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50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Zulässiger Individualantrag auf Aufhebung des §7 Abs2 Wr. Fiaker-, Taxi- und Mietwagen-BetriebsO 1987 sowie der Wr. Fiakerkundmachung 1987; Delegation der Zuständigkeit in §7 Abs2 zur Erlassung bestimmter Verordnungen durch §10 Abs2 GelegenheitsverkehrsG nicht gedeckt; Beschränkung für das Auffahren auf Fiaker-Standplätzen durch die Wr. Fiakerkundmachung 1987 sachlich nicht gerechtfertigt; Verstoß des Verordnungsgebers gegen die Verpflichtung einer - hier iS des Art6 StGG und des Art7 B-VG möglichen - verfassungskonformen Auslegung des §10 Abs2 GelegenheitsverkehrsGRechtssatz
Der vom Antragsteller behauptete Rechtseingriff würde durch Aufhebung der Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 und des §7 Abs2 Wr. BetriebsO 1987 beseitigt. Da die übrigen Bestimmungen der Wr. BetriebsO 1987 damit nicht in untrennbarem Zusammenhang stehen und durch Aufhebung bloß des §7 Abs2 Wr. BetriebsO 1987 der verbleibende Verordnungsteil auch nicht einen völlig veränderten Inhalt bekäme (vgl. zB VfGH 28.09.1988 G69/88), war der auf Aufhebung der anderen Verordnungsstellen gerichtete Antrag mangels Legitimation zurückzuweisen.
Aktueller Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers, da dem Antragsteller durch diese Verordnungsbestimmung in bestimmter Hinsicht verboten wird, seine Gewerbeberechtigung auszuüben. Kein anderer Rechtsweg zumutbar.
§10 Abs2 GelVerkG enthält keine sogenannte formalgesetzliche Delegation (vgl. hiezu zB VfSlg. 1932/1950, 4300/1962, 7945/1976, 8395/1978, 10.296/1984). Vielmehr ist der Inhalt der Verordnung in ihren wesentlichen Konturen durch das Gesetz selbst vorgezeichnet.
Der erste Teil des §10 Abs2 GelVerkG bezieht sich - wie aus seinem Wortlaut und aus dem Zusammenhalt mit dem Einleitungssatz des vorangehenden Abs1 hervorgeht - auf alle dem GelVerkG unterliegende Gewerbe, also keineswegs bloß auf das Taxigewerbe, sondern auch auf das Fiakergewerbe. Diese allgemeine Verordnungsermächtigung des Landeshauptmannes wird durch die folgenden Beispiele illustriert. Nur das erste Beispiel bezieht sich ausschließlich auf Taxis, während die weiteren Beispiele (zB Regelung der Reihenfolge des Auffahrens auf Standplätzen) ua. auch die Fiaker erfassen; Wortlaut und Zusammenhalt mit den vorhin erwähnten Bestimmungen lassen keine andere Auslegung zu.
Bei einer gemäß §7 Abs2 der Wr. BetriebsO 1987 getroffenen "Verfügung" über das Beziehen von (Fiaker-)Standplätzen - wie bei der dann tatsächlich aufgrund des §7 Abs2 der Wr. BetriebsO 1987 erlassenen Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 - handelt es sich um eine an die Allgemeinheit gerichtete generelle Norm, also um eine Rechtsverordnung. Die vom Landeshauptmann in seiner Gegenschrift vertretene Meinung, §7 Abs2 der Wr. BetriebsO 1987 "verweise den Magistrat als Gewerbebehörde nur darauf, in welcher Richtung er bei Ausübung der ihn treffenden gewerbepolizeilichen Aufsicht vorzugehen hätte" spricht nicht gegen den Rechtsverordnungscharakter der Norm (vgl. zB VfGH 29.02.1988 V11/87; 01.10.1987 V33/87).
§10 Abs2 GelVerkG ermächtigt den Landeshauptmann zur Erlassung bestimmter Durchführungsverordnungen. Damit wird anderen Behörden verwehrt, derartige Verordnungen zu erlassen. Dem Landeshauptmann ist mangels einer anderslautenden, ausdrücklichen Gesetzesbestimmung verboten, die ihm mit §10 Abs2 GelVerkG übertragene Kompetenz weiterzugeben (vgl. Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht, 1988, insb. 523, 532 und die dort zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und weitere Literatur).
Die durch §7 Abs2 Wr. BetriebsO ausgesprochene Delegation widerspricht sohin dem §10 Abs2 GelVerkG und verletzt also den Art18 Abs2 B-VG.
§7 Abs2 der Wr. Fiaker-, Taxi- und Mietwagen-Betriebsordnung, LGBl. für Wien Nr. 21/1987 wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Daher ist auch die (nur) auf der als gesetzwidrig erkannten Bestimmung des §7 Abs2 der Wr. BetriebsO beruhende Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 gesetzwidrig.
Die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 beschränkt die Möglichkeit der Erwerbsausübung und greift daher in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit ein. Ein solcher Eingriff ist als eine Beschränkung der Erwerbsausübung nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfGH 1.12.1987 G132/87, 4.10.1988 G107/88) nur zulässig, wenn er durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt ist. Wenn auch dem (einfachen) Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen steht als bei Regelungen, die den Erwerbsantritt beschränken, weil und insoweit der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre durch Ausübungsregelungen weniger gravierend ist, müssen doch auch Ausübungsregelungen bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein.
Die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 verbietet bestimmten Konzessionsinhabern (nämlich denen die Fahrzeugnummern 37 und darüber zugeteilt wurden - vgl. §10 Wr. BetriebsO 1987) auf bestimmten Fiaker-Standplätzen aufzufahren. Da nun einerseits gemäß §6 der Wr. BetriebsO 1987 in Wien Fiaker nur auf für sie bestimmter Standplätzen auffahren dürfen, andererseits die in der Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 angeführten Standplätze nahezu die einzigen sind, auf denen - wie das Verordnungsprüfungsverfahren ergeben hat - mit dem Zusteigen von Fahrgästen gerechnet werden kann, wird den erwähnten Konzessionsinhabern die Ausübung der Erwerbstätigkeit faktisch fast unmöglich gemacht (vgl. hiezu zB VfSlg. 3968/1961).
Die Wr. Fiaker-Kundmachung 1987 enthält sohin eine Beschränkung für das Auffahren auf Fiaker-Standplätzen, die sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Sie steht im Gegensatz zu §10 Abs2 GelVerkG, sofern diese Gesetzesbestimmung nur verfassungskonform interpretiert wird.
Keine Bedenken gegen §10 Abs2 GelVerkG im Hinblick auf Art6 StGG.
Es liegt nämlich offenkundig im öffentlichen Interesse, gegebenenfalls die Reihenfolge des Auffahrens auf einem Standplatz zu regeln.
Der Verordnungsgeber hat ein von ihm durchgeführtes Gesetz verfassungskonform - so insbesondere, daß es nicht den Art6 StGG und Art7 B-VG widerspricht - auszulegen.
Bei verfassungskonformer Interpretation trägt §10 Abs2 GelVerkG dem Landeshauptmann auf, die Reihenfolge des Auffahrens nicht derart zu regeln, daß bestimmten Konzessionsinhabern die Ausübung ihres Gewerbes in der wirtschaftlichen Auswirkung überhaupt verboten wird; vielmehr muß die für die Gemeinde geltende Auffahrordnung - insgesamt betrachtet - derart beschaffen sein, daß allen Konzessionsinhabern (bei einer Durchschnittsbetrachtung) die gleichen Chancen, Fahrgäste zu bekommen, gewahrt werden.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Prüfungsgegenstand, Behördenzuständigkeit, Delegation formalgesetzliche, Delegierung der Zuständigkeit zur Verordnungserlassung, Gelegenheitsverkehr, Fiaker, Auslegung verfassungskonforme, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:V174.1988Dokumentnummer
JFR_10109699_88V00174_01