TE Vfgh Beschluss 2004/6/28 B657/04

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Veröffentlicht am 28.06.2004
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §85 Abs2 / Fremdenpolizei / Sichtvermerke

Spruch

Dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 VfGG k e i n e Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

1. Mit Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 2. April 2004 wurde der antragstellenden Gesellschaft mitgeteilt, daß ihr die Akkreditierung für die Mitwirkung an der Durchführung eines "vereinfachten Verfahrens" (gemäß Teil VIII Pkt. 5 der Gemeinsamen konsularischen Instruktion des Rates an die diplomatischen Missionen und die konsularischen Vertretungen, die von Berufskonsularbeamten geleitet werden, ABl. 16.12.2002, 2002/C313/01 iVm. den Richtlinien des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten zur Handhabung von Visaanträgen im Wege von Reisebüros), bei der Visaerteilung bei touristischen (Gruppen-) Pauschalreisen (vorläufig) entzogen und auch einem Antrag auf Wiederakkreditierung keine Folge gegeben werde.

2.1. In der gegen dagegen erhobenen Beschwerde wird der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Begründend wird ua. ausgeführt, daß die Aufhebung der Akkreditierung bzw. die Verweigerung der Wiederakkreditierung für die antragstellende Gesellschaft einen unverhältnismäßigen, nicht wiedergutzumachenden Nachteil bedeute. Die antragstellende Gesellschaft sei auf dem russischen und ukrainischen Markt als Marktführer für die Vermittlung von Touristenreisen nach Österreich bekannt, insbesondere deswegen, als sie für ihre Kunden Visa-Anträge im "vereinfachten Bewilligungsverfahren" stellen konnte und durfte. Durch die Entziehung erleide die antragstellende Gesellschaft nicht nur einen erheblichen Imageverlust, weil die Touristen wegen des Fehlens der Akkreditierung die Dienste der antragstellenden Gesellschaft nun nicht mehr in Anspruch nehmen, sondern auch einen erheblichen Vermögensschaden, welcher sich derzeit auf € 250.000,-

beziffere. Neben den finanziellen Konsequenzen bestehe der Nachteil auch im Verlust der Marktposition und des Marktanteils, was auch im Falle eines späteren Obsiegens nicht wieder gutzumachen wäre.

2.2. Im Verfahren über die Erteilung der aufschiebenden Wirkung erstattete der Bundesminister für Inneres eine Äußerung, in der er anführte, daß eine Betrauung der antragstellenden Gesellschaft mit der Durchführung des vereinfachten Verfahrens aufgrund von Vorfällen, in denen "vermehrt einzelne Reisende oder ganze Gruppen die Visaerteilung nutzen, um im Schengenraum unterzutauchen oder illegaler Erwerbstätigkeit nachzugehen", wobei das Abspringen dieser Personen von der antragstellenden Gesellschaft nicht gemeldet, Routenplanungen und Buchungen willkürlich geändert und ebenfalls nicht bekannt gegeben werden, aus sicherheitspolizeilichen Gründen nicht zu vertreten sei. Im einzelnen wird dazu ausgeführt:

"Am 07.03.2002 wurden an der Grenzübergangsstelle Nickelsdorf acht ukrainische Staatsbürger nach Annullierung deren Visa zurückgewiesen, nachdem sie widersprüchliche Angaben über das tatsächliche Reiseziel gemacht haben. Eingereicht wurde die Gruppe in Kiew vom Partnerbüro L und von [es folgt der Name der antragstellenden Gesellschaft].

Der österreichische Verbindungsbeamte in Kiew teilt am 29.04.2003 mit, dass eine namentlich bekannte Person niederschriftlich angab, dass sie US $ 650 für ein Visum bezahlen musste, nachdem sie sich aufgrund eines Zeitungsinserates an eine Visumagentur gewandt hat. Der entsprechende Antrag wurde von einem Partnerbüro von [der antragstellenden Gesellschaft] mit Einladungsschreiben von [der antragstellenden Gesellschaft] und nachgewiesenermaßen gefälschten Unterlagen bei der Österreichischen Botschaft [in] Kiew eingereicht.

Der Verbindungsbeamte in Kiew teilt am 24.06.2003 mit, dass die ukrainische Staatsanwaltschaft gegen Partnerbüros von [der antragstellenden Gesellschaft] wegen großangelegter Dokumentenfälschung zur Einreichung von österreichischen Visa ermittelt.

Am 17.07.2003 musste im Rahmen der Dublinvereinbarung ein Asylwerber aus Deutschland rückübernommen werden. Er reiste mit einem von [der antragstellenden Gesellschaft] eingereichten Visum nach Deutschland.

Am 25.07.2003 teilt die Österreichische Botschaft [in] Kiew mit, dass [die antragstellende Gesellschaft] für drei Personen Visa für eine Österreichreise beantragt hat, obwohl sich später herausgestellt hat, dass diese Personen über ein anderes Reisebüro ursprünglich eine Kroatienreise gebucht hatten.

Im Schreiben an [die antragstellende Gesellschaft] vom 13.08.2003 wurden bereits folgende drei Vorfälle erwähnt, zu denen [die antragstellende Gesellschaft] eine Entgegnung übermittelt hat, die jedoch nicht zu überzeugen vermochte:

Eine Überprüfung der Pension M in Wien 7, ... hat ergeben, dass eine 52-köpfige Reisegruppe, die von 26.-30.04.2003 gebucht war, bereits am 27.04. wieder mit unbekanntem Ziel abgereist ist. Eine Hotelüberprüfung im Hotel S in Wien 14 ergab, dass eine 22-köpfige Reisegruppe, die aufgrund der Reservierung von 2.-8.05.2003 die Visa erhalten hat, nie im Hotel angekommen ist. Eine bei der Botschaft in Kiew vorgelegte Hotelbuchung des Hotels G in D-10717 Berlin stellte sich als Totalfälschung heraus.

Am 19.09.2003 gab ein Asylwerber gegenüber dem Bundeskriminalamt in Wien niederschriftlich an, dass er ursprünglich nach Österreich auswandern wollte und sich deshalb an eine entsprechende Person in Kiew gewandt hat. Er hätte US $ 550 dafür zahlen müssen. Der entsprechende Visumantrag wurde von einem [Partner der antragstellenden Gesellschaft] eingereicht. Er habe dann in Österreich um Asyl angesucht, um bleiben zu können.

Er sei mit einem Bus nach Österreich gereist, der Arbeitswillige nach Italien befördert hat.

Am 06.10.2003 teilt die Botschaft mit, dass ein Tourist, der über [die antragstellende Gesellschaft] eine Österreichreise gebucht hatte, in Wien aus dem Bus gestiegen ist und Asyl beantragt hat. Er gab hiebei an, dass der Bus non stop nach Italien durchgefahren ist.

Das Deutsche Bundeskriminalamt teilt am 13.10.2003 mit, dass eine siebenköpfige Reisegruppe mit österreichischen Visa in Italien aufgegriffen wurde. Sie hatten totalgefälschte Hotelbestätigungen des Hotels L-H in Hannover bei sich. Eingereicht wurden die Visaanträge bei der Österreichischen Botschaft Kiew über das Partnerbüro S und [der antragstellenden Gesellschaft].

All diese Vorfälle sind bereits mehr als geeignet, die Glaubwürdigkeit eines Reisebüros soweit zu erschüttern, dass die Regelungen über die vereinfachte Antragstellung nicht mehr anzuwenden sind. Dabei ist auch anzumerken, dass die Vorfälle nicht von einer einzigen Behörde, sondern von mehreren Behörden und Dienststellen und sogar von ausländischen Behörden an das Bundesministerium für Inneres herangetragen wurden.

Bei einer Besprechung am 09.12.2003 wurde vereinbart, dass die [die antragstellende Gesellschaft] einen Maßnahmenkatalog vorlegt, wie derartige Vorfälle in Zukunft zu vermeiden sind. Lt. telefonischer Angaben des Rechtsvertreters vom 31.04.2004 werden diese Regelungen bereits seit Vorlage eingehalten.

Zwei Wochen nach dieser Besprechung traf ein Schreiben des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten ein, mit welchem Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen hervorging, dass die Pässe einer Reisegruppe (50 Personen) von A-T, österr. Incomer [es folgt der Name der antragstellenden Gesellschaft], der Österreichischen Botschaft [in] Kiew nach angeblich erfolgter Wiederausreise vorgelegt wurden, wobei sämtliche Pässe gefälschte Ein- und Ausreisestempel aufwiesen, die Personen selbst hielten sich nach wie vor in Italien auf.

Am 27.03.2004 wurde eine weitere Reisegruppe am Grenzübergang Nickelsdorf zurückgewiesen. Diese Reisegruppe hatte bei der Antragstellung eine Reservierung für das Hotel K in Wien 6 vorgelegt und gab an, über Wien Schwechat einreisen zu wollen. Die tatsächliche Einreise sollte dann aber über Nickelsdorf stattfinden, wobei der Fahrer angab, nach Portugal zu wollen. Eine Hotelbuchung konnte nicht vorgewiesen werden. Eine solche wurde jedoch am folgenden Tag für Appartements M in Wien 6 vorgelegt. Im Hotel K war die Gruppe nach Erhebungen der Grenzübergangstelle Nickelsdorf nicht bekannt. Der Fahrer gab weiters an, ein Teil der Gruppe sei bereits am Vortag mit einem PKW nach Portugal gereist."

3. Gemäß §85 VfGG hat der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluß aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung stehen jedoch - wie sich aufgrund der Äußerung des Bundesministers für Inneres ergibt - zwingende öffentliche Interessen entgegen. Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher gemäß §85 Abs2 VfGG keine Folge zu geben.

Schlagworte

VfGH / Wirkung aufschiebende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B657.2004

Dokumentnummer

JFT_09959372_04B00657_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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