Index
65 Pensionsrecht für BundesbediensteteLeitsatz
§19 Abs4 PensionsG 1965 idF BGBl. 426/1985 nichtgleichheitswidrig; keine unsachliche Differenzierung derVersorgungsansprüche Hinterbliebener nach Maßgabe ihresUnterhaltsanspruches; Anordnung unterschiedlicher unterhalts- undpensionsrechtlicher Folgen bei Verschuldensscheidung nach den §§47bis 49 EheG und Zerrüttungsscheidung gem. §55 EheG sachlichgerechtfertigtRechtssatz
§19 Abs4 des PensionsG 1965 - PG 1965, BGBl. 340, idF des Bundesgesetzes, BGBl. 426/1985, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Der Verfassungsgerichtshof hält es nicht für unsachlich, wenn der Gesetzgeber den Hinterbliebenen Versorgungsansprüche nach Maßgabe ihres seinerzeitigen unterschiedlichen Unterhaltsanspruches gegenüber einem verstorbenen Beamten in verschiedenem Umfang gewährt.
Die Regelung des §19 Abs4 PG 1965 iZm. §69 Abs2 EheG ist auch deshalb in sich sachgerecht und widerspricht daher nicht dem Gleichheitssatz, weil der Gesetzgeber dabei ein als von ihm im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zulässigerweise berücksichtigungswürdig erachtetes Ziel (- die Ehescheidung bei mehrjährig aufgehobener häuslicher Gemeinschaft der Ehegatten -) mit einem geeigneten Mittel (- die Sicherung der bisherigen wirtschaftlichen Lebensgrundlage des schutzbedürftigen Ehegatten auch nach der Scheidung -) im Rahmen der ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit anstrebte und verwirklichte.
Durch die unterhalts- und in deren Gefolge auch pensionsrechtliche Regelung der §§69 Abs2 EheG und 19 Abs4 PG 1965 hat der Gesetzgeber sichergestellt, daß der nach §55 EheG beklagte Ehegatte dem Scheidungsbegehren nicht (wie dies vorher häufig der Fall war) lediglich aus wirtschaftlichen Gründen widerspricht und daß derartige wirtschaftliche Erwägungen von der nach §55 Abs2 EheG vorgesehenen Abwägung der Interessen des klagenden und des beklagten Ehegatten ausgespart bleiben. Sowohl das Ziel des Gesetzgebers - zerrüttete Ehen, bei denen die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit mindestens drei Jahren aufgehoben ist, nicht länger aus ausschließlich ökonomischen Interessen des beklagten Ehepartners aufrecht zu erhalten -, als auch das dazu eingesetzte Mittel - die Gewährung eines Unterhalts- und eines Pensionsanspruchs des über Klage des anderen Teiles geschiedenen Ehepartners, der so beschaffen ist, als ob die Ehe nicht geschieden worden wäre -, erscheinen dem Verfassungsgerichtshof aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes als gerechtfertigt.
Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nur dann entgegentreten, wenn sein Regelungsziel an sich unsachlich ist oder wenn er zur Zielerreichung ungeeignete Mittel vorsieht (VfSlg. 8457/1978).
Weil weder das mit den unterhalts- und pensionsrechtlichen Regelungen der §§69 Abs2 EheG sowie 19 Abs4 PG 1965 verfolgte Ziel unsachlich ist noch die unterhalts- und pensionsrechtliche Gleichstellung des nach §55 EheG über Klage des anderen Teiles geschiedenen Ehegatten mit einem Ehegatten, dessen Ehe nicht geschieden wurde, ein im Hinblick auf jenes Ziel ungeeignetes, geschweige denn unsachliches Mittel darstellt, widerspricht §19 Abs4 PG - jedenfalls unter den in den Prüfungsbeschlüssen aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken - nicht dem Gleichheitssatz.
Verschuldensscheidung nach den §§47 ff. EheG und Zerrüttungsscheidung gemäß §55 EheG beruhen auf derart unterschiedlichen Rechtsgedanken (, die in den jeweiligen Scheidungstatbeständen ihren Ausdruck gefunden haben), daß der Gesetzgeber auch die unterschiedlichen unterhalts- und pensionsrechtlichen Konsequenzen anordnen kann.
Mag auch bei der Verschuldens- ebenso wie bei der Zerrüttungsscheidung der unterhalts- und in dessen Gefolge der pensionsrechtliche Anspruch des einen gegenüber dem anderen geschiedenen Ehegatten von dessen Verschulden abhängen, so ist doch nicht zu übersehen, daß dieses Verschulden des dann unterhaltspflichtigen Ehepartners im einen Fall den maßgeblichen Scheidungsgrund bildet, im anderen hingegen lediglich als zusätzlicher, modifizierender Tatbestand zur Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft hinzutritt.
Da es dem Gesetzgeber - im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit - unbenommen bliebe, Ehen lediglich auf Grund des Verschuldens eines Ehepartners scheiden zu lassen, also von einer Zerrüttungsscheidung im Falle des Widerspruchs eines Ehegatten überhaupt abzusehen, so muß ihm auch gestattet sein, nach einer Zerrüttungsscheidung dem in der Beklagtenrolle befindlichen, geschiedenen Eheteil die unterhalts- und pensionsrechtliche Stellung zu belassen, die er bei aufrechter Ehe genießen würde.
Angesichts der, auf völlig unterschiedlichen Rechtsgedanken beruhenden Scheidungstypen wegen Verschuldens einerseits (§§47 - 49 EheG) und wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft andererseits (§55 EheG) verschlägt es unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nichts, wenn der Gesetzgeber daran jeweils unterschiedliche unterhalts- und pensionsrechtliche Folgen für den schuldlos geschiedenen Ehepartner knüpft.
(Anlaßfälle B673/86 12.06.1989, B912/88 13.06.1989, B833/86 14.06.1989)
Entscheidungstexte
Schlagworte
Dienstrecht, Versorgungsgenuß Ehefrau frühere, Eherecht,Gleichheitsrecht Gesetz, EhescheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:G138.1988Zuletzt aktualisiert am
13.08.2010