Index
70 SchulenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Zulässigkeit der Anfechtung eines Intimationsbescheides betreffend Ernennung eines Amtsdirektors eines Landesschulrates durch eine abgewiesene Mitbewerberin; offene Frist mangels Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin; kein Beginn des Fristenlaufes durch Kenntniserlangung; Verletzung im Gleichheitsrecht durch den nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof erlassenen Ersatzbescheid betreffend die Abweisung einer Bewerbung um die Funktion des Amtsdirektors eines Landesschulrates mangels ausreichender Begründung der Auswahlentscheidung auch im ErsatzbescheidSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 2.142,-- Euro bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin, die seit dem Jahr 1995 an der Volksschule Pöttsching als deren Direktorin tätig ist, bewarb sich - neben anderen Personen - um die öffentlich ausgeschriebene Planstelle eines Landesschulinspektors/einer Landesschulinspektorin für allgemein bildende Pflichtschulen im Bereich des Landesschulrates für Burgenland.
Dem Beschwerdevorbringen zu Folge habe das Kollegium des Landesschulrates - nach Durchführung eines Auswahlverfahrens gemäß dem im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Burgenland Nr. 112/2000 kundgemachten "Auswahlverfahren für die Erstattung von Dreiervorschlägen für leitende Funktionen im Bundesbereich durch das Kollegium des Landesschulrates für Burgenland ('Auswahlverfahren 2000')" - in seiner Sitzung vom 28. Mai 2001 für die Besetzung der in Rede stehenden Planstelle einen Dreiervorschlag erstattet, in dem der letztlich ernannte Bewerber an die erste Stelle und die Beschwerdeführerin an die dritte Stelle gereiht war. Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur habe daraufhin dem Bundespräsidenten den erstgereihten Bewerber zur Ernennung auf die ausgeschriebene Planstelle vorgeschlagen.
Dieser Bewerber wurde sodann mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 11. Dezember 2002 auf die Planstelle eines Landesschulinspektors ernannt, wovon der Genannte mit (Intimations-)Bescheid der Bundesministerin vom 16. Dezember 2002 in Kenntnis gesetzt wurde. Dieser Bescheid lautete wie folgt:
"Der Bundespräsident hat Sie mit Entschließung vom 11. Dezember 2002 gemäß §§2 bis 5 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2003 auf die Planstelle eines Landesschulinspektors (Verwendungsgruppe SI 1) im Planstellenbereich der Schulaufsicht des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur ernannt.
Gleichzeitig betraue ich Sie mit der Schulaufsicht für allgemein bildende Pflichtschulen im Bereich des Landesschulrates für Burgenland und weise Sie dem Landesschulrat für Burgenland, wo Sie Ihren ständigen Amtssitz haben, zur Dienstleistung zu.
Es ist mir eine besondere Freude, Sie hievon mit meinen besten Glückwünschen in Kenntnis zu setzen."
Die Beschwerdeführerin wurde mit Schreiben des Landesschulrates für Burgenland vom 22. Jänner 2003 von der "Übergabe der Planstelle verständigt". Dieses Schreiben lautete wie folgt:
"Bezugnehmend auf Ihre Bewerbung um die Stelle eines Landesschulinspektors/einer Landesschulinspektorin für allgemein bildende Pflichtschulen der Verwendungsgruppe SI 1 teilt der Landesschulrat für Burgenland mit, dass diese Stelle bereits anderwärtig besetzt wurde."
Am 3. November 2003 kam dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eine Kopie des oben wiedergegebenen (Intimations-)Bescheides vom 16. Dezember 2002 zu.
2. Mit der vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin - unter Berufung auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf gleiche Zugänglichkeit zu öffentlichen Ämtern und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter - gegen den (Intimations-)Bescheid vom 16. Dezember 2002 und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
3. Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde ist zulässig.
1.1. Die im vorliegenden Fall der Ernennung eines Landesschulinspektors maßgeblichen Bestimmungen des Art81b B-VG lauten wie folgt:
"(1) Die Landesschulräte haben Dreiervorschläge zu erstatten
a) ...
b) für die Besetzung der Dienstposten des Bundes für die bei den Landes- und Bezirksschulräten tätigen Schulaufsichtsbeamten sowie für die Betrauung von Lehrern mit Schulaufsichtsfunktionen,
c) ...
(2) Die Vorschläge nach Abs1 sind an den gemäß Art66 Abs1 oder Art67 Abs1 oder auf Grund sonstiger Bestimmungen zuständigen Bundesminister zu erstatten. Die Auswahl unter den vorgeschlagenen Personen obliegt dem Bundesminister."
Nähere Regelungen betreffend die Ernennung der Schulaufsichtsbeamten sind weiters im Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 getroffen.
Für Bewerber um den Dienstposten eines Landesschulinspektors besteht dem zu Folge weder ein Anspruch auf Ernennung noch wird ihnen im Verfahren ausdrücklich Parteistellung eingeräumt. Aus Art81b Abs2 zweiter Satz B-VG ergibt sich jedoch, dass im Falle des Zustandekommens eines entsprechenden Dreiervorschlages des Kollegiums des Landesschulrates nur eine Person ernannt werden darf, die in diesen Besetzungsvorschlag aufgenommen ist; der Dreiervorschlag ist also insofern bindend. Dem entsprechend bilden die in diesen Vorschlag aufgenommenen Personen eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft; die Ernennung einer der in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Personen berührt auch die Rechtssphäre der übrigen mit ihr eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft bildenden Personen, denen ein Recht auf fehlerfreie Ausübung des der Bundesministerin zukommenden Auswahlermessens zusteht und somit Parteistellung zukommt (vgl. VfSlg. 15.925/2000 mwH).
1.2. Auch an der Rechtzeitigkeit der Beschwerde besteht kein Zweifel: Wie aus dem - in dieser Hinsicht seitens der belangten Behörde unbestrittenen - Beschwerdevorbringen hervorgeht, gelangte der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin zwar zur Kenntnis, er wurde ihr aber bis dato nicht zugestellt. Durch die (bloße) Kenntniserlangung vom Inhalt eines Bescheides wird aber die Beschwerdefrist iSd. §82 Abs1 VfGG nicht in Gang gesetzt; solange die Zustellung nicht erfolgt, kann daher jederzeit Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde wurde somit rechtzeitig eingebracht, ohne dass untersucht zu werden braucht, wann der Beschwerdeführerin der angefochtene Bescheid zur Kenntnis gelangt ist (s. etwa VfSlg. 9655/1983, 10.637/1985, 13.287/1992, 13.543/1993 mwH).
2.1. Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde im Besonderen vor, sie habe durch willkürliches Vorgehen den Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Die vorliegende Entscheidung sei nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde habe keinerlei Gründe für ihre Entscheidung angegeben; auch habe sie die sachliche Rechtfertigung des ihr vorgelegten Dreiervorschlages nicht geprüft. Sie habe zudem vor ihrer Entscheidung keinerlei eigene Beurteilungsschritte gesetzt und keinen Vergleich der Qualifikationen der in den Dreiervorschlag aufgenommenen Bewerber vorgenommen. Dies wiege umso schwerer, als der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt Entscheidungen in Ernennungsverfahren wegen mangelhafter Begründung aufgehoben habe; umso mehr müsse man der Behörde im vorliegenden Fall - in dem sie überhaupt keinen (begründeten) Bescheid erlassen und zugestellt habe - willkürliches Vorgehen zum Vorwurf machen.
2.2. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin - im Ergebnis - im Recht.
Wie bereits dargestellt wurde (vgl. Pkt. II.1.1.), steht der Beschwerdeführerin - als einer in den bindenden Dreiervorschlag des Landesschulrates aufgenommenen Bewerberin - ein Recht auf fehlerfreie Ausübung des der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur zukommenden Auswahlermessens zu. Die Bundesministerin hat ihre Auswahl sachlich auszuüben und zu begründen. Ob sie dies in der Weise tut, dass sie sich der Empfehlung des Landesschulrates anschließt und eine die Kandidaten reihende Bewertung übernimmt oder ob sie von der Auffassung des Landesschulrates abweicht, etwa indem sie die Kriterien für die Eignung anders gewichtet (was freilich eine eigene Begründung, die sich mit den Bewertungen im Dreiervorschlag auseinandersetzt, erfordert), liegt in ihrem Ermessen, ebenso wie es im Ermessen des ernennenden Bundespräsidenten liegt, den Vorschlag der Bundesministerin zu übernehmen oder abzulehnen.
In der Entscheidung aber müssen die Erwägungen jedenfalls transparent gemacht werden, da nur so die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Behörde verpflichtet ist, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (vgl. etwa VfSlg. 8674/1979, 10.942/1986, 12.476/1990). Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid - wie im vorliegenden Fall - in einem spezifischen Zusammenwirken (Vorschläge, Entscheidung, Intimation) verschiedener oberster Organe der Bundesverwaltung zu Stande kommt (vgl. VfSlg. 15.826/2000, 16.431/2002).
Nun enthält der bekämpfte Bescheid aber keinerlei Begründung. Dies stellt objektiv einen in die Verfassungssphäre reichenden, vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler dar. Insoweit die belangte Behörde davon ausgeht, dass der angefochtene Bescheid zwar nicht begründet, aber begründbar ist, ist ihr die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach eine krasse Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung auch nicht etwa dadurch beseitigt werden kann, dass die belangte Behörde ihre Motivation in der Gegenschrift darlegt (vgl. zB VfSlg. 10.997/1986, 12.141/1989, 13.166/1992). Die Begründung eines Bescheides muss vielmehr aus diesem selbst hervorgehen (vgl. etwa VfSlg. 12.476/1990, 14.115/1995, 15.826/2000, 16.431/2002).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen und geprüft zu werden brauchte, ob auch die von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf gleiche Zugänglichkeit zu öffentlichen Ämtern stattgefunden hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG; in den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von 180,-- Euro und Umsatzsteuer in Höhe von 327,-- Euro enthalten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Schulen, Schulbehörden (des Bundes), Parteistellung Dienstrecht, VfGH / Fristen, Beschwerdefrist, VfGH / Legitimation, VfGH / Prüfungsmaßstab, Ersatzbescheid, Intimationsbescheid, Bescheidbegründung, ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1403.2003Dokumentnummer
JFT_09959372_03B01403_00