft eingegangen zu werden brauchte.

5. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§§33 und 34 VfGG).

Schlagworte

VfGH / Mängelbehebung, VfGH / Wiederaufnahme, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B556.2004

Dokumentnummer

JFT_09959379_04B00556_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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