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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art116 Abs1Leitsatz
Art139 Abs1 B-VG; Art116 Abs1 B-VG; Antrag der Gemeinde St. Oswald auf Aufhebung der V der OÖ Landesregierung, LGBl. 20/1987, mit der bauliche Anlagen von Müllbeseitigungsanlagen von der Bewilligungspflicht ausgenommen wurden; kein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht durch ersatzlose Beseitigung einer öffentlichen Aufgabe, die von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen war; keine LegitimationRechtssatz
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages auf Aufhebung einer Verordnung nach dem letzten Satz des Art139 Abs1 B-VG idF der Novelle BGBl. 302/1975 ist, daß die Verordnung überhaupt in die (subjektive) Rechtssphäre des Antragstellers eingreift.
Eine solche Rechtssphäre kommt auch der Gemeinde als Gebietskörperschaft zu (Art116 Abs1 B-VG).
Der Gemeinde ist verfassungsgesetzlich das Recht gewährleistet, die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, also jene behördliche Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden, in eigener Verantwortung frei von Weisungen und unter Ausschluß eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen (Art118 Abs4 B-VG unter Vorbehalt des Art119a Abs5 B-VG).
Wie der Gerichtshof schon in seinen Beschlüssen VfSlg. 9533/1982 =
JBl. 1983, 532, und 10399/1985 = JBl. 1986, 301, betont hat, ist
die Gemeinde bei Besorgung der in Art118 Abs2 B-VG
umschriebenen Angelegenheiten an die Gesetze und Verordnungen des
Bundes und des Landes gebunden. Diese legen fest, welche
Angelegenheiten überhaupt von staatlichen Behörden besorgt werden
und in welcher Weise sie zu besorgen sind. Erst die solcherart
festgesetzten und geregelten Angelegenheiten können Gegenstand
einer allfälligen Zuordnung zum eigenen Wirkungsbereich der
Gemeinde und der diesfalls (vom letzten Satz des Art118 Abs2
B-VG) geforderten Bezeichnung als solche des eigenen
Wirkungsbereiches sein.
Ein Eingriff in die Rechtssphäre der Gemeinde kommt nur in Betracht, wenn eine nach Inhalt der Gesetze oder Verordnungen des Bundes oder Landes zu besorgende Angelegenheit der Gemeinde als Selbstverwaltungskörper vorenthalten oder entzogen und einer anderen staatlichen Behörde oder der Gemeinde im übertragenen Wirkungsbereich zur Besorgung zugewiesen oder von einer solchen Behörde tatsächlich besorgt wird. Soweit der Beschluß VfSlg. 9533/1982 ausspricht, daß ein Gesetz oder eine Verordnung in das Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung nicht eingreifen kann - womit die Möglichkeit eines Eingriffs durch eine Verordnung anscheinend schlechthin verneint wird -, liegt eine durch den Gegenstand der Entscheidung nicht gebotene überschießende Formulierung vor. Der Gerichtshof hat dies schon im Beschluß VfSlg. 10399/1985 durch die Einschränkung zum Ausdruck gebracht, ein Eingriff finde "durch eine Verordnung wie die hier angefochtene" (Hervorhebung nicht im Original) nicht statt. Ob die Verordnung einer außerhalb der Gemeinde stehenden Behörde möglicherweise eine Maßnahme darstellt, die der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich vorbehalten ist, kann nur nach Lage des Einzelfalles beurteilt werden.
Ist eine bestimmte Angelegenheit überhaupt nicht als öffentliche Aufgabe vorgesehen oder wird eine Verwaltungsaufgabe, die von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen war, ersatzlos beseitigt - sodaß die betreffende Angelegenheit, weil keine öffentliche Aufgabe, von keiner Behörde mehr zu besorgen ist - liegt darin jedenfalls kein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht. Daß eine solche Maßnahme dieses Recht selbst unberührt läßt, zeigt schon die weiterhin bestehende Möglichkeit der Gemeinde, durch ortspolizeiliche Verordnung störende Mißstände auch ohne gesetzlich Grundlage abzuwehren oder zu beseitigen.
Zu den Normen, welche die Gemeinde als selbstständigen Wirtschaftskörper und Träger der Privatwirtschaftsverwaltung, also in ihrer - durch die Gesetze nicht erst geschaffenen, sondern nur allenfalls beschränkten - Privatrechtssphäre berühren.
Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß die Preisgabe einer behördlichen Aufgabe, deren Besorgung der Gemeinde im eigener Wirkungsbereich gewährleistet war, den Zweck verfolgen kann, die Besorgung dieser Aufgabe gerade der Gemeinde vorzuenthalten. Einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde könnte nur eine Norm bewirken, welche die Wahrnehmung der für die Zuordnung maßgeblichen Interessen einem außerhalb der Gemeinde stehenden Organ zuweist.
Zurückweisung des Individualantrages einer Gemeinde auf Aufhebung der Verordnung der Oö. Landesregierung vom 06.04.87, LGBl. 20, mit der bauliche Anlagen von Müllbeseitigungsanlagen, die einer Bewilligung gemäß §24 Oö. AbfallG bedürfen, von der baubehördlichen Bewilligungspflicht ausgenommen werden; Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde nicht betroffen.
Einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde könnte nur eine Norm bewirken, welche die Wahrnehmung der für die Zuordnung maßgeblichen Interessen einem außerhalb der Gemeinde stehenden Organ zuweist.
Kein Rechtssatz; kein Eingehen auf die Frage, ob der einschreitende Rechtsanwalt, der offenkundig von dem aufgrund des Gemeinderatsbeschlusses als dessen Vorsitzender (§48 Oö. GemeindeO) handelnden Bürgermeister bevollmächtigt wurde, die Vertretungsverhältnisse richtig eingeschätzt hat.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Privatwirtschaftsverwaltung, Abfallbeseitigung, Baurecht, Baubewilligung, VfGH / ProzeßvollmachtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:V59.1987Dokumentnummer
JFR_10118989_87V00059_01