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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt / Willkür keineLeitsatz
Die Regelung des §15 Vlbg. GVG 1977 genügt den Anforderungen des Art6 MRK an ein Tribunal; kein Verstoß des §5 Abs1 Vlbg. GVG 1977 gegen die nach Art6 StGG gewährleistete Freiheit des Liegenschaftserwerbes; keine denkunmögliche oder willkürliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Eigentumserwerb wegen fehlender SelbstbewirtschaftungRechtssatz
Das Bild des "Tribunals" iS des Art6 Abs1 MRK verlangt keineswegs den auf Lebenszeit bestellten, hauptberuflichen Richter, sondern lediglich solche Organwalter, die die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (subjektiv und objektiv) gewährleisten. Diesen Anforderungen genügt die Regelung des §15 Vlbg. GVG. Weder der Umstand, daß die Mitglieder die Tätigkeit im Grundverkehrssenat nicht hauptberuflich ausüben, noch jener, daß einige von Berufsvertretungen entsandt werden, legt an sich nahe, daß diese Mitglieder parteiisch oder von jemandem (etwa der entsendenden Stelle) abhängig entscheiden würden. Vielmehr ist mit diesem Bestellungsmodus offenkundig intendiert, daß die Mitglieder über solche spezifischen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, die erforderlich sind, um die Entscheidungen des Grundverkehrssenates sachgerecht treffen zu können.
Aus diesen Erwägungen lassen auch die Hinweise der Beschwerdeführer auf die konkrete Zusammensetzung des Grundverkehrssenates keine Zweifel an der Fairness des Verfahrens aufkommen. Ein Organwalter, der nicht in eine gesellschaftliche Umwelt eingebettet ist, die ihn geprägt hat und prägt, ist nicht vorstellbar. Daß diese Prägungen (etwa auch die bisherige berufliche Tätigkeit) im gegebenen Zusammenhang vor dem Hintergrund des Art6 MRK verfassungsrechtlich bedenklich wären, kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden.
Art6 StGG verbietet nur die Schaffung einer bevorrechteten Klasse von Landwirten, denen gegenüber anderen Personen das vorzugsweise Recht eingeräumt wird, Liegenschaften zu erwerben, sodaß nicht bevorrechtete Personen Grundstücke nur erwerben können, wenn die Bevorzugten von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Allgemeine Beschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen der Bundesländer enthalten sind, werden durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen. Die Vorschriften der Grundverkehrsgesetze der österreichischen Bundesländer sind daher nicht aus dem Grund verfassungswidrig, daß sie eine Beschränkung des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Inhalt haben. Zum Grundverkehrsrecht gehören also Maßnahmen, die im Einzelfall verhindern, daß der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines mittleren und kleineren landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht (vgl. Rainer, Ausgewählte Rechtsprobleme des Grundverkehrsrechtes, in:
Schnorr-FS, Manz Wien 1988, 580 f, 589 f). Das Vlbg. GVG enthält - insbesondere aus gesellschaftspolitischen Überlegungen (siehe auch hiezu etwa Rainer, aaO, 579 f) - bestimmte grundverkehrsbehördliche Beschränkungen; diese Vorschriften schließen aber keine Personengruppe vom Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke aus oder bevorzugt sie hiebei (vgl. zB VfGH 27.09.1988 B960/87). Die Beschwerdeführer verkennen vollkommen das Wesen des Grundverkehrsrechtes, wenn sie meinen, es solle die land- und forstwirtschaftliche Produktion sichern (vgl. zB VfSlg. 4027/1961, 8701/1979, 8985/1980, 9580/1982).
Kein Widerspruch des §5 Abs1 Vlbg. GVG 1977 zu Art1 1. ZP MRK.
Die Behörde geht davon aus, daß die Zweitbeschwerdeführerin das Grundstück nicht selbst bewirtschaften werde, weil sie es noch am Tag der Unterfertigung des Kaufvertrages verpachtet habe und nach den festgestellten Gegebenheiten eine Selbstbewirtschaftung gar nicht möglich wäre. Diese Annahmen sind nicht unschlüssig. Dann aber ist iS der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8309/1978, 10 764/1986; VfGH 26.11.1987 B702/87) ein grundverkehrsrechtlicher Versagungstatbestand gegeben.
Vertretbarer Schluß, daß öffentliche Interessen, wie sie das Vlbg. GVG (verfassungskonform) gewahrt wissen will, gegen den Eigentumserwerb sprechen. Damit aber wird auch implizit ausgedrückt, daß sie die (selbstverständlich vorhandenen) privaten Interessen am Eigentumserwerb überwiegen.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht Behörden, Tribunal, Grundverkehrsrecht Verfassungsfragen, Grundverkehrsrecht Interessenabwägung, Liegenschaftserwerbsfreiheit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B147.1989Dokumentnummer
JFR_10109381_89B00147_01