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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Klage einer spitalerhaltenden Gemeinde gegen das Land Vorarlberg auf Zahlung von Betriebsabgängen; freiwillig von der Gemeinde übernommene Aufgabe - nur "subsidiäre" Plicht des Landes zur Sicherstellung von Krankenanstaltenpflege; Abweisung; keine Bedenken gegen die Kostentragungsregelung in §1 und §2 Vbg. SpitalbeitragsG im Hinblick auf das GleichheitsgebotRechtssatz
Zulässigkeit einer auf §2 F-VG, allenfalls §1042 ABGB gestützten Klage einer Stadtgemeinde als Rechtsträger des "allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Bludenz" gegen das Land Vorarlberg.
Die Gebietskörperschaften haben, wie sich aus §12 Abs1 F-VG 1948 ergibt, Pflichtaufgaben zu erfüllen, sie können aber auch freiwillig Aufgaben übernehmen (vgl. Wenger/Höss, Juristische Grundlagen der Verwaltungsorganisation und Aufgabenverteilung, in: Matzner (Hrsg), Öffentliche Aufgaben und Finanzausgleich (Wien 1977), 53 (60 f)). Beim Betrieb der öffentlichen Krankenanstalt der Stadt Bludenz handelt es sich um die freiwillige Übernahme dieser Aufgabe durch die klagende Gebietskörperschaft. Daran ändert es auch nichts, daß §13 SpitalG von einer Pflicht der Rechtsträger zum Betrieb von Krankenanstalten ausgeht und die Rechtsträger verpflichtet, der Landesregierung freiwillige Betriebsunterbrechungen oder die Auflassung der Krankenanstalt anzuzeigen, und sowohl eine Betriebsunterbrechung als auch die Auflassung nur mit Bewilligung der Landesregierung zuläßt. Diese Beschränkungen der Entschlußfreiheit liegen nämlich im öffentlichen Interesse und sind durch die Verpflichtung, die Krankenanstaltspflege sicherzustellen, gerechtfertigt. Die (Betriebs-)Pflicht findet jedoch dort ihre Grenze, wo die Pflichtaufgabe des Landes einsetzt, die sich aus §18 KAG und §7 SpitalG ergibt. Eine verfassungskonforme, an Art7 B-VG und §4 F-VG 1948 orientierte Auslegung gebietet, §13 SpitalG dahin zu verstehen, daß dem Land der Eintritt in diese Verpflichtung in angemessener Frist möglich ist, verbietet es aber, §13 SpitalG einen Inhalt beizumessen, nach dem das Recht der Gemeinde zur Auflassung einer Krankenanstalt über die insoferne bedingte Befugnis hinaus eingeschränkt wird. Dies trifft auch für die klagende Stadt Bludenz als Rechtsträger des allgemeinen Krankenhauses der Stadt Bludenz zu.
Der Betrieb der öffentlichen Krankenanstalt durch die Stadt Bludenz beruht als Rechtsträger auf eigenem Entschluß, es handelt sich also um eine freiwillig übernommene Aufgabe, und es steht der Stadt Bludenz daher grundsätzlich frei, von der Erfüllung dieser Aufgabe wieder zurückzutreten. Damit hat aber die klagende Stadtgemeinde auch den Aufwand der von ihr betriebenen Krankenanstalt selbst zu tragen, soweit sich aus gesetzlichen Bestimmungen oder aus vertraglichen Vereinbarungen mit dem Land (deren Bestehen im Beschwerdefalll gar nicht behauptet wird) nicht ergibt, daß von anderer Seite Beiträge zu den Aufwendungen zu leisten sind.
Die Verpflichtung der Stadt Bludenz als Rechtsträger der Krankenanstalt zur Tragung von Betriebsabgängen ergibt sich, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, bereits aus dem Umstand, daß sie die Krankenanstalt aus eigenem Entschluß führt und dementsprechend die damit verbundenen Aufwendungen selbst zu zahlen hat, auch wenn ihr das Gesetz eine solche Pflicht nicht verbis auferlegt.
Verfehlt ist aber auch die Ansicht der klagenden Partei, daß das Land ohne Rücksicht darauf, ob der Bedarf nach Krankenanstaltspflege durch öffentliche Krankenanstalten, die von Gebietskörperschaften oder Privaten freiwillig betrieben werden, bereits sichergestellt ist, nach §2 F-VG 1948 zur Zahlung von Betriebsabgängen solcher Krankenanstalten verpflichtet wäre; §2 F-VG 1948 verpflichtet nämlich das Land nur zur Tragung des Aufwandes für Krankenanstalten, die vom Land selbst betrieben werden; §1042 ABGB kommt ebenfalls nur insoweit in Frage, als das Land der aus §7 SpitalG erfließenden Pflicht zur Besorgung solcher Aufgaben nicht nachkommt.
Die Verpflichtung jedes Bundeslandes zur Sicherstellung der Krankenanstaltspflege im eigenen Bundesland kann sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß sie das Land erst dann zu Handlungen zwingt, wenn sich keine anderen Rechtsträger für die Errichtung und den Betrieb einer Krankenanstalt gefunden haben, oder wenn diese eine Krankenanstalt wieder auflassen.
Eine historische Betrachtung zeigt, daß sowohl nach den Vorläuferbestimmungen des KAG als auch des SpitalG und SpBG eine Verpflichtung des Landes, die Krankenanstaltspflege sicherzustellen, immer nur soweit bestand, als dies mangels anderweitiger Vorsorge notwendig war.
Es ist offenkundig, daß die geltenden Regelungen als intrasystematische Fortentwicklung dieses Konzepts zu verstehen sind.
Bei diesem Ergebnis steht der Klägerin gegen das Land Vorarlberg hinsichtlich des eingeklagten 20 %igen Betriebsabganges weder nach §2 F-VG 1948 noch - sinngemäß - nach §1042 ABGB ein Anspruch zu.
Eine Gleichheitswidrigkeit der Regelung der §§1 und 2 SpBG, die darin begründet wäre, daß spitalerhaltende Gemeinde durch ihre Beitragspflicht für Patienten, die in der Gemeinde ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, und zusätzlich durch Betriebsabgänge als Rechtsträger einer Krankenanstalt belastet sind, während nicht spitalerhaltende Gemeinden mit solchen Betriebsabgängen nicht belastet sind, kann schon deshalb nicht vorliegen, weil - was die Klägerin unberücksichtigt läßt - der Betrieb von Krankenanstalten durch spitalerhaltende Gemeinden auf eigenem Entschluß beruht; die aus der Rechtsträgerschaft erwachsenden Zahlungspflichten können daher mit den gesetzlichen Beitragspflichten für Patienten aus der Gemeinde nicht addiert werden und folglich auch nicht als Doppelbelastung im Vergleich zu den Aufwendungen nicht spitalerhaltender Gemeinden gesehen werden. Eine Gleichheitswidrigkeit des §2 SpBG läßt sich hieraus jedenfalls nicht ableiten. Im Ergebnis Gleiches gilt im Verhältnis spitalerhaltender Gemeinden zu Rechtsträgern, die nicht Gebietskörperschaften sind, da letztere für Gemeindeangehörige iS des §2 Abs1 SpBG nicht beitragspflichtig werden können; weil es sich bei ihnen eben nicht um Gemeinden handelt, können auf §2 SpBG beruhende Belastungen spitalerhaltender Gemeinden für Patientenbeiträge in einen Vergleich nicht einbezogen werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken aus der Sicht des §4 F-VG 1948 könnten hier generell nur insoweit auftreten, als Gemeinden für Patienten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Gemeinde haben, anteilsmäßig zu Beitragsleistungen durch §2 Abs1 SpBG verpflichtet sind. Bedenken aus dieser Sicht hat die klagende Stadt Bludenz aber nicht vorgebracht. Soweit aber spitalerhaltende Gemeinden als freiwillige Rechtsträger einer Krankenanstalt mit deren Betriebsabgängen belastet sind, kommt ein Verstoß gegen §4 F-VG 1948 gar nicht in Frage, weil es ihnen freisteht, eine von ihnen betriebene Krankenanstalt - wenn auch unter Beachtung einer durch öffentliche Interessen gerechtfertigten begrenzten Pflicht zur Aufrechterhaltung des Betriebes - wieder aufzulassen.
Schlagworte
Krankenanstalten, VfGH / KlagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:A5.1988Dokumentnummer
JFR_10109384_88A00005_01