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68 Invalideneinstellung, sonstiges SozialrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
InvalideneinstellungsG; AVG §8; Ausschluss des Arbeitgebers von der Parteistellung im Verfahren auf Zuerkennung der Invalidität sachlich gerechtfertigt; keine Bedenken in Hinblick auf das Gleichheitsgebot; keine Bedenken in Hinblick auf Art6 MRK - nicht jede Wirkung einer Entscheidung auf ein Rechtsverhältnis zu einer anderen Person macht die Angelegenheit schon mit zu deren Sache; kein Entzug des gesetzlichen RichtersRechtssatz
Dem Arbeitgeber wird im Verfahren auf Zuerkennung der Invalidität gemäß §14 InvEG 1969 ungeachtet der Auswirkungen der behördlichen Entscheidung auf sein Rechtsverhältnis zum invaliden Arbeitnehmer und die ihm auferlegte Beschäftigungspflicht kein rechtliches Interesse iSd §8 AVG zugestanden.
Der beschwerdeführenden Gesellschaft ist einzuräumen, daß die Feststellung der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Kreis der begünstigten Invaliden ohne Hinzutreten irgendeines anderen Vorganges oder Umstandes bewirkt, daß die nach allgemeinem Recht bestehende Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers durch das Erfordernis der Zustimmung des Invalidenausschusses beschränkt wird. In gleicher Weise wird durch die Feststellung der Invalidität die Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme auf den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers begründet (§6 Abs1 Satz 1 InvEG). Auch werden nur begünstigte Invalide auf die Pflichtzahl der kraft Gesetz zu beschäftigenden Arbeitnehmer angerechnet.
Gleichwohl meint der Verfassungsgerichtshof, daß die Parteistellung des Arbeitgebers im Ergebnis zu verneinen ist, weil der Gesetzgeber dem Arbeitgeber ein rechtliches Interesse an der Entscheidung über die Invalidität des Arbeitnehmers abgesprochen und der Entscheidung der Behörde insoweit nur Tatbestandswirkung verliehen hat.
Ein Verfahren zur Feststellung der Invalidität nach §14 Abs2 InvEG kommt nur in Betracht, wenn nicht schon ein Bescheid des Landesinvalidenamtes (der Schiedskommission) auf Grund des KriegsopferversorgungsG oder des HeeresversorgungsG, der Bescheid eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung oder das Urteil eines Sozialgerichtes, ein Bescheid des Landeshauptmannes oder Bundesministers nach dem OpferfürsorgeG, die bescheidmäßige Zuerkennung einer Blindenbeihilfe nach den einschlägigen BeihilfenG der Länder oder ein förmlicher Invalidenausweis vorgelegt werden kann.
Daß in den Verfahren nach dem KriegsopferversorgungsG, dem HeeresversorgungsG, den SozialversicherungsG, dem OpferfürsorgeG oder den BlindenbeihilfenG eine Parteistellung des Arbeitgebers eines Beschäftigten nicht in Erwägung zu ziehen ist, bedarf keines besonderen Nachweises. Daran hat auch das InvEG nichts geändert. Es wäre nicht folgerichtig, wenn gerade in den Verfahren nach §14 Abs2 und §14a InvEG dem Arbeitgeber Parteistellung eingeräumt wäre.
Wenn der Gesetzgeber die Parteistellung des Arbeitnehmers im Zustimmungsverfahren nach §8 InvEG besonders hervorgehoben hat, so wäre es um so näher gelegen, die Parteistellung des Arbeitgebers im Verfahren zur Feststellung der Invalidität zum Ausdruck zu bringen, wenn eine solche beabsichtigt gewesen wäre. Offenkundig ist der Gesetzgeber aber noch 1973 davon ausgegangen, daß die Aufnahme in den Kreis der begünstigten Invaliden insgesamt und daher auch nach dem InvEG durch Verfahren bewirkt wird, an denen nur der Antragsteller (und gegebenenfalls etwa ein Versicherungsträger), nicht aber auch der Partner eines zufällig bestehenden Arbeitsverhältnisses beteiligt ist. Der Verfassungsgerichtshof pflichtet daher Stolzlechner (Besprechung der Entscheidung des VwGH vom 25.09.85, Z84/09/0035, ZAS 1987/E 17) darin bei, daß alleiniger Gegenstand des Verfahrens und Inhalt des Bescheides die Feststellung der Invalidität, nicht aber auch ein Abspruch über den damit kraft Tatbestandswirkung verbundenen erhöhten Kündigungsschutz (und die Anrechnung auf die Pflichtzahl) ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 8279/1978 und die dort genannte Vorjudikatur, ferner VfSlg. 8397/1978 = JBl. 1980, 308 und VfSlg. 9451/1982) besteht mit Ausnahme von Einzelfällen wie Art119a Abs9 B-VG keine Verfassungsnorm, die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantieren würde. Jedenfalls scheidet das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter als Maßstab für den Gesetzgeber aus, weil eben die durch das Gesetz bestimmte Behörde gegenüber den durch das Gesetz mit Parteirechten ausgestatteten Personen der "gesetzliche Richter" ist. Damit ist die Zuerkennung von Parteirechten freilich nicht in das Belieben des Gesetzgebers gestellt. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz unterliegt nämlich auch dem aus dem Gleichheitssatz (Art7 B-VG, Art2 StGG) abzuleitenden Sachlichkeitsgebot (vgl. zB VfSlg. 7182/1973, 8328/1978, 9094/1981 und 10692/1985). In aller Regel wird danach die Zuerkennung subjektiver Rechte auch die Zuerkennung von Parteirechten erfordern. Je nach dem Zweck des Verfahrens und der Eigenart und Bedeutung der berührten Rechtsposition kann aber auch die Versagung einer Parteistellung sachgerecht sein, wenn das Verfahren in der Hauptsache die Interessen eines anderen wahren soll.
Auch unter Bedachtnahme auf die Auswirkungen im bestehenden Arbeitsverhältnis und in der Frage der Erfüllung der Beschäftigungspflicht kann der hier maßgeblichen Regelung eine Unsachlichkeit nicht vorgeworfen werden.
Die Feststellung der Invalidität ähnelt in ihrer Funktion einer Statusentscheidung, die eine Reihe von Rechtswirkungen in verschiedene Richtungen entfaltet, ohne daß alle Betroffenen oder Berührten dem Verfahren beigezogen werden müssen oder auch nur könnten.
Dazu kommt, daß die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit die Befassung mit höchstpersönlichen Umständen in der Sphäre des Behinderten erfordert und ein Vielparteienverfahren dafür ebenso ungeeignet ist wie eine mehrfache Wiederholung ähnlicher Verfahrenschritte in mehreren Verfahren mit unterschiedlichen Zwecken.
Zum andern ist das im Verhältnis zu den geradezu lebenswichtigen Anliegen des Behinderten geringe Gewicht der in seiner Beziehung zum Arbeitgeber eintretenden Rechtsfolgen von Bedeutung.
Wenn es der Gesetzgeber für diese Rechtsfolgen bei der einmal - wie immer - erfolgten Feststellung der Invalidität bewenden läßt und auch subsidiär ein Verfahren bloß unter Beteiligung des die Begünstigung Anstrebenden vorsieht, handelt er nicht unsachlich.
Der Vorwurf, dem Arbeitgeber wäre dadurch das Recht vorenthalten, vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gehört zu werden, ist nicht begründet. Nicht alles, was Einfluß auf jemandes Rechtsstellung hat, ist "seine Sache" iSd Art6 Abs1 MRK, nicht jede Wirkung einer Entscheidung auf ein Rechtsverhältnis zu einer anderen Person macht die Angelegenheit auch schon mit zu deren Sache. Sie kann alleinige Sache des zunächst Betroffenen bleiben, wenn es sich nur um Nebenwirkungen einer Entscheidung handelt, die für diesen von vielfältiger Bedeutung ist. Die Gründe, die den Ausschluß der Parteistellung des Arbeitgebers sachlich rechtfertigen, gelten auch in diesem Zusammenhang.
Dem Arbeitgeber wird im Verfahren auf Zuerkennung der Invalidität gemäß §14 InvEG 1969 ungeachtet der Auswirkungen der behördlichen Entscheidung auf sein Rechtsverhältnis zum invaliden Arbeitnehmer und die ihm auferlegte Beschäftigungspflicht kein rechtliches Interesse iSd §8 AVG zugestanden.
Der Ausschluß des Arbeitgebers von der Parteistellung im Verfahren zur Feststellung der Invalidität gemäß §14 InvEG 1969 ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Zurückweisung der Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Recht.
Schlagworte
Verwaltungsverfahren, Parteistellung, Invalideneinstellung, SozialversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B639.1987Dokumentnummer
JFR_10118787_87B00639_01