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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
"Nachschau" bewaffneter Sicherheitswachebeamter in der Wohnung des (abwesenden) Beschwerdeführers; Zustimmung der fremdsprachlichen Vertreterin des Beschwerdeführers nicht anzunehmen; Verletzung des Hausrechtes wegen fehlender gesetzlicher Grundlage für die als Hausdurchsuchung anzusehende AmtshandlungRechtssatz
Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, wurde - entgegen der in der Gegenschrift der belangten Behörde aufgestellten Behauptung - den Beamten weder vom Wohnungsinhaber (der gar nicht anwesend war) noch von einem Vertreter (etwa seiner Schwiegermutter) der Eintritt in die Wohnung und die Nachschau freiwillig gestattet; ein richterlicher Auftrag lag nicht vor. Das Betreten der Wohnung und deren Besichtigung war sohin ein Verwaltungsakt in Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, der nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar ist (vgl. zB VfSlg. 10523/1985 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).
Durch den Schutz des Hausrechtes soll - wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (zB VfSlg. 10897/1986) - ein die persönliche Würde und Unabhängigkeit verletzender Eingriff in den Lebenskreis des Wohnungsinhabers, in Dinge, die man im allgemeinen berechtigt und gewohnt ist, dem Einblick Fremder zu entziehen, hintangehalten werden; bereits eine systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objektes (so etwa eines Kastens) genügt, um als Hausdurchsuchung gewertet zu werden.
Die stattgefundene Besichtigung der Wohnung des Beschwerdeführers ist als Hausdurchsuchung zu qualifizieren.
Vorliegen einer Zustimmung der fremdsprachlichen Vertreterin des Wohnungsinhabers mangels verbaler Verständigungsmöglichkeiten nicht anzunehmen.
Tatsächlich fehlte für die Hausdurchsuchung eine gesetzliche Grundlage. So bietet das Fremdenpolizeigesetz hiefür keine Handhabe. Sollte der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung vorgelegen sein - was die belangte Behörde andeutet - so wäre die Hausdurchsuchung dennoch nicht rechtmäßig: Nach §2 des HausrechtsG und §141 Abs2 StPO kann zwar eine Hausdurchsuchung auch durch die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorgenommen werden, wenn gegen jemanden ein Vorführungs- oder Haftbefehl erlassen oder wenn jemand auf der Tat betreten, durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf als einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet oder im Besitze von Gegenständen betreten wird, die auf die Beteiligung an einer solchen hinweisen. Eine solche Hausdurchsuchung ist gemäß §5 HausrechtsG nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung (§§139 ff. StPO) durchzuführen. Bei Ermangelung dieser Voraussetzungen der StPO aber ist eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Befehl verfassungswidrig (vgl. zB VfSlg. 10523/1985).
Es ist offenkundig, daß diese Voraussetzungen hier fehlten. Die Behörde wäre also verhalten gewesen, einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl einzuholen, wenn tatsächlich der konkrete Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung bestanden haben sollte.
Der Verfassungsgerichtshof hat im gegebenen Zusammenhang nicht zu beurteilen, ob es zweckmäßig wäre, unter bestimmten Voraussetzungen (etwa des präventiven Staatsschutzes) gesetzlich eine Hausdurchsuchung auch zur Verbrechensvorbeugung zuzulassen, sowie ob und inwieweit dies dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art11 Abs2 MRK und dem sich daraus ergebenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspräche.
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Hausdurchsuchung, HausrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B1453.1988Dokumentnummer
JFR_10109387_88B01453_2_01