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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art83 Abs2 / Ablehnung der SachentscheidungLeitsatz
Zulässigkeit einer (Administrativ-)Beschwerde gegen einen Beschluß der OBDK, keinen Grund für eine Disziplinarbehandlung zu sehen; formale Bezeichnung der Erledigung als Zurückweisung bloßes Vergreifen im Ausdruck; inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen in der Bescheidbegründung; keine gesetzwidrige Verweigerung einer Sachentscheidung; gesetzmäßige Zusammensetzung der OBDK; kein Entzug des gesetzlichen RichtersRechtssatz
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach herrschender Rechtsprechung insbesondere dann verletzt, wenn eine zwar an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschied (zB VfSlg. 8731/1980, 10.022/1984).
Die belangte Behörde (di. die OBDK) war im Zeitpunkt der Fällung ihrer Entscheidung in der vom Gesetz geforderten Art zusammengesetzt; eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter fand darum - unter dem hier erörterten Aspekt - nicht statt (die fehlerhaften, mit der Urschrift nicht übereinstimmenden Ausfertigungen des Bescheides der OBDK vom 16.06.1988 wurden inzwischen (mit Beschluß dieser Behörde vom 24.02.1989) entsprechend berichtigt).
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs verletzt ein Bescheid das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ua. auch dann, wenn die bescheiderlassende Verwaltungsbehörde ihre Zuständigkeit in gesetzwidriger Weise ablehnt, etwa indem sie eine Sachentscheidung zu Unrecht verweigert (VfGH 25.2.1988 B1022/87 uva.).
Die Beschwerdelegitimation hängt nicht vom Nachweis der Berufspflichtenverletzung und der Rechtsbeeinträchtigung iS des §53 Z3 DSt ab - die Lösung dieser Fragen bleibt der Entscheidung in der Sache selbst vorbehalten - ; sie ist vielmehr schon dann gegeben (arg.: "erscheint"), wenn die Verletzung in Rechten des Antragstellers behauptet wird und zumindest im Bereich der Möglichkeit liegt. Da dies hier - wie schon aus der (wenngleich fehlerhaft in erster Linie der Frage der Antragslegitimation gewidmeten) Begründung des Bescheides der belangten Behörde erhellt - nicht mit Grund bestreitbar ist, war die Beschwerde an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission zulässig (vgl. zB Dolp-Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., Wien 1987, S 44, FN 4 (zu §34 Abs1 VwGG iVm Art131 Abs1 Z1 B-VG); VfSlg. 5038/1965, 6716/1972 (zu Art144 Abs1 B-VG); VfGH 27.2.1989 B1414/88 (zu §27 Abs1 RFG)).
Vorliegend wies die OBDK nun zwar die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Ablassungsbeschluß spruchmäßig zurück; sie setzte sich jedoch in der Begründung ihres Bescheides mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers inhaltlich hinlänglich auseinander und gelangte dabei - im Ergebnis - zur Auffassung, daß das Rechtsmittel meritorisch unbegründet sei, traf damit also in Wahrheit eine negative Sachentscheidung (siehe auch VfSlg. 8981/1980, 11059/1986; VfGH 28.09.1987 B45/87).
Dafür, ob die Behörde mit ihrer Erledigung einen Antrag (als unzulässig) zurückwies, ist nicht allein die sprachliche Fassung des Spruchs maßgebend. Ob die formale Bezeichnung einer Erledigung als "Zurückweisung" zutrifft, ist nämlich der (Entscheidungs-)Begründung zu entnehmen; wurde nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe (über den - formal zurückgewiesenen - Antrag) in Wahrheit meritorisch abgesprochen, dann hatte sich die Behörde nach herrschender Rechtsprechung lediglich im Ausdruck vergriffen, ohne daß ihr eine Grundrechtsverletzung zur Last fiele (VfSlg. 11017/1986 und dort zitierte Vorjudikatur).
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Auslegung eines Bescheides, Kollegialbehörde Zusammensetzung, gesetzlicher RichterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1865.1988Dokumentnummer
JFR_10109388_88B01865_01