RS Vfgh 1989/3/16 A16/88

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Veröffentlicht am 16.03.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
ABGB §§1431 ff
BAO §212
BAO §239

Leitsatz

Abweisung einer Klage gegen den Bund auf Bezahlung der gesetzlichen Zinsen für ein Steuerguthaben; keine Anspruchsgrundlage - Absehen des Gesetzgebers von einer Regelung für Verzugszinsen in der BAO steht der analogen Anwendung bürgerlich-rechtlicher Grundsätze entgegen

Rechtssatz

Ansprüche aus Zahlung einer Nichtschuld im Sinne der §§1431 ff. ABGB sind dann keine Materie des Privatrechts, wenn der Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht (und nicht besondere Vorschriften das Verhältnis als privatrechtlich qualifizieren, vgl. VfSlg. 5386/1966, 8065/1977, 8260/1978, 8542/1979, 8666/1979, 8812/1980 und 8954/1980).

Die Frage ist, ob eine Verwaltungsbehörde berufen ist, schlechthin über die "Herausgabe des vom Bund gezogenen Nutzens" aus einem ihm (auf Grund eines später aufgehobenen Bescheides) zu Unrecht zugekommenen Geldbetrag zu entscheiden. Eine solche besondere, über jene auf Entscheidung über Verzugszinsen hinausgehende Zuständigkeit ist nun im Gesetz weder ausdrücklich vorgesehen noch etwa aus der Überlegung abzuleiten, es handle sich hiebei nur um einen Annex zu dem die Hauptsache bildenden vermögensrechtlichen Anspruch (wie bei den Verzugszinsen; VfSlg. 7571/1975, 8542/1977):

Da der Verzug mit der Zahlung einer Hauptforderung gerade nicht Klagegrund sein soll, fehlt es an dem hiezu erforderlichen engen Zusammenhang mit jener Forderung, über die nach §239 BAO das Finanzamt zu entscheiden hat. Die Sache ist daher auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen.

Wohl ist der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, daß die privatrechtlichen Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung auch im öffentlichen Recht direkt oder analog Anwendung finden, um vorhandene Lücken des öffentlichen Vermögensrechtes zu schließen (VfSlg. 8812/1980). Eine solche Lücke liegt jedoch nur vor, wenn nicht Gründe für die Annahme überwiegen - und auch nicht durch das Gebot verfassungskonformer Auslegung entkräftet werden -, der Gesetzgeber habe den behaupteten Anspruch nicht gewähren wollen (so zB für Ansprüche auf Ersatz des Nutzens einer ungerechtfertigten Verwaltungstätigkeit VfSlg. 3695/1960).

Aus dem Schweigen des die Rückzahlung von Guthaben betreffend §239 BAO über die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen ist - wie beide Parteien des Verfahrens einräumen - angesichts der Regelung über die Stundungszinsen (§212 BAO) abzuleiten, daß Verzugszinsen nicht gebühren, der Gesetzgeber vielmehr eine insofern abschließende Regelung getroffen hat (vgl. VfSlg. 8467/1978, wo auch die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Regelung dargetan wird). Verzugszinsen erfüllen nun aber, da sie schon durch objektiven Verzug ausgelöst werden und kein Verschulden erfordern, offenkundig auch eine bereicherungsrechtliche Funktion (zu dieser vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I2, 20, 314, und Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 4 zu §1333). Gebühren im vorliegenden Zusammenhang nicht einmal Verzugszinsen, wäre es daher ein Wertungswiderspruch, wenn man zugleich einen - ähnliche Zwecke erfüllenden - Bereicherungsanspruch auf den Nutzen aus dem rückzuerstattenden Kapitalsbetrag bejahen würde. Das Absehen des Gesetzgebers von einer einschlägigen Regelung steht daher hier einer analogen Anwendung bürgerlich-rechtlicher Grundsätze entgegen. Da auch sonst keine Anspruchsgrundlage erkennbar ist, erweist sich das Klagebegehren als unbegründet. Es ist abzuweisen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Klagen, Zivilrecht / Schuldrecht / Allg / Bereicherung, Fin / Verfahren / Rückzahlung, Rechtsgrundsätze / Analogie,

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:A16.1988

Dokumentnummer

JFR_10109684_88A00016_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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