RS Vfgh 1988/12/5 G82/88, G83/88, G85/88, G86/88, G87/88, G88/88, G90/88, G207/88

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Veröffentlicht am 05.12.1988
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Index

L3 Finanzrecht
L3701 Getränkeabgabe, Speiseeissteuer

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Wr GetränkesteuerG 1971 §5 Abs2
Wr VergnügungssteuerG 1963 §34 Abs3
Wr VergnügungssteuerG 1963 §36 Abs4

Leitsatz

Wr. GetränkesteuerG 1971 §5 Abs2; Wr. VergnügungssteuerG 1963 §36 Abs4 zweiter Satz idF LGBl. 37/1976, §34 Abs3 zweiter Satz idF LGBl. 16/1981 - gleichheitswidrige, weil der Höhe nach unzureichend limitierte Haftung des Verpächters für Abgabenschulden des früheren Pächters

Rechtssatz

Für eine Haftung des Verpächters für die Abgabenschulden eines früheren Pächters besteht an sich schon eine sachliche Rechtfertigung. Diese ergibt sich ua. aus der Möglichkeit der spezifischen Gestaltung des Pachtvertrages (zB durch Ausbedingen von Einschaurechten allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarung oder ähnlichem) sowie aus dem Umstand, daß der Verpächter durch den Pachtzins am Ertrag des Betriebes partizipiert. Auch ist von Bedeutung, daß der Verpächter eines Betriebes insofern mit diesem verbunden bleibt, als ja der Betrieb nach Ende des Pachtverhältnisses an ihn zurückfällt. Dies alles sind Umstände, die eine Haftung des Verpächters für Abgabenschulden eines früheren Pächters zwar nicht erfordern, eine solche aber doch rechtfertigen (im Gegensatz zu E v 29.06.88, G249/87).

§5 Abs2 des GetränkesteuerG für Wien 1971, LGBl. 2/1971, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die der Höhe nach unzureichend (nur durch eine relativ lange zeitliche Begrenzung) limitierte Haftung des Verpächters für Abgabenschulden des früheren Pächters entbehrt der sachlichen Rechtfertigung.

Mit dieser unzureichenden Eingrenzung der Haftung wird es dem Verpächter einerseits unmöglich gemacht, mit Hilfe jener Vertragsgestaltung (zB durch Vereinbarung von Einschaurechten verbunden mit Kündigungsmöglichkeiten oder durch Vereinbarung einer Kaution) für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen, die der Verfassungsgerichtshof als für die sachliche Rechtfertigung der Haftungsregelung an sich bedeutsam erkannt hat; andererseits wird durch die Überbürdung einer ihrer Höhe nach kaum begrenzten Haftung an den Verpächter auch der - ebenfalls für die sachliche Rechtfertigung einer Verpächterhaftung relevante - Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Verpächters am Unternehmensertrag zur Gänze außer Acht gelassen.

§36 Abs4 zweiter Satz des VergnügungssteuerG für Wien 1963, LGBl. 11/1963 idF LGBl. 37/1976, und §34 Abs3 zweiter Satz des VergnügungssteuerG für Wien 1963, LGBl. 11/1963 idF LGBl. 16/1981, waren verfassungswidrig.

(zu §5 Abs1 Wr GetränkesteuerG 1971 und zu §§34 Abs3 und 36 Abs4 Wr. VergnügungssteuerG 1963)

Eine Regelung, die die Haftung stärker zeitlich eingrenzt und so das Ausmaß der Haftung besser vorhersehbar erscheinen ließe, oder die etwa an die Höhe des Pachtschillings oder an das frühere oder betriebsdurchschnittliche (tatsächliche oder prognostizierte) Aufkommen der jeweiligen Steuer oder an andere betriebsspezifische Bezugsgrößen anknüpft, könnte der unter dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebotes zu fordernden limitierenden Funktion sehr wohl gerecht werden, ohne aus den von der Regierung vorgebrachten Erwägungen unpraktikabel oder sachwidrig zu sein.

Keine sachliche Rechtfertigung der der Höhe nach unzureichend limitierten Haftung des Verpächters für Abgabenschulden des früheren Pächters in §5 Abs2 Wr. GetränkesteuerG 1971 und §§34 Abs3 und 36 Abs4 Wr. VergnügungssteuerG 1963.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Zivilrecht, Haftung, Getränkesteuer Wien, Vergnügungssteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:G82.1988

Dokumentnummer

JFR_10118795_88G00082_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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