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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
VerfGG; das Vorbringen des VwGH ist in seinem Zusammenhang als Darlegung der Bedenken iS des §62 Abs1 zu sehen; keine unstatthafte Verweisung auf eine Entscheidung des VfGH Oö. Bauordnung idF LGBl. 82/1983; §24 Abs1 erster und zweiter Satz sowie §24 Abs2 enthalten eine dem Art18 Abs1 und Abs 2 widersprechende formalgesetzliche Delegation - eine Mehrzahl "unbestimmter", für sich allein möglicherweise hinreichend determinierte,Begriffe ergeben in ihrer Gesamtheit keine bestimmte vollziehbare Regelung; dem Verordnungsgeber bleibt inhaltliche Gestaltung der materiellen Bauvorschriften nach eigenen Zielvorstellungen überlassen Oö. BauV 1985, LGBl. 5/1985; §95 Abs1 lita nach Aufhebung seiner gesetzlichen Grundlage in Widerspruch zu Art18 B-VGRechtssatz
Der Verwaltungsgerichtshof ersetzte die notwendige Darlegung der Bedenken nicht zur Gänze durch eine (völlige Fallübereinstimmung erfordernde) Verweisung auf das Vorerkenntnis VfSlg. 10296/1984.
Angesichts der konkreten Fallkonstellation wäre es - ganz im Sinn der im Erkenntnis VfSlg. 8308/1978 angestellten Überlegungen - überspitzter Formalismus, wollte man in dem Vorbringen des Verwaltungsgerichtshofes insgesamt nicht eine deutliche und hinlänglich verständliche Darlegung der vor dem Verfassungsgerichtshof auszubreitenden Bedenken iSd §62 Abs1 VfGG 1953 erblicken.
Eine Verordnung darf bloß präzisieren, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes: VfSlg. 7945/1976, 9226/1981, 9227/1981, 10296/1984 ua.; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, S 82). Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen daraus also alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhalts durch das Gesetz: VfSlg. 4139/1962, 4662/1964, 5373/1966, 7945/1976); eine bloße formalges Delegation, die der Verwaltungsbehörde eine den Gesetzgeber supplierende Aufgabe zuweist, stünde mit Art18 Abs1 (und 2) B-VG in Widerspruch (siehe VfSlg. 4072/1961, 4300/1962, 10296/1984). Die Grenze zwischen einer noch ausreichenden materiellen Bestimmtheit des Gesetzes und einer formalen Delegation wird in einzelnen Fällen nicht immer leicht zu bestimmen sein. Entscheidungskriterium ist hier stets die Frage, ob die im Verordnungsweg getroffene (Durchführungs-)Regelung auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann (siehe VfSlg. 1932/1950, 2294/1952, 4072/1961, 10296/1984). Dabei sind in Ermittlung des Inhalts des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden (Auslegungs-)Möglichkeiten auszuschöpfen: Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen läßt, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Norm die in Art18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. ua. VfSlg. 8395/1978, 10296/1984).
Der oberösterreichische Landesgesetzgeber bediente sich in §23 (Abs1) Oö. BauO einer Mehrzahl sogenannter "unbestimmter", durch unscharfe Konturierung charakterisierter Begriffe, von denen jeder einzelne - für sich allein genommen - hinreichend determiniert sein mag, die aber in ihrer Gesamtheit keine bestimmte vollziehbare (Baurechts-)Regelung umreißen, sondern dem Verordnungsgeber bei der Gestaltung des (mit nur final determinierten Planungsnormen (siehe etwa VfSlg. 8280/1978) - der Auffassung der Landesregierung zuwider - nicht auf eine Stufe zu stellenden) materiellen Baurechts weitgehend freie Hand lassen. Denn der Gesetzgeber begnügt sich hier damit, - freilich in konsequenter Verwirklichung seiner Zielsetzung, nur "Allgemeine (baurechtliche) Erfordernisse" festzulegen (vgl. die Überschrift des §23 Oö. BauO) - in Statuierung der an Bauvorhaben zu stellenden "Anforderungen" unbestimmte Rechtsbegriffe aus unterschiedlichen Lebensbereichen (wie etwa Sicherheit, Festigkeit, Gesundheit, Hygiene, Umweltschutz, Zivilisation) gehäuft und undifferenziert aneinanderzureihen. Da die Erfordernisse der in §23 (Abs1) Oö. BauO einbezogenen Lebensgebiete verschiedenster Art naturgemäß nicht immer übereinstimmen und im Einklang stehen müssen, ja vielmehr völlig gegensätzliche Beschaffenheit sein können, und das Gesetz (§24 Oö. BauO) - wenn es in seinem Abs1 (Sätze 1 und 2), aber auch in seinem ohne gleichzeitige Anwendung des Abs1 gar nicht vollziehbaren Abs2 (arg. "... iSd Abs1 ...") die Landesregierung zur Erlassung von Durchführungsverordnungen (zu §23 leg. cit.) verpflichtet - auch eine Rangordnung oder Gewichtung nicht in ausreichendem Maß erkennen läßt (lediglich Abs2 des §23 Oö. BauO besagt (nur) punktuell und schon darum unzulänglich, daß "im besonderen" ... "schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden (müssen)"), zudem auch keinerlei Anleitung zur Interessenabwägung gibt, bleibt die inhaltliche Gestaltung der materiellen Bauvorschriften für (Bau-)Vorhaben, wie sie §2 Oö. BauO breitgefächert aufzählt, letzten Endes dem Gutdünken des Verordnungsgebers überlassen, der dabei - je nach Betonung des einen oder anderen der im gesetzlichen Zielkatalog vorgezeichneten Gesichtspunkte - weithin bindungsfrei nach eigenen Zielvorstellungen verfahren kann (siehe VfSlg. 9227/1981, 10296/1984). Allein schon deshalb liegt aber in der Tat eine formalgesetzliche Delegation vor, die gegen Art18 B-VG verstößt.
§24 Abs1 Sätze 1 und 2 und Abs2 des Gesetzes vom 02.04.76, mit dem eine Bauordnung für das Land Oberösterreich erlassen wird (Oö. Bauordnung - Oö. BauO), LGBl. 35/1976, idF LGBl. 82/1983 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die inhaltliche Gestaltung der materiellen Bauvorschriften für (Bau-)Vorhaben, wie sie §2 Oö. BauO breitgefächert aufzählt, bleibt letzten Endes dem Gutdünken des Verordnungsgebers überlassen, der dabei - je nach Betonung des einen oder anderen der im gesetzlichen Zielkatalog vorgezeichneten Gesichtspunkte - weithin bindungsfrei nach eigenen Zielvorstellungen verfahren kann (siehe VfSlg. 9227/1981, 10296/1984). Allein schon deshalb liegt aber in der Tat eine formalgesetzliche Delegation vor, die gegen Art18 B-VG verstößt.
Hinzu kommt, daß die §24 Abs1 Sätze 1 und 2 Oö. BauO kennzeichnende inhaltliche Unbestimmtheit an Gewicht gewinnt, wenn berücksichtigt wird, daß §24 Abs1 Satz 2 Oö. BauO vorschreibt, die zu erlassende Durchführungsverordnung habe auf die "übrigen" Bestimmungen des III. Hauptstücks (leg. cit.) Bedacht zu nehmen und "verschiedenen Anforderungen", die sich aus der Verwendung, der Größe, der Lage, der Art und der Umgebung der jeweiligen baulichen Anlage ergeben, Rechnung zu tragen, weil es auch hier sowohl an jeder Umschreibung der "verschiedenen Anforderungen" als auch an der Nennung jener Gesichtspunkte fehlt, unter denen auf die "übrigen Bestimmungen" des III. Hauptstücks Bedacht zu nehmen sei.
Aufhebung von Teilen des §24 Oö. BauO 1976 (Verordnungsermächtigung zur Erlassung von Bauvorschriften); iVm den unbestimmten Rechtsbegriffen in §23 Oö. BauO keine hinreichende Determinierung; materielles Baurecht ist mit nur final determinierten Planungsnormen nicht auf eine Stufe zu stellen; keine Anleitung zur Interessenabwägung.
§95 Abs1 lita sowie Abs5 der (Oberösterreichischen) Bauverordnung 1985 (Oö. BauV 1985), LGBl. 5, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Nach Aufhebung von Teilen des §24 Oö. BauO 1976 - der gesetzlichen Grundlage dieser Verordnungsbestimmung - mit dem vorliegenden Erkenntnis sind die angefochtenen Stellen dieser Verordnung so zu beurteilen, als ob sie ohne gesetzliche Grundlage erlassen worden wären (vgl. VfSlg. 4172/1962, 6945/1972). Sie widersprechen also Art18 B-VG.
Aufhebung von Teilen des §95 Oö. BauV 1985 mangels gesetzlicher Deckung; Wegfall der gesetzlichen Grundlage durch Aufhebung von Teilen des §24 Oö. BauO 1976 im selben Erkenntnis.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Antrag, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken, Legalitätsprinzip, Baurecht, Rechtsbegriffe unbestimmteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G240.1987Dokumentnummer
JFR_10118994_87G00240_01