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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Zuständigkeit des VfGH zur Überprüfung verfassungsunmittelbarer Verordnungen; Aufhebung des §1 der Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik, BGBl. 344/1967, mit der die Besorgung von Geschäften der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften und des staatlichen Hochbaues dem Landeshauptmann übertragen wird - dem Art18 B-VG widersprechende Unbestimmtheit bei Anführung der übertragenen AngelegenheitenRechtssatz
Die Frage, wer den Bund oder das Land als Träger von Privatrechten vertritt, ist selbst keine privatrechtliche Frage, sondern Teil des Staatsorganisationsrechts. Das gilt nicht nur für den in Art104 Abs2 B-VG unterstellten Grundsatz der Verwaltung des Bundesvermögens durch den zuständigen Bundesminister, sondern auch für die in derselben Vorschrift ermöglichte Übertragung dieser Zuständigkeit auf den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Behörden im Land.
Der seine Aufgaben iS des Art104 Abs2 B-VG übertragende Bundesminister gibt seine Zuständigkeit in diesem Fall ab. Eine privatrechtliche Bevollmächtigung würde niemals zum Verlust der Handlungsfähigkeit oder Vertretungsmacht des Vollmachtgebers führen, sondern nur einem anderen die gleiche Fähigkeit verleihen, den Machtgeber oder sonstigen Rechtsträger zu vertreten.
Die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen ist wie die Kontrolle der Verwaltung durch den Verwaltungsgerichtshof wesentlicher Bestandteil des rechtsstaatlichen Prinzips (und keine - wie behauptet - Durchbrechung des Prinzips der Gewaltenteilung). Selbst wenn es keine einfachgesetzlichen Vorschriften gäbe, an welchen eine verfassungsunmittelbare Verordnung zu messen wäre, muß doch die Übereinstimmung einer solchen Verordnung mit den verfassungsgesetzlichen Vorschriften geprüft werden können. Art139 B-VG überträgt daher dem Verfassungsgerichtshof auch die Kompetenz zur Prüfung verfassungsunmittelbarer Verordnungen ohne Ausnahme (vgl. auch VfSlg. 4572/1963).
Die Schaffung einer Zuständigkeit des Landeshauptmannes bloß neben dem Bundesminister wäre durch die Ermächtigung des Art104 Abs2 B-VG, die Besorgung von Geschäften zu übertragen, nicht gedeckt und daher schon aus diesem Grunde gesetzwidrig. Der Bundesminister ist eben gerade nicht dazu ermächtigt, nach Belieben Landesbehörden zur Besorgung der Geschäfte der Bundesvermögensverwaltung einfach mit heranzuziehen; er muß zu diesem Zweck seine eigenen Befugnisse an den Landeshauptmann abgeben. Eine Übertragung unter dem Vorbehalt der Möglichkeit jederzeitigen unmittelbaren Einschreitens mit der Wirkung des Widerrufs wäre aber im Ergebnis ebenso mit Unklarheit behaftet. Zwar wäre dann das die Zuständigkeit des Landeshauptmannes beseitigende tatsächliche Besorgen von Geschäften durch eine Bundesdienststelle nach außen erkennbar (und jedermann gegenüber wirksam, der davon Kenntnis erlangt hat), aber es bliebe unklar, wieweit diese Besorgung gehen und wie lange sie dauern würde. Jedes Einschreiten würde die Frage aufwerfen, ob damit zusammenhängende andere Fragen nun gleichfalls wieder von der Bundesdienststelle wahrgenommen würden, und jede augenblickliche Untätigkeit der Bundesdienststelle würde zu Zweifeln Anlaß geben, ob die Geschäfte nun wieder vom Landeshauptmann besorgt würden oder nicht. Das tatsächliche Einschreiten würde all dies nicht klarstellen.
Der Normsetzer ist verhalten, die Regelung der Behördenzuständigkeit in einer auch strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Weise präzise vorzunehmen (vgl. VfSlg. 9937/1984 und 10.311/1984). Die interne Aufgabenverteilung ist aber der Allgemeinheit nicht bekannt.
Während im Privatrechtsverkehr niemand gezwungen ist, auf eine behauptete Bevollmächtigung zu vertrauen, sondern jedermann weiterhin auch mit dem Machtgeber selbst in Kontakt treten kann, geht es bei der Übertragung der Geschäfte der Bundesverwaltung nach Art104 Abs2 B-VG um die Frage, wer überhaupt als Organ des Rechtsträgers Bund auftritt und so als Machtgeber für allfällige Ermächtigungen, Autor von Approbationsbefugnissen oder auch Partner für privatrechtliche Bevollmächtigungen in Betracht kommt. Es geht mit anderen Worten nicht bloß darum, wer den Bund im Einzelfall vertritt, sondern wer jenes Organ des Bundes ist, das jedenfalls zur Vertretung berufen ist und gegebenenfalls allfällige Stellvertreter bestimmt. Wie das Erkenntnis VfSlg. 10.477/1985 dargelegt hat, ist das entweder der zuständige Bundesminister oder der Landeshauptmann, nicht aber beide nebeneinander.
Wie die Betrauung eines Bundesministers mit der Vermögensverwaltung des Bundes nicht privatrechtlichen Akten vom Typus der Bevollmächtigung gleichgestellt werden darf, sowenig läßt sich die Übertragung dieser Aufgabe an die Landesverwaltung mit solchen Akten vergleichen. Vielmehr handelt es sich in beiden Fällen um den staatsrechtlichen Akt der Festlegung einer Kompetenz, dessen Charakter sich nicht deswegen verändert, weil es eine Kompetenz zu privatrechtlichem Handeln und nicht zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse ist, vergleichbar der Bestimmung der Organe juristischer Personen des Privatrechts und daher der Formen des Organisationsrechtes bedürftig. Er ist Verordnung nicht nur kraft der etwa zufällig gewählten Form, sondern wegen seines sachlichen Gehalts (zum Legalitätsprinzip als Grund für eine verordnungsförmige Übertragung Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht, 1981, 251; zur erforderlichen Rechtsklarheit Rill in: Handbuch für Umweltschutz und Raumordnung, Ö-11-0-01, 77).
Die in Prüfung stehende Verordnung unterliegt daher dem Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG.
§1 der Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 19.10.1967, BGBl. Nr. 344, mit der die Besorgung von Geschäften der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften und des staatlichen Hochbaues dem Landeshauptmann übertragen wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Verordnung läßt nicht erkennen, welche Angelegenheiten "nicht von Bundesdienststellen unmittelbar besorgt werden" (und daher dem Landeshauptmann übertragen worden sind).
Die Verweisung auf nicht publizierte Vorschriften genügt Art18 B-VG jedenfalls nicht (vgl. VfSlg. 2750/1954 und 3130/1956).
Der Bundesminister kann die Vermögensverwaltung des Bundes im Wege von Weisungen seinen jeweiligen Vorstellungen entsprechend leiten, insbesondere dem Landeshauptmann bestimmte Verhaltensweisen auftragen, sich die Genehmigung beabsichtigter Maßnahmen vorbehalten und die zur Ausübung des Weisungsrechts für erforderlich gehaltenen Ermittlungen oder Verhandlungen gegebenenfalls selbst oder durch andere Bundesdienststellen vornehmen und führen. Das Erfordernis klarer Festlegung der Kompetenz zwingt nicht etwa zu einer starren Aufgabenverteilung, die dem verantwortlichen Bundesminister in irgendwelcher Hinsicht die Hände binden würde. Es ist ihm nur nicht möglich, nach Übertragung der Zuständigkeit ohne besonderen und als solchen erkennbaren Widerrufsakt (VfSlg. 4329/1962) im Einzelfall die Geschäfte im Außenverhältnis "federführend zu besorgen".
Das aus dem rechtsstaatlichen Prinzip erfließende Gebot eindeutiger Kompetenzbestimmung im Interesse allfälliger Vertragspartner kann jedenfalls nicht mit dem Hinweis auf praktische Erschwernisse für die Behörde entkräftet werden.
(Anlaßfälle: B504/87 vom 19.06.1989, B524/87 vom 19.06.1989)
Entscheidungstexte
Schlagworte
Behörde / Zuständigkeit, Privatwirtschaftsverwaltung, Privatrecht - Öffentliches Recht, Gewaltentrennung, Verweisung, Rechtsstaatsprinzip, Verordnung verfassungsunmittelbare, VfGH / Prüfungsgegenstand, Zuständigkeit ÜbertragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:V33.1988Dokumentnummer
JFR_10109381_88V00033_01