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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Sbg. EinforstungsrechteG 1986; Anpassung von Holzbezugsrechten; Maßnahme im Bereich des Kompetenztatbestandes "Bodenreform"; keine Bedenken gegen §10 Abs1 betreffend die Valorisierung der Gegenleistung; kein Widerspruch zum Wald- und Weidenutzungs-GrundsatzGRechtssatz
Gemäß §7 des AgrBehG 1950 ist der administrative Instanzenzug erschöpft.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
Mit dem Regulierungserkenntnis aus 1870 wurden von einer Verwaltungsbehörde Holzbezugsrechte - gestützt auf das Kaiserliche Patent vom 05.07.1853, RGBl. 130 - durch Hoheitsakt gestaltet.
Der Verfassungsgerichtshof findet nicht, daß die in §10 Sbg. EinforstungsrechtsG vorgenommene Valorisierung dem Gleichheitsgebot widerspricht. Es ist sachlich geradezu geboten, die seinerzeit mit einem bestimmten Geldbetrag festgesetzte Gegenleistung der heutigen Kaufkraft anzupassen, sofern nicht besondere Umstände entgegenstehen; solche sind hier nicht zu erkennen.
Die Valorisierung wurde der tatsächlichen Kaufkraft entsprechend vorgenommen. Es kann daher auch nicht davon gesprochen werden, daß der Gesetzgeber den einen "Vertragsteil" willkürlich zugunsten des anderen "Vertragsteiles" benachteiligt habe.
Der historische Inhalt des Kompetenztatbestandes "Bodenreform" (Art12 Abs1 Z3 B-VG) erstreckt sich wesensgemäß auch auf zivilrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Bodenreform; zivilrechtliche Angelegenheiten sind also, soweit sie mit der Bodenreform zusammenhängen, nicht dem Kompetenztatbestand "Zivilrechtswesen" (Art10 Abs1 Z6 B-VG), sondern dem Kompetenztatbestand "Bodenreform" zuzuordnen (vgl. zB VfSlg. 8151/1977). Für die Bodenreform geradezu typisch sind Maßnahmen, die der Neuregulierung oder der Änderung bestehender Regulierungen dienen (vgl. zB VfSlg. 1390/1931, 3649/1959).
Das Festlegen von Gegenleistungen für Einforstungsrechte ist eine typische Maßnahme der Bodenreform iS des Art12 Abs1 Z3 B-VG (und nicht eine Angelegenheit des Geldwesens iS des Art10 Abs1 Z5 B-VG).
Die Länder bedürfen zur Regelung der in Art12 B-VG genannten Angelegenheiten nicht einer Ermächtigung durch Aufstellen von Grundsätzen, sondern können sie bei Fehlen von Grundsätzen frei regeln; das bedeutet, daß die Grundsatzgesetzgebung nicht Voraussetzung, sondern nur inhaltliche Schranke für die Landesgesetzgebung ist (siehe etwa Auckenthaler, Der Zusammenhang von Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, ÖJZ 1984, 57, und die dort zitierte weiteren Nachweise; vgl. zB VfSlg. 8736/1980, S 59; 8795/1980, S 249; 9800/1983, S 135).
Das Wald- und Weidenutzungsrechte-GG 1951 stellt ua. Grundsätze für die Änderung von Holzungs- und Bezugsrechten (Einforstungsrechten) auf, die aufgrund des Kaiserlichen Patents vom 05.07.1853, RGBl. 130, bestehen. Es ermächtigt zur Änderung "auf der Grundlage" der danach eingeräumten Rechte (§6 iVm §8 Abs1 des GrundsatzG). Daß die (durch §10 Abs1 Sbg. EinforstungsrechteG erfolgte) der Geldwertentwicklung entsprechende Umbenennung von der seinerzeitigen in die heutige Währung sich "auf der Grundlage" der seinerzeitigen Regulierungserkenntnisse und daher inhaltlich im Rahmen des GrundsatzG hält, bedarf keiner weiteren Erörterung.
Zumindest für die Holzbezugsrechte (Einforstungsrechte) ermächtigt §8 Abs2 WWSGG die Landesgesetzgebung, "nähere Bestimmungen" zu erlassen. Auch §8 Abs4 des GrundsatzG erlaubt dem Landesgesetzgeber, Regulierungsbestimmungen zu ändern. Innerhalb der bereits erörterten (und nicht überschrittenen) weiten inhaltlichen Schranken des GrundsatzG dürfen daher die LandesausführungsG unmittelbar Änderungen bestehender Einforstungsrechte verfügen. Wenn der Wortlaut der erwähnten grundsatzgesetzlichen Vorschriften allenfalls auch eine andere Auslegung zuließe, ergäbe sich die Richtigkeit der vorhin dargestellten Interpretation zum einen aus dem Prinzip, daß bei der Auslegung eines GrundsatzG im Zweifelsfall diejenige Möglichkeit als zutreffend anzusehen ist, die der Ausführungsgesetzgebung den weiteren Spielraum läßt (vgl. zB VfSlg. 3649/1959). Zum anderen läßt der Sinn des GrundsatzG nicht erwarten, daß es den Landesausführungsgesetzgeber verpflichten wollte, Holzbezugsrechte ausschließlich in Einzelverfahren zu ändern und ihm damit verbieten wollte, solche Änderungen (auch) generell (unmittelbar durch das Gesetz selbst) anzuordnen; eine solche, die Verwaltungsökonomie (unnötigerweise) inhibierende Grundsatzregelung ist dem Bundesgesetzgeber nicht zusinnbar.
Bei der Auslegung eines GrundsatzG ist im Zweifelsfall diejenige Möglichkeit als zutreffend anzusehen, die der Ausführungsgesetzgebung den weiteren Spielraum läßt (vgl. zB VfSlg. 3649/1959).
Eine die Verwaltungsökonomie (unnötigerweise) inhibierende Grundsatzregelung ist dem Bundesgesetzgeber nicht zusinnbar.
§24 WWSGG enthält ausschließlich Grundsätze über die bei einer Ablösung von Nutzungsrechten zu erbringende Gegenleistung; eine Ablösung wird praktisch (zumindest im Regelfall) nur in Form eines Einzelverfahrens erfolgen. Aus der hier vorgesehenen Valorisierungsvorschrift kann für den - bei einer bloßen Änderung weiterhin bestehender Nutzungsrechte - zu beachtenden formellen Vorgang nichts abgeleitet werden; wohl aber läßt sich daraus für den Inhalt des LandesausführungsG der Analogieschluß ziehen, daß die Geldentwertung bei einer Änderung bestehen bleibender Nutzungsrechte zu berücksichtigen ist.
Die Festsetzung von Nutzungsrechten und ihrer Gegenleistungen stellt keine Enteignung dar.
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Agrarbehörden, Bodenreform, Servitutenregulierung, Bescheidbegriff, Privatwirtschaftsakt, Hoheitsverwaltung, Kompetenz Bund - Länder, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B679.1988Dokumentnummer
JFR_10118994_88B00679_01