RS Vfgh 1989/2/28 B1710/88

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Veröffentlicht am 28.02.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation / Rechtsverletzung
StGG Art9
MRK Art8
HausrechtsG

Leitsatz

Nachschau durch Organe des Arbeitsamtes in einem Gebäude, das zur Gänze Baustelle war; Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt; Legitimation der verfügungsberechtigten Baugesellschaft gegeben; keine Verletzung des Hausrechtes

Rechtssatz

Die Organe der belangten Behörde drangen gegen den Willen des Verfügungsberechtigten in das Haus ein.

Die Maßnahme stellt einen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangenen Verwaltungsakt dar, der in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift.

Verfügungsberechtigt war damals (auch) die beschwerdeführende Gesellschaft. Es ist daher nicht unmöglich, daß durch die bekämpfte Maßnahme ihre subjektiven Rechte verletzt wurden. Sie ist demnach beschwerdelegitimiert.

Für eine Hausdurchsuchung iS des (auf Verfassungsstufe stehenden) Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 88, zum Schutze des Hausrechtes (HausrechtsG) ist u.a. wesentlich, daß eine "Wohnung" oder "sonstige zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten" durchsucht werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat in dem Erk. VfSlg. 1486/1933 (bekräftigt mit VfSlg. 5182/1965 und 9525/1982) dargetan, daß durch dieses Gesetz "ein die persönliche Würde und Unabhängigkeit verletzender Eingriff in den Lebenskreis des Wohnungsinhabers, in Dinge, die man im allgemeinen berechtigt und gewohnt ist, dem Einblick Fremder zu entziehen", hintangehalten werden soll. Das HausrechtsG bezweckt den Schutz der Intimsphäre des Inhabers jeder "Räumlichkeit", die einer Wohnung vergleichbar ist (vgl. VfSlg. 9525/1982, 10124/1984).

Ein Gebäude, das zur Gänze Baustelle und daher unbewohnt ist, ist grundsätzlich keine - des Schutzes der Intimsphäre bedürftige - Räumlichkeit iS des HausrechtsG. Besondere Umstände, die bewirken könnten, daß Teile einer Baustelle ausnahmsweise doch als derartige Räumlichkeiten anzusehen sind, lagen selbst nach den Beschwerdebehauptungen hier nicht vor. Vielmehr wurde lediglich an einer Baustelle Nachschau gehalten, ob dort ausländische Arbeitnehmer beschäftigt waren.

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also allein schon deshalb nicht im Hausrecht verletzt; es war daher entbehrlich zu untersuchen, ob die behördliche Nachschau überhaupt ein "Durchsuchen" in der Bedeutung des HausrechtsG (vgl. hiezu zB VfSlg. 9525/1982) darstellte.

Aus den gleichen Erwägungen wurde auch in das durch Art8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Wohnung gar nicht eingegriffen (vgl. hiezu etwa VfSlg. 10272/1984, 10547/1985).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Hausrecht Ausübung unmittelb Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1710.1988

Dokumentnummer

JFR_10109772_88B01710_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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