RS Vfgh 1988/10/12 B792/88, B793/88, B794/88, B795/88, B796/88, B798/88

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Veröffentlicht am 12.10.1988
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art145
Konkordat 1934 ArtXIII §4
KStG 1966 §5 Abs1 Z6
BG BGBl 327/1986 Abschn I ArtII Z1

Leitsatz

KörperschaftsteuerG; BG über die Einführung der Zinsertragsteuer; keine Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung der Zinsertragsteuer für nach §5 Abs1 Z6 iVm. §5 Abs2 KStG beschränkt steuerpflichtige Körperschaften; keine gleichheitswidrige Gesetzesanwendung in diesem, nicht als Anlaßverfahren zu VfSlg. 11666/1988 anzusehenden Fall Art145 B-VG; keine Zuständigkeit des VfGH, über Anträge nach Art145 B-VG vor Erlassung des dort vorgesehenen, besonderen Bundesgesetzes zu entscheiden

Rechtssatz

Die vorliegenden Fälle sind nicht als Anlaßfälle anzusehen, weil die Beschwerden erst nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren G7/88 am 08.03.88 eingebracht worden sind (siehe die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Begriff des Anlaßfalles, zB VfSlg. 10616/1985).

Aufhebende Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes wirken, außer im Anlaßfall, vom Tage des Wirksamkeitsbeginnes der Aufhebung an für die Zukunft. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme des Anlaßfalls - ist jedoch kraft der ausdrücklichen Anordnung in Art140 Abs7 B-VG das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Gerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausspricht (was im vorliegenden Fall im genannten E v 17.03.88 nicht geschehen ist). Die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesbestimmung ist von Gerichten und Verwaltungsbehörden - mit Ausnahme des Anlaßfalls - auf alle jene Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen. Dies gilt auch für den Verfassungsgerichtshof selbst (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 9321/1982).

Eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesbestimmung kann nicht neuerlich Gegenstand einer Gesetzesprüfung sein (vgl. auch hiezu VfSlg. 9321/1982, S 40 und die dort bezogene weitere Judikatur).

In den vorliegenden Beschwerdefällen ist zu untersuchen, ob die beschwerdeführende Parteien durch die angefochtenen Bescheide auf Grund eines in die Verfassungssphäre reichenden Fehlers in der Vollziehung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sind.

Das System des KStG (§§5 Abs2, 22 Abs7) bewirkt im Ergebnis für bestimmte Abgabepflichtige in einem bestimmten Rahmen die Einschränkung einer Ausnahme von der Besteuerung, im Ergebnis also eine beschränkte Steuerpflicht. Das bedeutet, daß Körperschaften wie die hier beschwerdeführenden (Einrichtungen der katholischen Kirche, vgl. VfSlg. 9544/1982) generell verpflichtet sind, alle im Abzugsweg erhobenen Steuern zu entrichten (darunter auch die gemäß §6 Abs1 des Abschnittes XIV. des Gesetzes BGBl. 587/1983 durch Steuerabzug erhobene ZESt).

Wenn diese Regelung des KStG in den Vorschriften über die ZESt insofern ihre Entsprechung gefunden hat, als mit der Bestimmung des ArtII Z1 des Abschnittes I. des Gesetzes BGBl. 327/1986 über die Nichtanrechnung steuerfreier Einkünfte ebenfalls eine teilweise Steuerpflicht herbeigeführt wurde (und zwar in der Weise, daß diese Abgabe auf Einkünfte nicht anzurechnen ist, für welche ohnehin keine Steuer zu entrichten ist, also im übrigen auch das für eine Anrechnung erforderliche Objekt fehlt), dann ist dies (ebenfalls) nicht unsachlich. Es ist durchaus folgerichtig, wenn jene Abgabepflichtigen, die im Bereich des Körperschaftsteuerrechts für bestimmte Arten ihrer Einkünfte steuerpflichtig sind, dies auch bei der spezifischen Regelung der Besteuerung für eine dieser Arten (hier: der ZESt) bleiben. Insbesondere kann darin nicht etwa (wie im Falle des Erkenntnisses VfSlg. 11368/1987) eine sachlich nicht gerechtfertigte Abweichung innerhalb einer vom Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Spielraumes gewährten Begünstigung erblickt werden; die in den Beschwerden kritisierte Regelung ist im Gegenteil eine Folge der Konstruktion der Begünstigung. Eine Schlechterstellung gegenüber den übrigen Steuerpflichtigen ist schon deshalb nicht gegeben, weil die unbeschränkt Steuerpflichtigen die ZESt - in Form der Anrechnung - ebenfalls zu entrichten haben. Die von den beschwerdeführenden Körperschaften beanstandete Regelung hat vielmehr (lediglich) zur Folge, daß sie nicht auch noch von der Verpflichtung zur Entrichtung der ZESt befreit sind.

Da Art145 B-VG vor Erlassung des dort vorgesehenen BG nicht anwendbar ist, fehlt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit, über die Anträge gemäß Art145 B-VG zu entscheiden.

Die Argumente der Antragstellerinnen sind nicht geeignet, den Verfassungsgerichtshof zu einem Abgehen von seiner - mit der Lehre übereinstimmenden - Auffassung zu veranlassen (vgl. VfSlg. 2568/1953, 2680/1954, 5378/1966). Die §§15 Abs1 und 35 Abs1 des (wiederverlautbarten) VfGHG, BGBl. 85/1953, auf welche sich die Antragstellerinnen berufen, standen mit demselben Wortlaut bereits zur Zeit des Entstehens der Auffassungen in Rechtsprechung, Lehre und parlamentarischen Materialien in Geltung, ohne daß ihnen jene Bedeutung beigemessen wurde, welche nach Auffassung der Antragstellerinnen aus ihnen hervorgeht.

Daß die Vorschriften des VfGG und der ZPO weder die erforderliche bundesgesetzliche Einrichtung noch wesentliche Elemente einer Verfahrensregelung - die im Ergebnis als eine Einrichtung iS des Art145 B-VG qualifiziert werden könnten - aufweisen, ergibt sich schon daraus, daß sie - im Gegensatz zu den Bestimmungen betreffend die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes nach Art126a, 137 bis 144 sowie 148 f B-VG - nicht erkennen lassen, welche Arten von Rechtsakten (generelle, individuelle) beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar sein sollten, wer zur Anfechtung legitimiert sein sollte, welche Art der Entscheidung mit welchen Konsequenzen der Verfassungsgerichtshof zu treffen hätte und in welchem Verhältnis diese Kompetenz zu den anderen Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofes stehen sollte (dementsprechend weit gehen auch die in der Literatur vertretenen Meinungen über die normative Bedeutung des Art145 B-VG auseinander). Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß die ZPO gerade diesbezüglich keine sinngemäß anwendbaren Bestimmungen enthält.

Die Anträge der beschwerdeführenden Einrichtungen der katholischen Kirche (vgl. VfSlg. 9544/1982), daß die angefochtenen Bescheide, mit denen Anträgen auf Rückerstattung entrichteter ZESt abgewiesen wurden, wegen Verstoßes gegen ArtXIII §4 des Konkordates, BGBl. II/2 1934, eine Verletzung des Völkerrechts bewirkt haben, werden zurückgewiesen.

Nicht Anlaßfall (hier zu G7/88 vom 08.03.88); Abweisung der Anträge der beschwerdeführenden Körperschaften (Einrichtungen der katholischen Kirche) auf Rückerstattung entrichteter ZESt; kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler in der Vollziehung.

Außerkraftsetzung des Abschnittes XIV des BG über die Einführung einer ZESt, Sonderregelungen über die Anrechnung der ZESt sowie Maßnahmen auf dem Gebiet des Bewertungsrechtes und Änderung des BewertungsG 1955 und des VermögensteuerG 1954, BG BGBl. 327/1986.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, Zinsertragsteuer, Körperschaftsteuer, Konkordat, Völkerrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B792.1988

Dokumentnummer

JFR_10118988_88B00792_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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