RS Vfgh 1989/6/16 G15/89

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Veröffentlicht am 16.06.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Bgld GemeindestrukturverbesserungsG §6 Z8

Leitsatz

Zurückweisung des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung des §6 Z8 Bgld. GemeindestrukturverbesserungsG wegen fehlender Präjudizialität - Zusammenhang mit den eine Voraussetzung für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Bauverfahren bildenden Rechtsvorschriften zu weit

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof hat zur Prozeßvoraussetzung der Präjudizialität bei der amtswegigen Einleitung eines Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahrens in ständiger Judikatur (VfSlg. 9751/1983, 10816/1986; VfGH 24.06.1987 A2/87) dargetan, daß diese Frage auch nach der durch die B-VG-Novelle BGBl. 302/1975 geschaffenen Verfassungsrechtslage in gleicher Weise zu beurteilen sei wie nach der früheren Fassung der Art139 und 140 B-VG (vgl. VfSlg. 7949/1976, S. 436), wonach es darauf ankam, ob die generelle Norm "Voraussetzung" für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in einer bei ihm anhängigen Rechtssache war.

Es sei offenkundig, daß die Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG den Verfassungsgerichtshof nicht dazu ermächtigen, jede generelle Norm von Amts wegen zu prüfen, die für seine Entscheidung auch nur irgendwie von Bedeutung sein kann; denn irgendwie bedeutsam könne letztlich jede Norm, dh. die gesamte Rechtsordnung sein. Der Sinn dieser bundesverfassungsgesetzlichen Vorschrift sei es vielmehr, den Umfang jener genereller Normen, die zu prüfen der Verfassungsgerichtshof befugt ist, einzugrenzen. Diese Schranken ließen sich nicht allgemein umschreiben; die Entscheidung habe der Verfassungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles zu treffen (vgl. Kelsen-Froehlich-Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, Wien und Leipzig 1922, S 254).

Der Verfassungsgerichtshof ist bei Gesetzesprüfungsverfahren, die auf Antrag eines (anderen) Gerichtes eingeleitet werden, nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984).

Bei Entscheidung über die vorliegende Beschwerde (gegen einen in einer Bausache ergangenen Vorstellungsbescheid) hat der Verwaltungsgerichtshof - wie ihm beizupflichten ist - nicht bloß die materiellen Rechtsvorschriften und die das Verfahren (im engeren Sinn) regelnden Vorschriften (insbesondere das AVG 1950) anzuwenden, sondern auch jene Bestimmungen, aus denen die Zuständigkeit der Burgenländischen Landesregierung zur Erlassung des bekämpften Vorstellungsbescheides sowie die Kompetenz der in erster und zweiter Instanz eingeschrittenen Gemeindebehörden abzuleiten ist. Eine allenfalls mangelnde Zuständigkeit der Gemeindebehörden wäre nämlich von der Burgenländischen Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren wahrzunehmen gewesen (vgl. zB VfSlg. 8229/1977, 9026/1981, 9751/1983).

Um zu beurteilen, ob im Bauverfahren die örtlich und sachlich zuständigen Behörden eingeschritten sind, hatte die belangte Behörde als Gemeindeaufsichtsbehörde §3 lita AVG 1950 iVm den entsprechenden Vorschriften der Bgld. Bauordnung und der Bgld. Gemeindeordnung zu beachten. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sie im Anlaßbeschwerdeverfahren anzuwenden.

Es war und ist ohne weiteres einsichtig, daß hier zur Entscheidung über den Antrag des Bauwerbers die Organe der Gemeinde Neustift bei Güssing zuständig waren. Der Zusammenhang zwischen den Grenzen der Gemeinden und einem konkreten Verwaltungsverfahren ist derart weit, daß die diese Grenzen festlegenden Rechtsvorschriften offenkundig nicht präjudiziell sind (vgl. das einen völlig gleichgelagerten Fall betreffende Erk. VfSlg. 9751/1983).

Entscheidungstexte

  • G 15/89
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 16.06.1989 G 15/89

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Behörde / Zuständigkeit, Gemeinderecht / Zusammenlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:G15.1989

Dokumentnummer

JFR_10109384_89G00015_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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