Index
35 ZollrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
StärkeG; AusgleichsabgabeG; Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Erlassung von Vorschriften über Abschöpfungen und Ausgleichsabgaben als Abgabenregelungen mit zollgleicher Wirkung; Zulässigkeit der Weiterentwicklung der Agrarzölle in Form eines flexiblen Abschöpfungssystems anstelle starrer Zölle; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die Erwerbsfreiheit; ausreichende Vorherbestimmung des Verordnungsinhaltes durch §2 Abs1 iVm. §§4 und 5 StärkeG sowie durch §2 Abs6 iVm. §§2 Abs4 und Abs5 AusgleichsabgabeG iS des Art18 Abs2 B-VG; keine fehlerhafte Vorgangsweise bei Ermittlung der für die Berechnung des Abschöpfungssatzes maßgeblichen Preise; ausreichende Entscheidungsgrundlagen für die Verordnungserlassung; Herstellung des gesetzlich geforderten Einvernehmens der betreffenden Bundesminister durch zustimmendes Tätigwerden von Bediensteten des jeweiligen RessortsRechtssatz
Die der Beschwerdeführerin zugestellten - nicht mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellten - Bescheid-Ausfertigungen waren entgegen §96 BAO weder mit der Unterschrift dessen versehen, der die Erledigung genehmigt hat, noch wiesen sie die Unterschrift einer die Ausfertigungen beglaubigenden Person auf. Ihnen fehlte somit der Charakter einer behördlichen Erledigung und damit die Rechtsnatur eines Bescheides (VfSlg. 6069/1969, VwSlg. 5423 F/1979).
Die Bechwerde gegen die angeführten, - keine Unterschrift der beglaubigenden Person enthaltenden und daher rechtlich unverbindlichen - Bescheid-Ausfertigungen waren sohin mangels Vorliegens anfechtbarer Bescheide zurückzuweisen.
Die Abschöpfungen nach dem StärkeG und Ausgleichsabgaben nach dem AusgleichsabgabeG bilden unter Zwang vorgeschriebene Geldleistungen, die dem Bund zufließen. Entsprechend der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 3919/1961, 8195/1977) sind zwangsweise vorgeschriebene Geldleistungen, deren Ertrag einer Gebietskörperschaft zufließt, "Abgaben" im Sinne des Bundesverfassungsrechts. Die Besonderheit der beschwerdegegenständlichen, als "Abschöpfungen" und "Ausgleichsabgaben" vom Gesetzgeber bezeichneten Bundesabgaben liegt darin, daß sie anläßlich von Warenbewegungen über die Grenze erhoben werden, keinen Entgeltcharakter (wie Gebühren) haben und auch nicht - wie etwa die Einfuhrumsatzsteuer - dem Ausgleich einer innerstaatlichen Abgabenbelastung dienen.
Die dargestellten Abschöpfungen und Ausgleichsabgaben sind als Abgaben zollgleicher Wirkung zu qualifizieren. Wie die herkömmlichen Zölle dienen sie dem Schutz der heimischen Wirtschaft. Sie sind gleichwohl - abgesehen vom festen Teilbetrag (dem "Schutzelement") der Ausgleichsabgabe - kraft Gesetzes nicht nach einem starren Tarifsystem einzuheben, sondern bilden einen flexiblen Außenschutz für landwirtschaftliche Produkte dadurch, daß die Differenz zwischen Inlands- und Weltmarktpreisen abgeschöpft wird (mit Hinweis auf VfSlg. 4287/1962 und Literatur).
Der Bundesgesetzgeber ist zuständig, gestützt auf die Kompetenztatbestände der Art10 Abs1 Z2 B-VG ("Zollwesen") und Art10 Abs1 Z4 B-VG ("Bundesfinanzen insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind") die Vorschriften über Abschöpfungen (im StärkeG) und über Ausgleichsabgaben (im AusgleichsabgabeG) als Abgabenregelungen mit zollgleicher Wirkung zu erlassen.
An der Einordnung einer Geldleistungsverpflichtung als Abgabe ändert auch der Umstand nichts, daß der Gesetzgeber neben fiskalischen Zwecken auch andere, etwa wirtschaftspolitische Zwecke verfolgt. Gerade für Zölle ist es zunehmend typisch, daß ihr primärer Zweck im Schutz bestimmter Zweige der inländischen Wirtschaft liegt, während der fiskalische Zweck demgegenüber in den Hintergrund treten kann.
Es kann keine Rede davon sein, daß durch die Vorschriften über Abschöpfungen und Ausgleichsabgaben nach dem StärkeG und dem AusgleichsabgabeG die allgemeine bundesstaatliche Kompetenzverteilung wegen der Dichte der Regelungen und der Art ihrer Auswirkung im fremden Sachbereich schlechthin unterlaufen würde.
Kein Mißbrauch der Abgabeform, um Regelungen in Angelegenheiten zu treffen, die anderen Gesetzgebern vorbehalten sind.
Die Weiterentwicklung der Agrarzölle in Gestalt der verfeinerten, elastischen Regelungen eines Abschöpfungssystems, das flexibel genug ist, um existenzbedrohende Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und einen Preisausgleich zur Sicherung möglichst einheitlicher Preise beim grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zu erzielen, ist im Rahmen des Kompetenztatbestandes des Art10 Abs1 Z2 B-VG ("Zollwesen") prinzipiell zulässig. Der Bund ist keineswegs verfassungsrechtlich gezwungen, zum Schutz der Wirtschaft vor Billigimporten das auf Preis- und Qualitätsunterschiede nur unzulänglich Rücksicht nehmende System starrer Zölle aufrecht zu erhalten. Insofern betrachtet der Verfassungsgerichtshof den Abschöpfungsbetrag nach dem StärkeG und die Ausgleichsabgabe nach dem AusgleichsabgabeG als eine intrasystematische Weiterentwicklung des "Zollwesens" iSd Art10 Abs1 Z2 B-VG, die nicht verfassungswidrig ist.
Dem einfachen Gesetzgeber ist es von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen, soweit er dadurch nicht gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt.
Der Gesetzgeber der österreichischen Wirtschaft will dadurch einen möglichst flexibel gestalteten Schutz gewährleisten, daß er für die Bemessung des Abschöpfungssatzes auf den jeweils für die österreichischen Produzenten ungünstigsten Fall, nämlich auf die billigste Einfuhr der davon erfaßten Waren abstellt.
Daß daraus im Verhältnis zum Wert der eingeführten Waren unter Umständen relativ hohe Abgabenbelastungen resultieren, liegt in der Zwecksetzung dieser dem Ausgleich der internationalen Rohstoffpreisdisparität dienenden Schutzmaßnahmen, die in dieser Form auch international gehandhabt werden.
Der Verfassungsgerichtshof hält eine derartige Regelung nicht für unsachlich, geschweige denn exzessiv.
Es ist sachlich sehr wohl gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber bei der Errechnung des Abschöpfungsbetrages bzw. der Ausgleichsabgabe weder auf den tatsächlichen Einkaufspreis im Einzelfall abgestellt, noch anstelle des nach §5 Abs2 StärkeG maßgeblich niedrigsten Erwerbspreises für die Errechnung des Abschöpfungssatzes einen Durchschnittspreis herangezogen hat.
Schließlich sind die präjudiziellen Regelungen auch nicht deswegen gleichheitswidrig, weil diese Regelungen Inlandspreise mit Auslandspreisen für Waren unterschiedlicher Qualität in Beziehung setzen lassen.
Die Regelungen des StärkeG und des AusgleichsabgabeG über die Abschöpfungsbeträge und die Ausgleichsabgabe sind weder unsachlich noch exzessiv.
Selbst im Bereich des Einkommensteuerrechts läge eine dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz widerstreitende abgabenrechtliche Regelung nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 7770/1976, 7996/1977) nur dann vor, wenn sie exzessiv wäre und zu einer verfassungswidrigen Aushöhlung des Grundrechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums führte.
Keine Verletzung des Eigentumsrechts durch die Abschöpfungsregelungen des StärkeG und des AusgleichsabgabeG.
Ein Eingriff des Steuergesetzgebers in die verfassungsgesetzliche Erwerbsfreiheit kann überhaupt nur dann angenommen werden, wenn das Gesetz seiner (möglicherweise versteckten) Absicht und seiner tatsächlichen Wirkung zufolge die Ausübung eines Erwerbszweiges verhindert (vgl. VfSlg. 3968/1961).
Das dargestellte Abschöpfungssystem nach dem StärkeG und dem AusgleichsabgabeG ist von den bereits beschriebenen volkswirtschaftlichen, sohin öffentlichen Interessen am Ausgleich der internationalen Rohstoffpreisdisparitäten, sohin keineswegs von der Absicht getragen, einen Erwerbszweig unmöglich zu machen. Es ist auch nicht exzessiv, weil es "die Beschwerdeführer(in) keinesfalls (zwingt), ihren Erwerb aufzugeben" (VfSlg. 3968/1961).
Dem Prinzip der notwendigen Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz, das der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur (vgl. zB VfSlg. 4139/1962, 4662/1964, 5373/1966, 7945/1976) dem Art18 Abs2 B-VG entnimmt, ist vom Gesetzgeber nicht nur durch die Festlegung des Berechnungsmodus des Abschöpfungssatzes bzw. des beweglichen Teilbetrages als Differenzbetrag zwischen dem Inlands- und dem Auslandspreis Rechnung getragen worden, sondern noch zusätzlich dadurch, daß der Gesetzgeber mit hinlänglicher Deutlichkeit klargemacht hat, nach welchen Kriterien diese Preise zu ermitteln bzw. zu bestimmen sind. Nach der Konzeption des Stärke- und des AusgleichsabgabeG handelt es sich sohin bei der Festsetzung des Abschöpfungssatzes nach dem StärkeG und des beweglichen Teilbetrages der Ausgleichsabgabe nach dem AusgleichsabgabeG um gesetzlich präzise geregelte Rechenvorgänge anhand von exogen vorgegebenen Preisen.
Möglichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung dieser Preise ebenso wie bei der Festsetzung der Durchschnittsrezepturen für die (der Festsetzung des beweglichen Teilbetrages der Ausgleichsabgabe zugrundezulegenden) üblicherweise benötigten Vormaterialien ist der Gesetzgeber dadurch begegnet, daß er für diese Sachfragen das Einvernehmen mehrerer Bundesminister anordnete, deren Ressorts ihm auf Grund des dort organisierten Sach- und Fachverstandes dazu besonders geeignet erschienen.
Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, daß die Verordnungsermächtigungen des §2 Abs1 StärkeG im Verein mit den §§4 und 5 StärkeG sowie die Verordnungsermächtigung des §2 Abs6 AusgleichsabgabeG im Verein mit §2 Abs4 und 5 dieses Gesetzes den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art18 Abs2 B-VG genügen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Bescheid, Unterschrift, Zollrecht, Abgabenwesen, Kompetenz Bund - Länder, Verordnung, BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1419.1987Dokumentnummer
JFR_10118993_87B01419_01