RS Vfgh 1989/6/12 B1782/88, B1783/88

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Veröffentlicht am 12.06.1989
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / Willkür keine
B-VG Art83 Abs2 / Zuständigkeit
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Sbg GVG 1974 §4 Abs1
Sbg GVG 1986 §3 Abs1

Leitsatz

Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbes; kein Entstehen eines wirtschaftlich gesunden Betriebes; keine willkürliche, keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; keine Verletzung der Liegenschaftserwerbsfreiheit

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §4 Abs1 Sbg. GVG 1974 und den nahezu wortgleichen §3 Abs1 Sbg. GVG 1986 unter Hinweis auf E vom 26.02.1988, B356/87.

Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 7927/1976, 9541/1982, 10921/1986) nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 8309/1978, 9682/1983, 10902/1986).

Diese Vorschrift verbietet es allerdings, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß diesen - ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern - nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise (oder gar ausschließliche) Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (vgl. VfSlg. 5683/1968, 7927/1976). Personen, die zwar gewillt und in der Lage sind, die landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, dies aber im Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstückes nicht tun, dürfen im Hinblick auf das Gleichheitsgebot im gegebenen Zusammenhang nicht schlechter gestellt werden als Personen, die diese Tätigkeit im genannten Zeitpunkt tatsächlich ausüben (VfGH 26. 11. 1987, B702/87). Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung der Rechtsgeschäfte versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen (VfSlg. 9070/1981, 10797/1986, 10822/1986).

Im vorliegenden Fall wurde mit den angefochtenen Bescheiden die grundverkehrsbehördliche Zustimmung nicht versagt, um den Erwerb der in Rede stehenden Grundstücke durch die Beschwerdeführer, die nicht Landwirte sind, zu Gunsten eines Landwirtes, der diese Grundstücke zu erwerben beabsichtigt, zu verhindern; die Versagung der Zustimmung erfolgte vielmehr deshalb, weil die belangte Behörde die im §4 Abs1 Sbg. GVG 1974 bzw. die im §3 Abs1 Sbg. GVG 1986 angeführten Voraussetzungen für die Zustimmung als nicht gegeben ansah.

Somit sind die Beschwerdeführer in dem durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes und (insoweit) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG, §1 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862) wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8176/1977 und die dort zitierte Vorjudikatur; VfSlg. 10261/1984) unter anderem auch verletzt, wenn die Berufungsbehörde über eine Angelegenheit entscheidet, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war.

Daß die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides nicht alle im erstinstanzlichen Bescheid erwähnten Sachverhaltselemente anführte, vermag den Schluß, sie habe ihrer Entscheidung einen anderen Sachverhalt zugrundegelegt als die Behörde erster Instanz, keineswegs zu rechtfertigen. Die Beschwerdeführer sind somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

Keine willkürliche oder denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung gemäß §4 Abs1 Sbg. GVG 1974 bzw. §3 Abs1 Sbg. GVG 1986.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Liegenschaftserwerbsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:B1782.1988

Dokumentnummer

JFR_10109388_88B01782_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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